Die diesjährige Weltklimakonferenz in Ägypten lieferte wenig Impulse beim konkreten Klimaschutz. In einem zivilgesellschaftlich sehr schwierigen Umfeld standen andere Entscheidungen im Fokus. Sven Harmeling, Sprecher der VENRO-Arbeitsgruppe Klima, war in Sharm-el Sheik vor Ort und analysiert die zentralen Ergebnisse.
Dieser Blog fasst einige wesentliche politischer Ergebnisse zusammen, beschränkt sich dabei aber im Wesentlichen auf die Themen Klimaschäden, Klimaschutz und Klimafinanzierung.
Erster Schritt zu Klimaschäden-Finanzierung
Nach mehr als zehn Jahren der Dauerblockade der Industrieländer, jenseits der präventiven Klimaanpassung ernsthaft über die Finanzierung zum Umgang mit Klimaschäden (Loss and Damage, L&D) – zu reden, begann die 27. Weltklimakonferenz (COP27) in Sharm-el Sheik mit einem ersten Durchbruch: Es wurde beschlossen, die Finanzierung zu L&D in einem eigenen Agendapunkt zu behandeln. Nachdem die G77 und China bereits bei der COP26 die Einrichtung einer speziellen Finanzfazilität zu L&D gefordert hatten – was aber abgeblockt wurde – stand bei der COP27 wiederum die Einrichtung von „Funding Arrangements“ im Mittelpunkt der Diskussion bei COP27, oder mindestens ein Prozess dazu.
Eine starke Phalanx der sogenannten Entwicklungsländer – die ja bekanntlich sehr divers sind und von den Ländern mit einem der höchsten Pro-Kopf-Einkommen und Pro-Kopf-Emissionen (Qatar und andere Golfstaaten) bis zu den kleinen Inselstaaten und den am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries, LDCs) reicht – brachte schließlich auch die Industrieländer ausreichend in Bewegung, so dass sie Beschlüssen zu einem neuen Fonds nicht weiter im Weg stehen konnten. Die entsprechende COP-Entscheidung buchstabiert primär prozedurale Aspekte aus:
- Es wird ein so genanntes Transitional Committee (TC) eingerichtet, dass bis zur folgenden COP folgende Aspekte bearbeiten soll:
- Etablierung von institutionellen Arrangements, Modalitäten, Struktur, Governance, und Rolle des Fonds
- Definition der neuen Elemente der Finanzierungs-Arrangements
- Identifizierung und Ausweitung der Finanzquellen
- Sicherstellung von Koordination und Komplementarität mit existierenden Finanzarrangements
- Das TC soll aus 24 Mitgliedern bestehen – 14 davon aus Entwicklungsländern –, die Mitglieder sollen zum 15. Dezemberbenannt werden und das erste Treffen bis zum 31. März stattfinden. Da dieses im Zusammenhang mit den Treffen des Warschau-Mechanismus zu L&D stattfinden soll, gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass diese erste Zusammenkunft des TC irgendwann in Bonn am Sitz des UN-Klimasekretariates stattfinden wird.
Die Entscheidung lässt noch vollkommen offen, wer wie in den L&D-Fonds einzahlen soll. Die Diskussionen haben aber gezeigt, dass es hier auch um eine Ausweitung der üblichen Geberstruktur gehen wird: Welche Rolle spielen relativ wohlhabende und mittlerweile auch sehr emissionsrelevante Länder wie z.B. China? Aber auch: Können Mechanismen eingerichtet werden, mit denen z.B. die fossile Energieindustrie als Hauptverursacher des Klimawandels belangt werden kann und entsprechend an der Schadensbewältigung in ärmeren Ländern beteiligt wird?
Die Industrieländer müssen dabei klar zeigen, dass sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen wollen, aber eben ergänzend auch andere Länder entsprechend ihrer wachsenden Verantwortung und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beitragen müssen. Aus entwicklungspolitischer Sicht sollte ein mindestens relativer Fokus auf die ärmsten und besonders betroffenen Länder angestrebt werden. Dies muss nicht heißen, dass nur eine kleine Anzahl an Ländern möglicher Empfänger sein muss, aber dass es insgesamt eine nachvollziehbare Differenzierung nach Vulnerabilität, historischer Verantwortung und Handlungskapazitäten geben sollte.
Deutschland hat für die Einigung eine wichtige Rolle gespielt, zum einen durch die Rolle der Klima-Sondergesandten Jennifer Morgan als einer von zwei federführenden Fazilitator_innen der Diskussion, aber auch durch frühzeitigere Bewegung innerhalb der EU. Im Gegensatz dazu standen andere Länder wie Schweden und Frankreich lange im Weg. Auch die Zivilgesellschaft hat stark darauf gedrungen, dass Initiativen wie das Globale Schutzschild, das Deutschland maßgeblich vorangetrieben hat, nicht der Einrichtung eines neuen Fonds unter dem Dach des Klimasekretariats der Vereinten Nationen (UNFCCC) im Wege stehen.
Insgesamt war klar, dass bei dieser COP nicht entschieden werden würde, wer wann wieviel Geld bereitstellt und wer wieviel bekommt. Doch der Beschluss zur Einrichtung des Fonds im weiteren Kontext von „funding arrangements“ ist ein wichtiger Meilenstein, dem jetzt die möglichst zeitnahe Ausarbeitung, Umsetzung und Füllung mit Geld folgen muss, damit das Leid bei den betroffenen Menschen möglichst schnell gelindert werden kann.
Wenig Impulse beim Klimaschutz, aber Ausstieg aus fossilen Energien immer mehr im Fokus
Beim konkreten Klimaschutz hat die COP27 trotz der offensichtlichen, allen bekannten und vielfach dokumentierten Ambitionslücke der nationalen Klimapläne gegenüber der 1,5°-Grad-Grenze wenig Impulse gebracht. Es wurde nach langen und kontroversen Diskussionen ein zunächst bis 2026 angelegtes Arbeitsprogramm (mit Aussicht auf Verlängerung) beschlossen. Dieses wiederholt noch mal den Aufruf, die nationalen Klimapläne (NDCs) entsprechend der Paris-Ziele zu überarbeiten. Die Länder einigten sich darauf, dass es mindestens zwei globale Workshops pro Jahr zum Erfahrungs- und Ideen-Austausch für mehr Klimaschutz geben soll, mit einem jährlichen Bericht und Präsentationen in den jährlichen hochrangigen Ministertreffen während den COPs zu diesem Thema. Ein expliziter sektoraler Ansatz wird zumindest erlauben, sich nicht nur auf Länderebene zu bewegen.
Eine eher kleine Gruppe von Staaten, die maßgeblich durch fossile Energien geprägt sind, waren durch die Unterstützung Ägyptens erfolgreich darin, weitergehende Beschlüsse zum schrittweisen Ausstieg aus den fossilen Energien zu verhindern, trotz einer breiten Unterstützung dafür. Doch es bleibt angesichts der globalen Notsituation beim Klimawandel klar, dass die fossilen Energien als Hauptursache des Klimawandels schneller reduziert werden müssen. Für den Einstieg in die Ausbeutung neuer Vorkommen bietet das Klimasystem keinen Platz mehr, stattdessen ist der schnelle Umbau hin zu Erneuerbaren Energien notwendig. Konkrete Kooperationen wie die JET-Ps – Just Energy Transition Partnerships –, die bei der COP27 gemeinsam von Industrieländern und Südafrika bzw. Indonesien vorgestellt wurden, sind ein wichtiger Ansatzpunkt, so denn sie partizipativ und an Gerechtigkeitsaspekten orientiert umgesetzt werden.
Auch wurde eine „Senegal-Germany People’s Alliance for Climate Justice” gegründet, die den Widerstand aus weiten Teilen der Zivilgesellschaft gegen den maßgeblich vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz vorangetriebenen –aber mit dem 1,5°C-Limit kaum kompatiblen – Einstieg in die Gasexploration im Senegal zu kanalisieren helfen kann.
Stillstand bei der Klimafinanzierung
Hinsichtlich der allgemeinen Klimafinanzierung gab es keine Fortschritte. Die Industrieländer, inklusive Deutschland und der EU, waren leider erfolgreich in ihrem abzulehnenden Bemühen, einen Beschluss zu verhindern, der die 100 Milliarden als Durchschnittsziele 2020-2025 festlegt. Dies wäre nur fair gewesen, denn die Industrieländer beschädigen das Vertrauen gegenüber den Entwicklungsländern durch ihr Nichterreichen der 100 Milliarden, auch wenn man fairerweise sagen muss, dass die größte Verantwortung hier bei den USA liegt. Aber dass auch die Gesamt-EU-Zahlen im Jahr 2021 gegenüber 2020 leicht abgesunken sind, stimmt sehr besorglich. So hofft man, dass die Länder 2023 das Erreichen der 100 Milliarden werden verkünden können.
Eine weitere Blockade gab es seitens der Geberländer gegenüber konkreteren Beschlüssen, wie die mindeste Verdoppelung der Anpassungsfinanzierung bis 2025 (gegenüber 2019) erreicht werden soll, ein Beschluss der COP26. Letztendlich wurde selbst eine Referenz, dass das Ständige Finanzierungs-Komitee unter UNFCCC (SCF) diese Frage in seinen Berichten beleuchten soll, gestrichen. Zwar ist der Ansatz der EU, zu Kernthemen auch strategische Allianzen mit verletzlichen Entwicklungsländern zu verfolgen, zu begrüßen. Ein solches Verhandlungsverhalten wirkt hier allerdings kontraproduktiv.
Abschließend sei noch auf das persönliche Empfinden der Situation vor Ort hinzuweisen: Wie allseits bekannt, fand die Weltklimakonferenz in einem zivilgesellschaftlich sehr schwierigen Umfeld statt. Jenseits der hochproblematischen Einschränkung der Meinungsfreiheit und der Menschenrechte in Ägypten warf die COP aber auch seitens der UN massive Fragen hinsichtlich des Managements einer solchen Konferenz auf: Nie zuvor bei einer COP bestand ein solches Gefühl der Unsicherheit und mutmaßlichen Überwachung durch Akteure seitens des gastgebenden Landes, was sich nicht wiederholen darf.
Was ist im kommenden Jahr zu erwarten?
Als Ausblick auf 2023 zeichnen sich u.a. die Notwendigkeit einer starken Wiederauffüllung des Green Climate Fund (GCF) ab – der Haupt-Entscheidungstext (para 40) mahnt Industrieländer, in einem Ausmaß Finanzen bereitzustellen, die einen Anstieg gegenüber vorherigen Auffüllungsrunden darstellen und im Einklang mit der Kapazität des GCF stehen. Deutschland hatte in der ersten Runde 1,5 Milliarden Euro für 4 Jahre bereitgestellt und sollte daher nun deutlich über diesen Betrag hinausgehen. Ein noch kurzfristigerer Schritt, den die Industrieländer zur Vertrauensbildung nutzen können, ist allerdings die Einreichung der Finanzprojektionen unter Artikel 9.5 des Paris-Abkommens. Dies steht spätestens zum 31. Dezember 2022 an. Deutschland sollte hier sehr klar und im Detail Aufwuchspläne darlegen – auch, wie die Verdoppelung der Anpassungsfinanzierung bis 2025 erreicht werden soll.
In einigen weiteren Bereichen wie Landwirtschaft oder Geschlechtergerechtigkeit gelang es den Ländern zwar, sich auf konkrete Entscheidungstexte zu einigen. Diese sind aber zum Teil kaum mehr als ein „Weiter so“ und lassen mit Blick auf die nächste COP eine umfangreichere Ambitionssteigerung vermissen.
Sven Harmeling ist Klimapolitischer Leiter unserer Mitgliedsorganisation CARE und Sprecher der VENRO-Arbeitsgruppe Klimawandel und Entwicklung.
Sven Harmeling | VENRO / CARE |