Was können Staaten tun, wenn sie andere Staaten abstrafen wollen – etwa für schwere Menschenrechtsverletzungen oder den Einsatz verbotener Kriegsmittel? Eine mögliche politische Maßnahme ist das Einführen von Sanktionsregimen. Weil damit aber oft auch humanitäre Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen einschränkt werden, diskutiert derzeit ein Trilog über Lösungenansätze für diesen unerwünschten Nebeneffekt.
Sanktionsregime zielen oft darauf ab, einen Staat oder Individuen wirtschaftlich einzuschränken, um sie so zu einem gewünschten Verhalten zu zwingen. Dies kann etwa das Einfrieren von Bankkonten sein, oder die Androhung von Strafen gegen jeden, der Geld an die sanktionierten Personen oder Staaten überweist.
Das Einsetzen von Sanktionsregimen ist grundsätzlich ein politisches Handlungsmittel, das jedem Staat freisteht. Allerdings sollte dabei darauf geachtet werden, keine unerwünschten Nebenwirkungen hervorzurufen. Ein solch unerwünschter Nebeneffekt ist leider oft die Einschränkung von humanitären Aktivitäten. Wenn Zahlungen in einen bestimmten Staat eingeschränkt werden, so trifft dies nicht nur private oder staatliche Überweisungen, sondern auch diejenigen von humanitären Organisationen.
Viele Sanktionsregime enthalten deswegen heute sogenannte humanitäre Ausnahmeklauseln, die eigentlich sanktionierte Vorgänge dann erlauben, wenn sie einer humanitären Aktivität dienen. In der Realität ist die Umsetzung solcher Ausnahmeklauseln jedoch nach wie vor schwierig. Aber warum? Woran genau scheitert die Umsetzung? Und was können wir dagegen tun? Genau dieser Frage soll nun auf verschiedenen Ebenen, national wie international, im Rahmen sogenannter Drei-Parteien-Dialoge nachgegangen werden.
Austausch zwischen Regierungen, Banken und Zivilgesellschaft
Am 26. März hat der Thinktank ODI im Auftrag der US-amerikanischen Regierung den ersten in einer Reihe von sechs Terminen in einem internationalen Drei-Parteien-Austausch zwischen Regierungen, Banken und Nichtregierungsorganisationen (NRO) veranstaltet (Link zum Outcome-Dokument). Ziel ist ein offener (unter Chatham House Rule geführter) Austausch rund um finanzielle Zugangsschwierigkeiten für NRO in komplexen humanitären Situationen, in denen Finanzregulierungen humanitäre Aktivitäten einschränken. Hürden, aber auch positive Erfahrungen der verschiedenen Akteure, sollen identifiziert und geteilt, mögliche kollaborative Formate gefunden und generell für besseres Verständnis und gegenseitige Unterstützung geworben werden.
Der erste Termin fokussierte sich dabei auf die Thematik „Good practices and successes of implemenation and alignment between different sanction frameworks“, mit Beiträgen insbesondere zu der Erfahrung der Europäischen Union (EU), einheitliche humanitäre Ausnahmen in bislang über 30 Sanktionsregimen einzuführen, sowie zu den General Licenses der US-Regierung für humanitäre Akteure.
Das Event, an dem vor allem Vertreter von Regierungen, Banken und NRO aus den USA, Frankreich, Kanada, Großbritannien, Norwegen, den Niederlanden, der Schweiz, Schweden, Deutschland und der EU teilnahmen, zeigte vor allem den Bedarf an offenem und vertiefendem Austausch. Offenheit und Interesse zeigten sich auf allen Seiten, aber das gegenseitige Verständnis der Hürden und Auswirkungen ist nach wie vor relativ gering. Als NRO sollten wir nicht unterschätzen, wie wertvoll es ist, Banken und Regierungen bzw. Ministerien deutlich darzulegen, wie Regulierungen unsere Arbeit behindern – und welche Auswirkungen das hat. Der Zusammenhang zwischen einer gescheiterten Überweisung und der Tatsache, dass Mitarbeiter und Partnerorganisationen nicht bezahlt, Hilfsgüter nicht gekauft und somit letztlich Menschen ganz konkret keine Hilfe erbracht werden kann, muss in aller Deutlichkeit hervortreten und so allen beteiligten Parteien vor Augen führen, was auf dem Spiel steht.
Kontinuierliches Engagement von NRO ist unabdingbar
Ein positiver Aufruf von Seiten der US-Behörden geht dabei an die Advocacy-Abteilungen der NRO. Das Engagement der USA in der Verabschiedung der Resolution 2664 (2022) des UN-Sicherheitsrats, welche humanitäre Ausnahmen für alle UN-Sanktionsregime vorsieht, sei vor allem aus den langjährigen, beharrlichen Aufrufen aus der Zivilgesellschaft begründet. Nur das kontinuierliche Engagement von NRO werde dazu führen, dass sich auch andere Regierungen für das Thema einsetzen – ein wichtiger Aufruf vor dem Hintergrund, dass die UN-Resolution Ende dieses Jahres verlängert werden muss.
In der EU sehen NRO währenddessen zwei wichtige Punkte, auf die hingearbeitet werden sollte. Zunächst die Aufnahme von humanitären Ausnahmeregelungen in alle Sanktionsregime, und zwar idealerweise ohne zeitliche Begrenzung (aktuell laufen einige dieser Ausnahmen nur für Zeiträume von je sechs Monaten). Und darüber hinaus eine Lösung, die Bedeutung dieser Ausnahmeregelungen klar und verständlich aufbereitet zu erklären – sowohl für NRO als auch für Banken und andere Akteure im Finanz- und Dienstleistungssektor. Missverständnisse und Unklarheiten führen immer noch zu einem „chilling effect“ – für Beteiligte können nicht nur finanzielle, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen auf dem Spiel stehen. Ein klare Erklärung, wie Regelungen verstanden und angewandt werden sollten, ist daher unabdinglich.
Die Herausforderung für den NRO-Sektor wird darin liegen, Daten und Informationen zu den Schwierigkeiten, die sich im Zahlungsverkehr stellen, so umfassend wie möglich zu dokumentieren. Je umfassender die Informationen zu den Problemen sind, die der Regierung präsentiert werden können, umso wahrscheinlicher ist es, dass diese eingreift und konkrete Lösungen anbietet.
Caroline Siewert | Aktion gegen den Hunger |