Politik

“Civil Society Driving Change“ – Für eine neue Qualität der afrikanisch-europäischen Partnerschaft

Ugandische und deutsche Aktivist_innen diskutieren mit Dorfbewohner_innen in der Region Teso, Uganda, über rechtliche und soziale Fragen zum Thema Landrechte.

Die Afrikanische Union (AU) und die Europäische Union (EU) streben seit vielen Jahren eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit an. Die Verschiebung des sechsten AU-EU-Gipfels, der für Oktober 2020 geplant war, ist jedoch ein weiterer Beleg für die halbherzigen politischen Beziehungen zwischen AU und EU. Es ist jetzt höchste Zeit, die Zivilgesellschaft in einen integrativen und offenen Prozess einzubinden, um eine faire und gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Afrika und Europa aufzubauen.

Die afrikanischen und europäischen Gesellschaften sehen sich einer ständig wachsenden Zahl gemeinsamer Herausforderungen und Probleme gegenüber. Dazu zählen die Eindämmung der Coronavirus-Pandemie, Multilateralismus und Klimaschutz; funktionierende Gesundheitssysteme, Menschenrechte und soziale Sicherung; ländliche Entwicklung und Ernährungssicherheit; lokale Wertschöpfungsketten und faire Handelsbeziehungen; menschenwürdige Arbeitsplätze und sichere Migrationsrouten; Korruption und illegale Finanzströme; Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit; Digitalisierung und zivilgesellschaftliches Engagement; und nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit.

Allein diese kurze Aufzählung zeigt, dass eine enge und solidarische Zusammenarbeit zwischen Afrika und Europa notwendig ist. Aber die Verschiebung des AU-EU-Gipfels auf 2021, der ähnlich dem EU-China-Gipfel digital hätte stattfinden können, oder die zähen Verhandlungen über den EU-Haushalt und den Aufbauplan „Next Generation EU“, die den globalen Süden weitgehend vernachlässigt haben, sprechen eine andere Sprache. Weder die nationalen Regierungen noch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft oder die Institutionen von AU und EU haben ihr Versprechen eingelöst, die afrikanisch-europäischen Beziehungen voranzutreiben. Im Gegenteil, sie scheinen in althergebrachten Abhängigkeiten und Ritualen gefangen zu sein.

Zivilgesellschaft als Bindeglied zwischen lokaler und kontinentaler Ebene

Politische Initiativen wie die Afrika-EU-Partnerschaft oder die AU-EU-Strategie sollten sich zum Wohle der Menschen mit all diesen Fragen befassen und Lösungen vorschlagen. Doch obwohl sie sich auf das Leben von mehr als 1,6 Milliarden Menschen auswirken, sind diese Prozesse der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Bürgerinnen und Bürger können jedoch nur dann wirklich von politischen Entscheidungen profitieren, wenn sie sie verstehen beziehungsweise die Möglichkeit haben, sie zu beeinflussen.

Die Beziehungen zwischen Afrika und Europa müssen daher viel mehr sein als nur ein formaler Prozess zwischen Regierungen. Und tatsächlich sind sie das bereits: AU, EU und die nationalen Regierungen müssen den positiven Beitrag afrikanischen und europäischen Zivilgesellschaften bei der Förderung von Demokratie, Menschenrechten, Frieden und dem Wohlergehen der Menschen anerkennen. Die beeindruckenden Leistungen der Zivilgesellschaften während der Coronavirus-Pandemie sind nur das jüngste Beispiel dafür, wie bürgerschaftliches Engagement und internationale Solidarität zu menschlicher Entwicklung beitragen.

In ihrer Funktion als Brücke zwischen der lokalen und der politischen Ebene kann die Zivilgesellschaft die afrikanisch-europäische Partnerschaft transparenter und zugänglicher machen. Dies setzt jedoch voraus, dass sie mit am Tisch sitzt – und zwar am besten in einer Konstellation, die die kulturelle und soziale Diversität unserer beiden Kontinente widerspiegelt. Dazu gehören unter anderem auch Diasporagruppen, Graswurzelbewegungen, indigene Völker oder Jugendinitiativen.

Echte Mitwirkung und neue Formen digitaler Zusammenarbeit notwendig

In den letzten Monaten und Jahren hat die Zivilgesellschaft wiederholt echte Konsultationen der AU und EU mit Bürger_innen aus beiden Kontinenten angemahnt. Die Verschiebung des AU-EU-Gipfels auf 2021 bietet zumindest die Möglichkeit, eine solche Beteiligung nun systematisch zu organisieren. Mittel- bis langfristig muss sie aber in Form von regelmäßigen Konsultationen und Mitwirkungsmöglichkeiten institutionalisiert werden. Dazu brauchte es klar definierte Verfahren und finanzielle Unterstützung.

Neue Formen der digitalen Zusammenarbeit können dazu beitragen, lokales Wissen zu nutzen und politische Beteiligung zu fördern. So hat VENRO im Vorfeld der deutschen EU-Ratspräsidentschaft rund 70 Nichtregierungsorganisationen aus Afrika und Europa zum mehrwöchigen Digital Africa Forum eingeladen. Auf dieser Grundlage wurde das Positionspapier „Für eine faire Partnerschaft zwischen Afrika und Europa“ erarbeitet, das konkrete Forderungen an die Bundesregierung enthält.

VENRO und seine Partner im EU-Präsidentschaftsprojekt “Towards an open, fair and sustainable Europe in the world” – der europäische Dachverband entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (CONCORD) sowie die portugiesischen und slowenischen NRO-Plattformen – werden diesen Weg weiter verfolgen. Am 16. Oktober fand die hybride Konferenz “Civil society driving change: Towards a new quality of the Africa-EuMirope partnership” unter breiter Beteiligung der afrikanischen und europäischen Zivilgesellschaft und politischer Entscheidungsträger_innen statt. Mehr als 500 Interessierte nahmen daran teil und steuerten konkrete Ideen und Empfehlungen zur Verbesserung der afrikanisch-europäischen Beziehungen bei.

Diese Beispiele zeigen, dass ein starker Wunsch besteht, gemeinsam über unsere Zukunft zu diskutieren. Eine neue Qualität der afrikanisch-europäischen Partnerschaft kann jedoch nur erreicht werden, wenn die afrikanische und die europäische Zivilgesellschaft als treibende Kraft des Wandels anerkannt und in die Lage versetzt werden, ihr Fachwissen einzubringen. Die derzeitige deutsche und die nachfolgende portugiesische EU-Präsidentschaft sollten die verbleibende Zeit bis zum AU-EU-Gipfel 2021 nutzen, um diese Einbeziehung zu organisieren.

Aktualisiert am 21.10.2020


Das Projekt “Towards an open, fair and sustainable Europe in the world – EU Presidency Project 2020-2022” wird gefördert von der Europäischen Union und durchgeführt vom Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO), der portugiesischen Plattform entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (Plataforma Portuguesa das ONGD), der slowenischen Plattform der Nichtregierungsorganisationen für Entwicklung, Globales Lernen und Humanitäre Hilfe (SLOGA) und dem europäischen Dachverband entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (CONCORD).

Disclaimer: Inhalte mit Bezug zum Projekt “Towards an open, fair and sustainable Europe in the world – EU Presidency Project 2020-2022” wurden mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union erstellt. Diese Inhalte liegen in der alleinigen Verantwortung von VENRO und geben unter keinen Umständen die Meinung der Europäischen Union wieder.