Politik

Das Recht auf Entwicklung ist universal!

Am 3. Dezember, dem internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, sollte endlich die Inklusionsstrategie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) veröffentlicht werden. Leider ist es dazu nicht gekommen, obwohl die Strategie bereits im Frühjahr 2018 fertig sein sollte. Doch den Selbstvertretungs-organisationen behinderter Menschen und zivilgesellschaftlichen Organisationen liegt seit Dezember 2017 der erste und bislang einzige Entwurf einer neuen Strategie vor – weitere Entwürfe wurden mehrmals verschoben.

Dabei hatte alles so gut begonnen. Das BMZ war das erste deutsche Ministerium, das einen Aktionsplan zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen entwickelt hatte, der von 2013 bis 2017 gültig war. Danach wurde der Aktionsplan vom Deutschen Evaluierungsinstitut  der Entwicklungszusammenarbeit (DEVAL) unabhängig evaluiert. Die Ergebnisse dieser Evaluation sollten nach Aussagen des BMZ in die neue Inklusionsstrategie einfließen.

Das hat Hoffnungen bei den Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen darauf geweckt, eine gleichberechtigte Partizipation in der deutschen EZ zu erreichen. Doch bislang findet das kaum statt. Auch wachsen Fragen und Zweifel, wie ambitioniert die Inklusionsstrategie tatsächlich werden wird. Menschen mit Behinderung werden in der deutschen EZ vernachlässigt, obwohl Deutschland mit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung seit 2009 in der Verantwortung steht, die internationale Zusammenarbeit, einschließlich der EZ, inklusiv zu gestalten. Auch engagiert sich Deutschland für die Umsetzung der Agenda 2030 und seine Direktive, dabei  „Niemanden zurückzulassen“. Doch wir fühlen wir uns aktuell sehr zurückgelassen.

Inklusion in der EZ bedeutet einen Paradigmenwechsel auf der rechtlich verbindlichen Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention, deren Grundprinzipien Gleichheit und Nichtdiskriminierung sind. Die Kovention lässt sich nur umsetzen, wenn Menschen mit Behinderungen aktiv in Projekten, Programmen und Maßnahmen der EZ hier in Deutschland und in den Partnerländern partizipieren und an Entwicklungsprozessen teilhaben. Das Recht auf Entwicklung ist universal.

Wir erwarten demnach, dass die Inklusionsstrategie des BMZ Menschen mit Behinderungen in ihrer Verschiedenheit einbezieht, unterstützt und fördert. Sie muss ihren Beitrag leisten,  bestehende Barrieren und Vorurteile zu beseitigen.

Die künftige Inklusionsstrategie muss aus unserer Sicht:

– sich an den Prinzipien “Leave no one behind” und “Nothing about us without us” orientieren,
– „Behinderung“ als übersektorales Querschnittsthema im BMZ etablieren,
– menschenrechtsbasierte Indikatoren für alle Handlungsfelder, also für alle Sektoren der
EZ, einführen,
– behinderte Menschen und ihre Organisationen in die Planung und Durchführung aller Maßnahmen und Prozesse einbeziehen. Dafür müssen Barrieren beseitigt, Assistenzleistungen finanziert und angemessene Vorkehrungen sichergestellt werden. Das heisst, dass für einen Auslandsaufenthalts deutscher Mitarbeitenden mit Behinderung in der EZ Leistungen wie beispielsweise Arbeitsassistenzen, Eingliederungshilfe und Pflege finanziert werden,
– Kompetenz- und Kapazitätsaufbau fördern: Selbstvertretungsorganisationen in den Partnerländern und Deutschland sollen finanziell, personell und strukturell gefördert werden. Nur so ist gewährleitet, dass Menschen mit Behinderung beteiligt werden, die EZ mitzugestalten. Darüber sollte eine entsprechende Richtlinien erlassen werden,
– entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe integrieren, denn besonders in der Phase des Wiederaufbaus besteht ein immenses Potenzial, Strukturen gleich barrierefrei zu gestalten.

VENRO stellt zurzeit eine Praxishandreichung fertig, die im Januar 2019 veröffentlicht wird. Sie ist als Arbeitsinstrument zu verstehen, dass den Akteuren in der EZ Hilfestellung und Anregungen an die Hand gibt, wie sie Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen umsetzen und ihre Entwicklungsarbeit inklusiv gestalten können.


Dinah Radtke ist verantwortlich für internationale Angelegenheiten der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V..