Politik

#Weltweitwichtig: Klimapolitik im Zentrum der Bundestagswahlen

Dass Klimapolitik ein Schlüsselthema für die Bundestagswahlen ist und werden muss, ist eigentlich selbstverständlich – wird aber durch die aktuellen Katastrophen noch einmal zusätzlich untermauert. Es geht nicht einfach um “Umweltpolitik”, sondern schlicht um Überlebenspolitik.

Die verheerenden Regenfälle in Süd- und Westdeutschland haben in den letzten Tagen zu massiven Zerstörungen und menschlichem Leid bei uns in Deutschland geführt. In vielen Orten wurden absolute Rekordwerte bei den Niederschlägen erreicht. Dies folgte nur wenige Tage auf historische Hitzerekorde im Westen Nordamerikas. In Kalifornien und anderen Teilen des Landes sind bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt im Jahr verheerende Waldbrände entstanden – eine Gefahr, die für Mensch und Natur dort aufgrund von aufeinanderfolgenden Dürren leider immer mehr zum „new normal“ wird. Nach Analysen von renommierten Klimawissenschaftlern ist das für die Hitzewelle verantwortliche Wettermuster nur durch den vom Menschen befeuerten Klimawandel erklärbar. Derzeit stehen diese Katastrophen im Zentrum der Aufmerksamkeit, aber die Klimakrise ist im Globalen Süden leider schon zu oft ein täglicher Gegner im Streben nach Überleben und nachhaltiger Entwicklung– häufig bei besonders marginalisierten Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Jugend.

Keine dieser Katastrophen wäre objektiv betrachtet „notwendig“, um die Existenz des menschgemachten Klimawandels in unser Gedächtnis zu rufen und die Notwendigkeit des dringenden Handelns zu unterstreichen. Dies betrifft sowohl die Notwendigkeit des Klimaschutzes – also die Vermeidung der Emissionen – als auch die bessere Vorsorge gegenüber Klimarisiken. Denn dass diese Klimakrise vor allem durch die Verbrennung der fossilen Energien angeheizt wird und bereits mitten im Gange ist, ist ja seit Jahrzehnten wissenschaftlich belegt und mittlerweile fachlich unumstritten. Im Paris-Abkommen von 2015 haben auch nahezu alle Staaten diese Tatsache anerkannt. Dennoch hinken wir weltweit immer noch weit hinter dem notwendigen Pfad zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze hinterher und nehmen die Klimavorsorge und -anpassung weiterhin zu wenig ernst –  ein Ausdruck der noch immer vorhandenen Ignoranz in Teilen von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.

Die Klimakrise erfasst alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche

Dass Klimapolitik ein Schlüsselthema für die Bundestagswahlen ist und werden muss, ist angesichts der zentralen Weichenstellungen, die nach Jahren einer zu zögerlichen Klimapolitik anstehen, eigentlich selbstverständlich – wird aber durch diese aktuellen Katastrophen noch einmal zusätzlich untermauert. Dabei gehören Klimaschutz hier und Unterstützung und Solidarität für die besonders Betroffenen dort – im Globalen Süden, der insgesamt besonders wenig zur Klimakrise beigetragen hat – untrennbar zusammen für ein Land, dass sich zum Pariser Klimaabkommen verpflichtet hat, unter anderem durch die einstimmige Ratifizierung aller Parteien im Bundestag 2016.

Dass es hier nicht einfach um „Umweltpolitik“ geht, ist mittlerweile auch keine Binsenweisheit, muss aber anscheinend immer wieder betont werden: Die Klimakrise erfasst alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche: Wirtschaft, Industrie, Landwirtschaft, Bildung, Infrastruktur etc. – und nicht zuletzt die internationale Zusammenarbeit. Es geht schlicht um Überlebenspolitik, denn in einer Welt, die im Durchschnitt um drei bis vier Grad heißer werden könnte, sind nicht nur massiv Menschenleben sehr konkret gefährdet, sondern langfristig auch die Zivilisationsfähigkeit der Menschheit. Die Weichen werden in diesem Jahrzehnt wesentlich gestellt.

Konkrete Wege zu 1,5-Grad-kompatiblem Klimaschutz als Gestaltungsaufgabe

Die deutschen Klimaschutzziele müssen am 1,5-Grad-Limit ausgerichtet werden, so die einhellige Forderung der deutschen Zivilgesellschaft. Die bisherigen Maßnahmen und Ziele sind dafür nicht ausreichend, wenn auch in den letzten Monaten in Deutschland Schritte in die richtige Richtung eingeschlagen wurden. Das Minderungsziel für 2030 soll auf 70 Prozent angehoben werden, damit die Klimaneutralität bis 2040 erreichbar bleibt. Zudem sollten die zukünftig regierenden Parteien schnellere Umsetzungsschritte für Klimaschutzmaßnahmen und eine sofortige Beendigung von Subventionen für fossile Energien beschließen. Wie dies Deutschland am besten schaffen kann – hin zu einer sozial-ökologisch gerechten Gesellschaft – ist die zentrale Gestaltungsaufgabe, der sich die Parteien und Politiker_innen stellen müssen. Diese Aufgabe kann nicht mit ständigen undifferenzierten rhetorischen Abwehrkämpfen nach dem Motto „Klimaschutz ja, aber bitte nicht die Wirtschaft gefährden“ angegangen werden. Es steht an, diese Herausforderung schnell und proaktiv anzugehen – und die Wähler_innen haben auch ein Anrecht darauf, hier konkret die Pläne der Parteien zu verstehen.

Klimagerechtigkeit mit und gegenüber dem globalen Süden ist unabdingbar

International steht Deutschland in den Augen vieler Länder als klimapolitisch engagiert dar – in einem Maße, das häufig über die Versäumnisse in der nationalen Klimapolitik hinwegtäuscht. Doch auch hier gibt es weiterhin Baustellen.

Deutschland muss sich durch Aufwüchse in der Klimafinanzierung dafür einsetzen, dass die Industrienationen ihr Versprechen einhalten, jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die Eindämmung und die negativen Folgen des Klimawandels in den am stärksten betroffenen Ländern im globalen Süden aufzubringen. Diese Unterstützung muss in den kommenden Jahren kontinuierlich und deutlich ansteigen, von derzeit etwa 4 Milliarden Euro an Haushaltsmitteln pro Jahr auf mindestens 8 Milliarden bis 2025. 50 Prozent der gesamten Klimafinanzierung sollten für Maßnahmen zur Klimaanpassung eingesetzt werden. Auf dem G7-Gipfel hat die amtierende Bundesregierung sehr vage Andeutungen gemacht, bis 2025 auf 6 Milliarden Euro zu erhöhen, Details sind allerdings offen und unklar.

Darüber hinaus wäre es wichtig, mit deutscher Unterstützung innovative globale Finanzierungsmechanismen einzuführen, etwa eine Flug- oder Schiffsverkehrsabgabe, um zusätzliche Mittel zur Bewältigung von klimawandelbedingten Verlusten und Schäden in ärmeren Ländern zu mobilisieren. Diese sollten über den bestehenden Mechanismus im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen verwaltet werden. Eine komplexe, aber gleichzeitig dringend notwendige Herausforderung ist die Entwicklung einer umfassenden und langfristige Regierungsstrategie zur fairen und menschenrechtsbasierten Verantwortungsübernahme im Bereich klimabedingter Migration.

Ich erlebe es selbst in Diskussionen in der internationalen Zivilgesellschaft, wie stark auf die Bundestagswahl insbesondere vor dem Hintergrund der Klimakrise und der anstehenden Herausforderungen geschaut wird. Gerade weil es derzeit international eine neue positive Dynamik gibt, brauchen wir eine Bundesregierung, die die Klimakrise national und international angeht und als Motor auf allen Ebenen agieren kann: nicht durch Zögerlichkeit, sondern durch Entschlossenheit, Weitsicht und in vollstem Verständnis der tiefgreifenden Gefahren und radikalen Umwälzungen, die bei einem andauernden Versagen in der Klimapolitik auf uns und gerade die Menschen im globalen Süden zukommen würden.


Dieser Artikel ist Teil unserer Themenreihe zur Bundestagswahl 2021, in der wir unsere Erwartungen für die kommende Legislaturperiode formulieren. Die Blogserie basiert auf unserem aktuellen Positionspapier Was jetzt #WeltWeitWichtig ist – Erwartungen an die Parteien zur Bundestagswahl 2021. Darin fordern wir die Parteien, die zukünftigen Abgeordneten und die kommende Bundesregierung auf, ihre Prioritäten auf eine nachhaltige Politik zu richten, die alle mitnimmt!

Lesen Sie mehr dazu unter www.weltweitwichtig.de.