Politik

Gravierende Staatsverschuldung in Entwicklungsländern: Es braucht Lösungen!

Der Internationale Währungsfonds sieht viele arme Länder angesichts neuer Schuldenstrukturen und dem Anstieg der Schuldenquoten in akuter Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit. Deshalb sollten Lösungen gefunden werden, um dramatische soziale Folgen für die betroffene Bevölkerung zu vermeiden.

Am 22. April ging die Frühjahrstagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington zu Ende. Dort diskutierten wie jedes Jahr im April Finanzexpert_innen über die derzeitige Situation der Weltwirtschaft, die internationale Entwicklung und die weltweiten Finanzmärkte. Wie schon in den Jahren 2015 und 2016 widmete auch die diesjährige Frühjahrstagung der Staatsverschuldung im Kontext der Entwicklungsländer ein eigenes Diskussionspanel. Dieses Jahr debattierten Finanz- und Entwicklungsexperten aus dem Globalen Süden und Norden über das Zusammenspiel von Wachstum und Staatsverschuldung. Dieses Diskussionsthema wurde nicht ohne Grund gewählt: Kurz vor der Tagung hatte der IWF einen Bericht veröffentlicht, in dem er sich besorgniserregend über die Entwicklung der Staatsverschuldung in Entwicklungsländern äußert. Denn hohe Staatsschulden bedeuten auch zusätzliche Belastungen und haben soziale Folgen. Deshalb sollten Lösungen für dieses Problem gefunden werden.

Staatsverschuldung ist kein Problem per se, solange sie in einem angemessenen Verhältnis zur Wirtschaftsleistung und den Staatseinnahmen steht. Darüber waren sich auch die Diskutant_innen des Panels auf der Frühjahrstagung einig. Denn durch Staatsschulden wird es nicht nur Entwicklungsländern, sondern auch Industrieländern möglich, zum Beispiel notwendige Infrastrukturprojekte zu realisieren.

Schuldenquoten steigen seit 2013 stark an

Doch der im März vorgelegte Bericht des IWF legt nun dar, dass vor allem Entwicklungsländer mit niedrigem Einkommen (Low Income Developing Countries, LIDC), also Länder, welche ein niedriges BIP und vergleichsweise schwache sozio-ökonomische Indikatoren vorweisen, einen sehr schnellen Schuldenquotenanstieg verzeichnen. Lag die öffentliche Schuldenquote in LIDC im Jahr 2001 noch bei 94 Prozent, so konnten viele Entwicklungsländer mit niedrigem Einkommen ihre Schuldenquote bis 2013 auf 33 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) drücken. Dies wurde durch den IWF und die Weltbank möglich, welche 1996 die sogenannte HIPC-Initiative ins Leben gerufen haben. Sie hatte zum Ziel, hochverschuldete Entwicklungsländer (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) zu entschulden und damit die Armut in den Ländern zu bekämpfen. Nun stieg die Schuldenquote der LIDC aber innerhalb von vier Jahren wieder auf 47 Prozent des BIP an. Laut dem Bericht sind 40 Prozent der 59 Entwicklungsländer mit niedrigem Einkommen hochgradig gefährdet, in Rückzahlungsschwierigkeiten zu geraten – oder sind es bereits. Im Jahr 2013 waren es noch 21 Prozent der LIDC.

Gründe dafür sind insbesondere der Verfall der Rohstoffpreise in diesem Zeitraum, damit verbundene geringere Staatseinnahmen, ein Anstieg der Primärdefizite sowie Krisen. Hinzu kommt eine zunehmend veränderte Schuldenstruktur in LIDC, welche vormals von der HIPC-Initiative profitiert haben und sich nun in Zahlungsschwierigkeiten befinden. Das wiederum resultiert aus der Tatsache, dass die Kredite aus China nun einen unwesentlich geringeren Anteil an den Schuldenquoten haben als alle multilateralen Kredite zusammen. Dies in Verbindung mit höheren Krediten bei kürzerer Laufzeit und die Gefahr, dass Zinsen für ausstehende Kredite ansteigen könnten, birgt hohe Risiken und bereitet dem IWF zu Recht Sorge.

Soziale Ungleichheit wird weiter verschärft

Ein hohes Niveau der öffentlichen Verschuldung hat neben enormen fiskalischen auch unmittelbare soziale Folgen. Denn nicht selten sind die Kreditgeber des Staates in Form von Staatsanleihen auch Personen der dort befindlichen Oberschicht. Diese profitieren von einem höheren Schuldenniveau des Staates insofern, dass sie höhere Zinserträge erzielen und es damit zu einer Umverteilung nach oben kommt – die soziale Ungleichheit im Land verschärft sich also. Da eine Kreditaufnahme auch immer eine Verschiebung der Lasten und Zahlungen in die Zukunft bedeutet, kommt es neben der Umverteilung innerhalb von Generationen auch zur Lastenverschiebung zwischen Generationen. Für zukünftige Generationen bedeutet das eingeschränkte Handlungsspielräume und zusätzliche Belastungen.

Bei alledem bleibt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit immer persistent. Dies tritt dann ein, wenn der Schuldendienst die Einnahmen des Landes übersteigt. Mögliche Auswirkungen dessen konnten jüngst in Venezuela beobachtet werden. Das Land mit den größten bekannten Ölreserven der Welt hat derzeit mit einem enormen öffentlichen Verschuldungsdruck zu kämpfen. Es kam bereits zu enormen Kürzungen im Gesundheitsbereich – nicht ohne Folgen für die Bevölkerung. Die Kindersterblichkeit ist um ein Drittel angestiegen, die der Mütter um fast zwei Drittel. Medikamente und Desinfektionsmittel sind knapp. Aus einer Schuldenkrise wurde eine humanitäre Krise.

Staatsverschuldung in zu hohem Ausmaß ist also nicht nur eine Frage des Geldes. Es geht auch um die sozialen Folgen und damit um die betroffene Bevölkerung. Deshalb sollte Lösungen für die LIDC gefunden werden, um Risiken einer Schuldenkrise zu mindern.

Welche Lösungsansätze sind denkbar?

Ein erster Schritt wäre es, eine beiderseitig verantwortungsvolle Kreditvergabe und -aufnahme, wie sie in der Addis Abeba Action Agenda (AAAA) verankert wurde, durchzusetzen. Weiterhin wäre – wie von VENRO angesichts fehlender multilateraler Rechtsrahmen zur Lösung von Schuldenkrisen gefordert – die Konstituierung regionaler bzw. auf begrenzte Länder bezogener Entschuldungsinitiativen sinnvoll. Vorbild könnte hierbei die Ende der 1990er-Jahre geschaffene HIPC-Initiative sein, von der damals 36 hochverschuldeten arme Länder profitiert haben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang allerdings, aus den Fehlern der Initiative – wie etwa der mangelnden Partizipation – zu lernen: Anders als in den 1990er-Jahren sollten die zu entschuldenden Länder daher auch Zugang zum Verhandlungstisch bekommen.

All dies kann dazu beitragen, dass vor allem Entwicklungsländer keiner wachsenden Gefahr ausgesetzt werden und doch notwendige Investitionen realisieren können.


Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie im Schuldenreport 2018, der von unseren Mitgliedsorganisationen erlassjahr.de und MISEREOR im März herausgegeben wurde.