Politik

Globale Nachhaltigkeit muss primäre Entscheidungsgrundlage aller Politikfelder werden

Bundeskanzlerin Angela Merkel präsentiert den deutschen Staatenbericht.

Bei den Vereinten Nationen präsentierte Deutschland jüngst seinen Staatenbericht zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. Neben einigen erfreulichen Inhalten wurde deutlich: Die nächste Bundesregierung muss sich vorrangig damit befassen, alle Entscheidungen und Gesetzesvorhaben auf die Erreichung der Agenda 2030 hin auszurichten, schreibt die stellvertretende VENRO-Vorsitzende Dr. Luise Steinwachs.

Zum Glück hat es doch noch geklappt. Zwar hat die Live-Übertragung des deutschen freiwilligen Staatenberichtes (VNR) am 15. Juli 2021 nicht funktioniert, doch das Video ist inzwischen bei UN-TV online. Zuerst die Bundeskanzlerin: „Unsere Zukunft sichern, nicht konsumieren, das meint Nachhaltigkeit“, sagt sie. Und sie bezieht sich erfreulicherweise auf den Global Sustainable Development Report von 2019, also den Bericht, der anmahnt, endlich die 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) in ihrem Zusammenwirken in den Blick zu nehmen. Daher kommt auch der Ansatz der Bundesregierung, die 17 SDGs in sechs „Transformationsfelder“ zu integrieren.

Ebenfalls erfreulich: Im Bericht der Bundesregierung wird das Anliegen formuliert, sogenannten Spill-Over-Effekte zu analysieren, also die (negativen) externen Effekte von Industrieländern wie Deutschland auf andere Länder, insbesondere im Globalen Süden. Ein Beispiel: Der Indikator für “globale Umweltzerstörung, die durch private Haushalte” in Deutschland verursacht werden, findet sich schon jetzt im Staatenbericht (12.1.b, 12.1.c). In diese Richtung muss es weitergehen – und zwar bezogen auf alle 17 Ziele!

Agenda 2030 muss Leitprinzip für die gesamte deutsche Politik werden

Gleichzeitig reicht selbst das nicht aus zum Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele. Denn wie viel können diese Indikatoren erfassen von dem, was tagtäglich als „externe Effekte“ verursacht wird? Und wie lange wird es dauern, belastbare Indikatoren zu entwickeln? Die Orientierung nur an der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) für die Umsetzung der Agenda 2030 reicht nicht aus. Daher ist klar: Die Forderung nach Kohärenz und danach, die Agenda 2030 als Leitprinzip für die gesamte deutsche Politik zu machen, heißt auch, schon jetzt grundsätzlich alle Entscheidungen, Regelungen und Gesetzesvorhaben auf die Erreichung der Agenda 2030 hin auszurichten, so wie es auch das sog. Perspektivenpapier („Transformation erreichen – Perspektiven für die Deutsche Nachhaltigkeitspolitik“) des Staatssekretärsausschuss‘ vom 14. Juni 2021 formuliert.

Darin heißt es: „Alle Ministerien tragen Verantwortung nicht nur für ihre Themenbereiche, sondern auch gemeinsam für das verfolgte Ziel eines nachhaltigen Deutschlands, in allen Bereichen, in allen Zielen.“ Und es wird die Frage gestellt: „Wie lässt sich die bestehende Nachhaltigkeitsprüfung verbessern einschließlich der Integration von Nachhaltigkeitsfragen und möglichen Zielkonflikten in den Gesetzgebungsprozess – so dass sichergestellt wird, dass Nachhaltigkeitsaspekte in Gesetzgebungsvorhaben von Beginn an immer mitgedacht werden?“

Die nächste Bundesregierung muss sich dem Anliegen vorrangig widmen, globale Nachhaltigkeit tatsächlich zur primären Entscheidungsgrundlage aller Politikfelder zu entwickeln und deren Kohärenz zu stärken, so wie es auch die deutsche Zivilgesellschaft im ihrem Statement zum VNR fordert: „The German government claims that the 2030 Agenda is the guiding principle of German policies. For this to come true, we need political coherence, global solidarity and effective measures to tackle the multiple crises.”


Die Präsentation des freiwilligen Staatenberichtes (VNR) Deutschlands erfolgte am 15. Juli 2021. Sie ist auf UN-TV ab Minute 13:50 zu sehen. Sie beginnt mit dem Statement der Bundeskanzlerin Angela Merkel und wird gefolgt von zwei Statements der Staatssekretärinnen (Dr. Maria Flachsbarth, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, und Rita Schwarzelühr-Sutter, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit) und dem gemeinsamen Statement der Zivilgesellschaft (Dr. Luise Steinwachs, VENRO, ab Minute 21:50) Das dazugehörige Side Event fand ebenfalls am 15. Juli statt.