Politik

Von Schulden zu Gesundheitsfinanzierung: Ein Blick auf das Instrument der Schuldenumwandlungen

Protestaktion für Entschuldung am Bundestag

Mit der sich zuspitzenden Schuldenkrise im Globalen Süden im Kontext multipler Krisen und dem gleichzeitig schwierigen Zugang zu kostengünstiger Entwicklungsfinanzierung ist ein Instrument wieder auf die entwicklungspolitische Tagesordnung gelangt: die Umwandlung von Schulden in Entwicklungsfinanzierungen. Welche Rolle können Schuldenumwandlungen speziell für die Gesundheitsfinanzierung spielen?

Was ist eine Schuldenumwandlung?

Bei einer Schuldenumwandlung verzichtet der Gläubiger auf seine Forderungen, wenn im Gegenzug das Schuldnerland Haushaltsmittel für Vorhaben nachhaltiger Entwicklung bereitstellt. Damit soll die Schuldenlast reduziert und gleichzeitig in gemeinsam vereinbarte Entwicklungsvorhaben investiert werden. Anders als den Schuldendienst, der meist in ausländischer Währung fällig wird, leistet das Land die Investitionen für nachhaltige Entwicklung meist in heimischer Währung, was eine zusätzliche Erleichterung darstellt.

Schuldenumwandlungen gibt es bereits seit den 1990er Jahren. In Deutschland gibt es seit 1993 ein Schuldenumwandlungsprogramm, welches den Verzicht auf die Rückzahlung von bis zu 150 Millionen Euro pro Jahr aus der Entwicklungszusammenarbeit gestattet. Auch einige wenige andere bilaterale öffentliche Gläubiger haben laufende Schuldenumwandlungsprogramme. Die deutsche Umwandlungsfazilität ist eines der größten Umwandlungsprogramme. Evaluierungen kamen zu durchweg positiven Ergebnissen hinsichtlich der entwicklungspolitischen Wirksamkeit des Programms.

Diese bilateralen Schuldenumwandlungsprogramme sind jedoch zu unterscheiden von Debt for Nature-Swaps, die in der klimapolitischen Debatte aktuell diskutiert und mit viel Medienaufmerksamkeit zum Beispiel in Gabun und Ecuador umgesetzt werden. Hierbei handelt es sich nicht um Schuldenumwandlungen im klassischen Sinne – auch wenn sie als solche bezeichnet werden. Vielmehr sind dies komplexe Finanzoperationen, die hochverschuldete Länder für Investoren attraktiver machen sollen.

Im Kern geht es dabei um einen Rückkauf von bestehenden (und bereits auf Sekundärmärkten zu einem geringeren Wert gehandelten) Schuldtiteln. Der Spielraum für Investitionen entsteht durch den gefallenen Marktpreis, und nicht, weil ein Gläubiger freiwillig auf seine Schuldtitel verzichtet. Zivilgesellschaft sieht diese Transaktionen aus verschiedenen Gründen kritisch, zum Beispiel wegen fehlender Transparenz, fragwürdiger Entlastung und Wirksamkeit und hoher Transaktionskosten.

In der Gesundheitsfinanzierung spielt dieses Modell noch eine untergeordnete Rolle. Zentral ist viel mehr das sogenannte Debt2Health-Programm.

Was ist Debt2Health?

Deutschland arbeitet im Gesundheitsbereich mit dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria und seinem Umwandlungsmodell Debt2Health zusammen. Der Globale Fonds ist eines der wichtigsten Finanzierungsinstrumente zur Bekämpfung der genannten drei großen Infektionskrankheiten. Debt2Health, das 2007 geschaffen wurde, ist im Gesundheitsbereich einzigartig.

Vom Ablauf her schreibt ein Gläubiger einen Teil der Forderungen ab, sobald die begünstigte Regierung ihre Gegenwertmittel für genehmigte Projekte in ihrem Land an den Globalen Fonds gezahlt hat, die dieser in den entsprechenden Projekten im Land investiert. Der Globale Fonds hat meist schon in den entsprechenden Ländern im Kontext nationaler Gesundheitsstrategien vorab definierte Finanzierungslücken identifiziert, die durch die Mobilisierung von zusätzlichen Mitteln wie durch eine Schuldenumwandlung abgemildert oder gedeckt werden können. Dies verringert auch Transaktionskosten. Zwischen 2007 und 2021 sind zwölf solcher Debt2Health-Umwandlungen in zehn Schuldnerländern umgesetzt worden, acht davon mit dem Gläubiger Deutschland. Die Bundesregierung hat dabei bei der letzten Wiederauffüllungskonferenz des Globalen Fonds 2022 speziell für Debt2Health 100 Millionen Euro zusätzlich zugesagt, damit also andere Kernzusagen für den Gesundheitsbereich zugunsten von Schuldenumwandlungen nicht entsprechend gekürzt.

In diesem Zeitraum von 2007 bis 2021 konnten mehr als 225 Millionen US-Dollar für Gesundheitsinvestitionen durch Debt2Health mobilisiert werden.

Die geringen Gesamtbeträge (bei einem Umwandlungspotential allein in Deutschland von 150 Millionen Euro pro Jahr) liegen im Hinblick auf das deutsche Programm zum einen an einer mehrjährigen Blockade der Fazilität vor allem durch das Bundesfinanzministerium, so dass die Fazilität zeitweilig nicht vollständig ausgeschöpft wurde.

Zum anderen liegt es daran, dass sämtliche aktiven bilateralen Programme stark einschränkende Kriterien wie ein niedriges Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zur Grundlage machen, damit sich ein Schuldnerland qualifizieren kann. Sind Länder nicht „arm genug“, können sie nicht partizipieren. Viel Sinn macht diese Einschränkung nicht; einzig relevant ist, ob ein Land umwandelbare Schulden gegenüber dem Gläubiger hat und technisch in der Lage ist, eine Umwandlung durchzuführen. An diesem Punkt sollte die deutsche Schuldenumwandlungsfazilität daher dringend reformiert werden, damit die zu Verfügung stehenden Haushaltsmittel endlich kontinuierlich voll ausgeschöpft werden.

Was leisten Schuldenumwandlungen – und was nicht?

Schuldenumwandlungen lassen das Geld, das sich im Land befindet, ebendort und sind damit einer Konstellation überlegen, die den vertraglichen Schuldendienst zunächst abführt, um ihn dann vielleicht als neue Entwicklungsfinanzierung mit zeitlicher Verzögerung wieder zurück in das Land zu importieren. In diesem Sinne sind sie ein sehr sinnvolles Instrument der Entwicklungsfinanzierung. Schuldenumwandlungen sind allerdings kein Instrument für die Überwindung von Schuldenkrisen: Dazu sind sie von der Summe her zu klein, haben also oft keine spürbare Auswirkung auf die Schuldentragfähigkeit eines Landes. Auch sind sie zu langsam – wirken also nicht unmittelbar, wie es ein überschuldetes Land bräuchte, denn von der ersten Idee bis zur letztendlichen Umsetzung dauert es manchmal mehrere Jahre. Ist ein Land in einer Schuldenkrise, braucht es jedoch rasche und umfassende Schuldenerleichterungen, um Schuldentragfähigkeit und damit fiskalische Handlungsfähigkeit wieder herzustellen.

In der aktuellen schuldenpolitischen Debatte zur Lösung von Schuldenkrisen werden sie allerdings als Mittel der Wahl diskutiert, um Liquiditätsprobleme von Staaten mit hohen Schuldendienstverpflichtungen auf der einen und hohen Finanzierungsdefiziten auf der anderen Seite zu lösen. Dies geschieht in einem Kontext, in dem Gläubiger nicht bereit sind, im Falle einer Schuldenkrise Verluste hinzunehmen und wo Verfahren fehlen, um trotz widersprüchlicher Gläubigerinteressen notwendige Schuldenerlasse durchzusetzen. Das sinnvolle Instrument der Schuldenumwandlung wird damit politisch als ein Ablenkungsmanöver missbraucht, um drängenden Strukturfragen bei der Lösung untragbarer Verschuldung aus dem Weg zu gehen.

Dabei sind Schuldenumwandlungen weder ein Allheilmittel noch ein Ersatz für umfassende multilaterale Lösungen für Schuldenkrisen. Ihre Rolle ist vielmehr die Ergänzung dieser Bemühungen als ein Instrument, das fiskalische Spielräume für Entwicklungsinvestitionen schaffen kann. Sie können inländische und ausländische Ressourcen zur Unterstützung von Entwicklungsvorhaben ergänzen – sollten sie aber nicht ersetzen.


Kristina Rehbein ist seit Februar 2021 Politische Koordinatorin und Geschäftsführerin bei erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung e. V.. Das deutsche Entschuldungsbündnis setzt sich dafür ein, dass den Lebensbedingungen von Menschen in verschuldeten Ländern mehr Bedeutung beigemessen wird als der Rückzahlung von Staatsschulden.