Politik

„Junge Menschen müssen noch immer stark um echte Beteiligung kämpfen“

Es sind vor allem junge Menschen, die den Druck auf die Politik für eine ambitionierte Nachhaltigkeitspolitik aufrechterhalten. Davon ist Franka Marie Bernreiter, UN Jugenddelegierte für Nachhaltige Entwicklung, überzeugt. Sie wünscht sich mehr Anerkennung für jugendliches Engagement und fordert echte Mitspracherechte für junge Menschen in der Politik und in Nichtregierungsorganisationen.

Frau Bernreiter, Sie begleiten die deutsche Regierungsdelegation unter anderem zum Forum der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, – das zentrale Gremium, das die Fortschritte bei den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen überwacht. Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf, um die Agenda 2030 in den kommenden sieben Jahren umzusetzen?

Das Problem steckt schon in der Frage. Die größte Herausforderung ist definitiv die Umsetzung selbst. Schon vor Beginn der Pandemie, vor dem Krieg gegen die Ukraine und den daraus resultierenden Krisen sah es nicht so aus, als würden wir die Ziele bis 2030 erreichen. Jetzt haben sich bestehende Krisen verschärft, neue sind hinzugekommen. Die Regierungen haben sich 2015 zu den Zielen bekannt. Mir kommt es aber manchmal so vor, als hätten sie vergessen, dass dieses Versprechen nicht reicht, sondern dass diese Ziele aktiv umgesetzt werden müssen. Bei der Umsetzung spielt auch die Wirtschaft eine große Rolle. Es braucht gesetzliche Regulierungen und Rahmen, die alle Akteur_innen in die Verantwortung nehmen. Solche Gesetze einzuführen und umzusetzen, ist eine schwierige Aufgabe und Herausforderung. Es ist aber unbedingt notwendig, wenn man bedenkt, dass nur 100 Firmen für 70 Prozent der globalen C02 Emissionen verantwortlich sind.

Welche Forderungen stellen junge Menschen an die Bundesregierung mit Blick auf die globalen Nachhaltigkeitsziele?

Junge Menschen sind in politischen Entscheidungsprozessen noch immer stark unterrepräsentiert. Wir haben aber Positionen, wir wollen endlich dahin kommen, dass wir nicht mehr nur Jugendbeteiligung fordern, sondern endlich unsere inhaltlichen Positionen vertreten können. Von Deutschland fordern wir eine konsequente Umsetzung der Agenda 2030. Man hat beim diesjährigen UN Forum für Nachhaltige Entwicklung, bei dem die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele evaluiert werden, deutlich gespürt, dass viele Staaten in Deutschland eine Vorreiterrolle sehen. Dieser Rolle muss Deutschland endlich gerecht werden. Wir dürfen die Agenda 2030 auf keinen Fall abschreiben, gerade wir jungen Menschen sind auf ihre Umsetzung angewiesen, um eine nachhaltige und damit gute Zukunft zu haben. Falls wir die Ziele nicht erreichen, werden junge Menschen am längsten darunter leiden.

Warum ist es so wichtig, dass sich junge Menschen für die sozial-ökologische Transformation engagieren?

Das Engagement der jungen Menschen ist sehr wertvoll. Bei den internationalen Konferenzen, auf denen ich bisher war, waren es junge Menschen, die den Druck auf Entscheidungsträger_innen aufgebaut haben und so für ambitionierte Verhandlungen gesorgt haben. Bei der UN-Umweltversammlung dieses Jahr saßen die jungen Menschen bis spät in die Nacht in den Verhandlungen, um ihre Positionen einzubringen. Wir waren oft die letzten, die das Gelände verlassen haben. Ich würde mir wünschen, dass junge Menschen als die Bereicherung wahrgenommen werden, die sie sind. Und ihre Hartnäckigkeit und ihr Durchhaltvermögen Gehör und Anerkennung findet. Die Zivilgesellschaft im Allgemeinen, aber auch junge Menschen im Speziellen, müssen noch immer stark um Partizipation und echte Beteiligung kämpfen und werden oft nicht ernst genommen. Es gibt Vorurteile gegenüber der Jugend, oft wird uns nicht zugetraut, dass auch wir Erfahrung haben und tief in den Themen stecken. Trotzdem gibt es auch positive Entwicklungen und Jugendbeteiligung wird immer wichtiger.

Was können Nichtregierungsorganisationen tun, damit mehr junge Menschen politisch aktiv werden und sich für gesellschaftliche Transformationsprozesse einsetzen?

NRO sollten sich überlegen, wie sie die Positionen und Forderungen junger Menschen in ihre Arbeit einfließen lassen können und junge Menschen vermehrt in Entscheidungsprozesse einbinden können. Die Jugend ist schon sehr engagiert und möchte sich aus eigener Motivation einbringen. Organisationen sowie Institutionen sollten sich daher die Frage stellen, wo es für junge Menschen Hindernisse gibt und wie diese abgebaut werden können. Insbesondere müssen junge Menschen die Chance erhalten, hauptamtlich für eine NRO tätig zu werden, und dort auch in Entscheidungspositionen kommen können.