Politik

Von Afrika bis Europa: Seite an Seite im Kampf für Klimagerechtigkeit

Vertreter_innen von Fridays for Future auf der Weltklimakonferenz in Madrid

Die heutigen Kommunikationswege bieten die Chance, am Leben von Menschen in anderen Teilen der Welt teilzunehmen. Leonie Bremer, Pressesprecherin von Fridays for Future Deutschland, berichtet über die Lebensrealität in Uganda und den gemeinsamen digitalen Kampf gegen den Klimawandel.

Halb stolpernd laufe ich morgens in die Küche meiner gemütlichen WG. Meist beginnt der Tag mit Kaffeekochen. Ich möchte frühstücken, öffne nicht selten die Vorratsschränke und stelle halb ärgerlich, halb betroffen fest, dass ich kein Essen im Haus habe.

Kein Essen, davon handelt auch die Nachricht von Hilda Flavia Nakabuye, die auf meinem Handy erscheint: “Good morning Leonie, the situation is bad. People are dying. They do not have food.” Hilda ist eine Fridays for Future-Aktivistin aus Uganda.

Ich könnte loslaufen und in einem der unzähligen, sich ewig gleichenden Läden Nachschub für meinen Vorratsschrank kaufen. Läden, in denen immer alles verfügbar ist. Läden, in denen nicht verkaufte Ware am Ende des Tages weggeschmissen werden. Aber mir vergeht der Appetit.

Die Missstände in Uganda liegen direkt neben meinem Kaffee auf dem Frühstückstisch

Manchmal scheint es mir, als trennten Hilda und mich Welten. Als ob unsere Geburtsorte unsere Lebensinhalte so willkürlich wie unumgänglich vorgezeichnet hätten. Manchmal verfehlen meine Ratschläge eine Problematik, die ich nicht richtig erfassen konnte. Und dennoch stehen Hilda und ich Seite an Seite im Kampf für eine gemeinsame Sache: Klimagerechtigkeit. Wir fordern “Unite behind the science”, die Einhaltung völkerrechtlicher Verträge und allen voran, dass die 1,5-Grad-Grenze nicht überschritten wird. Die Grenze, die es uns ermöglicht, die Anzahl der an Hunger sterbenden Menschen in Ländern wie Uganda beherrschbar zu machen.

Fridays for Future und unsere Generation hat für mich eine Stärke, die ich bei vielen Politiker_innen und etablierten Strukturen vermisse. Wir nutzen die heutigen Kommunikationswege, um am Leben von Menschen in anderen Teilen der Welt teilzunehmen. Wir hören uns gegenseitig zu, fragen nach und versuchen zu verstehen. Unabhängig davon, ob Länder handeln wollen oder Politiker_innen meinen, einen Kompromiss gefunden zu haben. Die Missstände in Uganda liegen direkt neben meinem Kaffee auf dem Frühstückstisch.

Menschen im Globalen Süden flüchten vor den Auswirkungen unseres Handeln

Ich glaube nicht, dass “wir”, die in Europa leben, wissen, was Menschen in Ländern wie Uganda brauchen. Ich glaube nicht, dass “wir” festlegen sollten, was “arme” Länder benötigen, um “besser” zu werden. Besser – so wie “wir”? Die viertgrößten Emittenten der Erde, die dafür sorgen, dass Menschen im Globalen Süden schon heute vor den Auswirkungen unseres Handelns flüchten müssen?

Mag sein, dass wir wissen, wie man die Ressourcen eines Landes bestens verbrauchen und Lebensqualität an einem steigenden Bruttoinlandsprodukt (BIP) ablesen kann. Für mich bedeutet bessere Lebensqualität aber nicht ein höheres BIP. Ich glaube vielmehr, wir, ich und viele Politiker_innen wissen viel zu wenig. Und wir sollten viel öfter zuhören.

Insbesondere bei Politiker_innen – auf ihren Bühnen in ihren teuren Anzügen und Kleidern – habe ich nicht den Eindruck, dass sie bei allem Reden über Multilateralismus, bei all der “Entwicklungshilfe-Industrie“ und der wiederholten Beteuerung “Ja, das Thema ist mir auch wirklich wichtig” wissen, dass sie über Lebensrealitäten reden. Und über Menschen wie Hilda.

Zuhören und Nachfragen haben den Vorteil, Entscheidungen teilen zu können, da wirkliche menschliche Schicksale bestimmte Kompromisse schlichtweg nicht zulassen. Neben dem Privileg, meinen Vorratsschrank wieder aufzufüllen, habe ich das Privileg meine Stimme nutzen zu können. Sie für mehr Gerechtigkeit einzusetzen. Und das empfehle ich jedem.


Leonie Bremer ist bundesweite Pressesprecherin von Fridays for Future Deutschland und zuständig für die Zusammenarbeit mit Fridays for Future Uganda.


Dieser Beitrag ist der letzte Teil unser Blogserie zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft. In Vorbereitung darauf hat VENRO das Digital Africa Forum veranstaltet, an dem rund 70 zivilgesellschaftliche Organisationen aus Afrika und Europa beteiligt waren. Die Teilnehmer_innen des Forums kamen aus fast 30 Ländern und unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Drei von ihnen schildern auf dem VENRO-Blog ihre Perspektive auf die afrikanisch-europäischen Beziehungen.


Das Projekt “Towards an open, fair and sustainable Europe in the world – EU Presidency Project 2020-2022” wird gefördert von der Europäischen Union und durchgeführt vom Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO), der portugiesischen Plattform entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (Plataforma Portuguesa das ONGD), der slowenischen Plattform der Nichtregierungsorganisationen für Entwicklung, Globales Lernen und Humanitäre Hilfe (SLOGA) und dem europäischen Dachverband entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (CONCORD).

Disclaimer: Inhalte mit Bezug zum Projekt “Towards an open, fair and sustainable Europe in the world – EU Presidency Project 2020-2022” wurden mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union erstellt. Diese Inhalte liegen in der alleinigen Verantwortung von VENRO und geben unter keinen Umständen die Meinung der Europäischen Union wieder.