Politik

Zum Welttag der Humanitären Hilfe: Solidarität mit Menschen in Not und humanitären Helfer_innen ist notwendiger denn je

VENRO-Mitarbeitenden mit dem Appell #NotATarget

Jahr für Jahr erreicht der weltweite humanitäre Bedarf ein neues Rekordhoch, gleichzeitig werden humanitäre Helfer_innen immer häufiger selbst zur Zielscheibe. Es ist unerlässlich, dass sich alle Parteien in bewaffneten Konflikten an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen halten – im Sinne der Menschlichkeit.

Weltweit leben Millionen Menschen in Konfliktgebieten. Aktuellen Schätzungen zufolge war einer von sieben Menschen in diesem Jahr bereits einem gewaltsamen Konflikt ausgesetzt; seit Ende des Zweiten Weltkriegs gab es nicht mehr so viele. Es macht fassungslos, dass der weltweite humanitäre Bedarf seit Jahren immer wieder ein neues Rekordhoch erreicht. Ein weiterer erschreckender Höchststand: Noch nie wurden so viele Menschen wie heute aus ihrem Zuhause vertrieben, aufgrund von Gewalt, Konflikten oder Naturkatastrophen infolge der Klimakrise. Rund 730 Millionen Menschen auf der Welt leiden Hunger, während gleichzeitig jährlich über 900 Tonnen Lebensmittel weggeschmissen werden. Nicht nur im Sudan, wo kürzlich in einem Geflüchtetencamp eine Hungersnot ausgerufen wurde, kämpfen die Menschen um ihr Überleben.

Tödliche Angriffe auf humanitäre Helfer_innen erreichen Höchststand

Menschen in akuten Notlagen haben ein Recht auf humanitäre Hilfe. Viele sind zum Überleben auf humanitäre Versorgung angewiesen, wie ein Blick auf die zahlreichen Krisen der Welt verdeutlicht. Humanitäre Hilfe kann jedoch nicht ohne die zahlreichen humanitären Helfer_innen bereitgestellt werden, die Tag für Tag unter größtem persönlichen Einsatz und trotz der Risiken für Leib und Leben diese wichtige Arbeit leisten. Ohne sie kann nicht geholfen, können keine Leben gerettet werden.

Und doch werden humanitäre Helfer_innen immer häufiger selbst zur Zielscheibe. Die Zahlen sind schockierend: 2023 starben mehr Mitarbeitende von Hilfsorganisationen durch Gewalt als in jedem anderen Jahr zuvor, im Vergleich zum Vorjahr sogar mehr als doppelt so viele. Die Aid Worker Security Database dokumentiert für das vergangene Jahr 280 Todesopfer in 33 Ländern. Mehr als die Hälfte der humanitären Helfer_innen wurden in den ersten drei Monaten des Konflikts im Gazastreifen getötet. Für das Jahr 2024 wurden bereits jetzt 174 getötete Helfer_innen gezählt. Das übersteigt die Zahl der Todesfälle, die in den meisten Vorjahren registriert wurden. Und es besteht große Sorge, dass die Zahlen im Verlauf des Jahres noch deutlich weiter steigen.

Doch es geht nicht nur um Todesfälle, sondern auch um Verletzungen, Inhaftierungen, Entführungen, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt. Die Angriffe treffen alle humanitären Akteur_innen: Von den Organisationen der Vereinten Nationen (UN), über die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung bis zu internationalen, nationalen und lokalen Nichtregierungsorganisationen (NRO). Die Zahlen zeigen jedoch deutlich, dass nationale und lokale Helfer_innen den Gefahren besonders stark ausgesetzt sind. Die überwiegende Mehrheit der registrierten Angriffe auf Mitarbeitende von Hilfsorganisationen betrifft nationales Personal. Von Frauen geführte Organisationen und weibliche Mitarbeitende humanitärer Organisationen sind in besonderem Maße gefährdet – oft nur, weil sie Frauen sind.

Humanitäre Helfer_innen sind #NotATarget

In bewaffneten Konflikten verstoßen Angriffe auf Mitarbeitende von Hilfsorganisationen und ihre Einrichtungen gegen das humanitäre Völkerrecht. Der Schutz von Zivilist_innen, einschließlich humanitärem und medizinischem Personal, ist  darin rechtlich fest verankert: So gehören laut Römischem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs „vorsätzliche Angriffe auf Personal, Einrichtungen, […], die an einer humanitären Hilfsmission […] beteiligt sind“ in bewaffneten Konflikten zu den Kriegsverbrechen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat erst in diesem Jahr mit seiner Resolution 2730 eindringlich an die Verpflichtung von Staaten und Kriegsparteien erinnert, humanitäres Personal sowie humanitäre Einrichtungen zu achten und zu schützen.

Diese grundlegenden Regeln sind eine zentrale Voraussetzung, um Menschen in Not versorgen zu können. Denn nur so können humanitäre Helfer_innen ihre lebensrettende Arbeit ungehindert und sicher leisten.Die Einhaltung dieser Regeln ist nicht verhandelbar und es gibt keine Ausnahmen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein: Humanitäre Helfer_innen sind #NotATarget. 

Aktuelle Situation für humanitäre Organisationen nicht mehr hinnehmbar

Die Realität zeigt jedoch, dass Konfliktparteien die Regelungen des humanitären Völkerrechts vielfach missachten. Besonders bitter ist, dass die schwerwiegenden Verstöße in den allermeisten Fällen ungestraft bleiben. Die Normalisierung der Gewalt gegen Mitarbeitende von Hilfsorganisationen und die fehlende Rechenschaftspflicht sind inakzeptabel und behindern weltweit die Bereitstellung humanitärer Hilfe.

Es ist unerlässlich, dass sich alle Staaten und Konfliktparteien an ihre Verpflichtungen halten und entsprechend handeln – im Sinne der Menschlichkeit: #ActForHumanity. Dies erfordert mehr als bloße Verurteilungen von Angriffen oder Erklärungen. Es braucht entschlossenes Handeln, denn die aktuelle Situation ist für humanitäre Organisationen nicht hinnehmbar. Die Dringlichkeit verdeutlicht auch ein Appell zahlreicher humanitärer Organisationen, der heute anlässlich des Welttags der humanitären Hilfe veröffentlicht wurde.


Der Welttag der humanitären Hilfe findet jedes Jahr am 19. August statt. Er wurde 2008 von der UN-Generalversammlung anlässlich des Jahrestages der Bombardierung des UN-Hauptquartiers in Bagdad, Irak, ausgerufen.