Politik

Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene – jetzt oder nie!

Vertreter_innen von WASH-Netzwerk und VENRO überreichen Bundesministerin Schulze ihre politischen Forderungen.

Auf der historischen UN-Wasserkonferenz in New York konnte Deutschland zwar einige begrüßenswerte Initiativen verkünden, allerdings besteht in der Bundesregierung weiterhin eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim Thema WASH. Gerade mit Blick auf die unversorgten und zurückgelassenen Menschen weltweit gilt es, diesen Trend zu stoppen, schreibt Thilo Panzerbieter, Geschäftsführer der German Toilet Organization.

Am diesjährigen Weltwassertag (22. März) begann in New York die dreitägige Wasserkonferenz 2023 der Vereinten Nationen (UN). Es handelte sich um die erste zwischenstaatliche UN-Konferenz für Wasser seit 46 Jahren. Zur Halbzeit der Agenda 2030 war diese Veranstaltung womöglich der letzte bedeutende Meilenstein, zu dem eine Wende gelingen konnte, um das sechste Nachhaltigkeitsziel (SDG 6) der Agenda bis 2030 noch zu erreichen.

Im Resümee blieb die Konferenz hinter den Erwartungen vieler zivilgesellschaftlicher Akteure zurück, sowohl hinsichtlich der schwachen Repräsentation des globalen Südens und marginalisierter Gruppen, als auch hinsichtlich bindender Ergebnisse. Das ist nicht verwunderlich, da eine gemeinsame Deklaration nicht vorgesehen war. Man kann in der Konferenz aber einen Auftakt zu einem in der UN verankerten politischen Prozess mit Potential sehen: UN-Generalsekretär António Guterres wurde in New York aufgefordert, einen Sonderbeauftragten für Wasser zu benennen; auch ist eine Resolution der Mitgliedsstaaten zur Ausrichtung regelmäßiger UN-Wasserkonferenzen wahrscheinlich. Dazu kommen freiwillige Commitments in Höhe von ca. 300 Milliarden US-Dollar, die im Rahmen der Water Action Agenda nachgehalten werden sollen. Diese Summe sollte aber kritisch betrachtet werden, denn nur ein Teil davon ist für Länder mit niedrigem Einkommensniveau bestimmt und viele Commitments basieren auf bereits zugesagten oder prognostizierten Haushaltsbudgets.

In welcher Form beteiligt sich die Bundesrepublik?

Die Erwartungen an die Bundesregierung waren hoch. Schließlich ist der „Ausbau von Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH)“ im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankert und Deutschland einer der bedeutendsten Geber in diesem Bereich.

Deutschland konnte in New York einige Initiativen verkünden, darunter die Beteiligung an einem 145 Millionen Euro schweren Fond der Team Europe Initiative, der afrikanische Staaten beim grenzüberschreitenden Wassermanagement unterstützen soll, sowie die Unterstützung der Urban Water Catalyst Initiative, die Wasserversorger aus Ländern des globalen Süden in ihrer Professionalisierung unterstützen soll. Gemeinsam mit den Niederlanden konnte Deutschland 42 Millionen US-Dollar für diese Initiative mobilisieren. Dazu kommen Kreditgarantien der Europäischen Kommission in Höhe von 112 Millionen US-Dollar.

Diese Initiativen sind zu begrüßen, weil sie systemisch wirken und nachhaltige Lösungen zum Ziel haben. Dennoch setzt sich hiermit der Trend fort, dass Deutschland nur einen kleinen Teil seiner finanziellen Mittel in neue Zugänge zu einer Basisversorgung, in Verhaltensänderungskampagnen oder in die Stärkung marginalisierter Gruppen und ihrer zivilgesellschaftlichen Vertretungen investiert.

Weiterhin Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim Thema WASH

WASH-Positionspapier mit unseren Forderungen

In Vorbereitung auf die Konferenz hatten sich sechs Vertreterinnen und Vertreter des WASH-Netzwerks und VENRO mit Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze in Berlin getroffen. Der Termin wurde genutzt, um der Ministerin die überarbeiteten gemeinsamen zivilgesellschaftlichen Forderungen zu überreichen und Sorge darüber zu äußern, dass Anspruch und Realität noch auseinanderklaffen. Ein persönlicher Impuls der Ministerin wäre hilfreich, um das Thema im Hause wieder mehr voranzubringen, so die Botschaft. Die Konferenz wäre hierfür eine perfekte Gelegenheit gewesen. Dazu später mehr.

Inhaltlicher Fokus des offenen Austauschs lag auf den politischen Prioritäten der Ministerin und ihren Schnittstellen zu WASH. Drei Kern-Anliegen wurden im Detail besprochen:

  1. Menschenrechte auf Wasser- und Sanitärversorgung

Wasser und Sanitärversorgung sind Menschenrechte. In diesem Sinne sollte Deutschland sein WASH-Portfolio stärker an den Menschenrechtsprinzipien ausrichten und sich auf die Versorgung von unversorgten Menschen fokussieren, besonders in den ärmsten Ländern (Least Developed Countries, LDCs). Dieses würde auch dazu beitragen, die Quote für öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) für die LDCs von 0,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erreichen, die sich die Bundesregierung als Ziel gesteckt hat. Die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren sollte intensiviert werden, denn eine starke Zivilgesellschaft vor Ort ist unerlässlich, um eine staatliche Daseinsvorsorge einzufordern.

  1. WASH4Health

WASH ist elementar zur Förderung von Gesundheit. Viele Gesundheitseinrichtungen und Schulen verfügen jedoch über keinen gesicherten Zugang zu WASH. Im Sinne der Wirkung handelt es sich an diesen Orten allerdings um einen „Best Buy“: In Gesundheitseinrichtungen lassen sich unzählige Infektionen vermeiden und Schulen sind der Ort, an dem sich das Hygieneverhalten einer Gesellschaft am effektivsten ändern lässt. Deutschland sollte sich daher in den G7 und mit anderen Gebern des Entwicklungsausschusses DAC für die Schaffung einer Multi-Geber-Initiative einsetzen, mit dem Ziel alle Schulen und Gesundheitseinrichtungen in den LDCs bis 2030 mit WASH auszustatten. So ließe sich die globale Krankheitslast stark reduzieren und ein großer Beitrag zur Vorsorge von Pandemien realisieren.

  1. Feministische Entwicklungspolitik und WASH

WASH spielt eine wichtige Rolle im Empowerment von Mädchen und Frauen. Dabei sind die Themen Menstruationsgesundheit und -hygiene (MHH) bedeutend, den weiterhin werden viele menstruierende Personen aufgrund von Stigma und Tabu von Bildung und Teilhabe ausgeschlossen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat die Chance, international eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Der transformative Charakter von WASH für Frauen und marginalisierte Gruppen sowie die Menstruationshygiene sollten daher einen festen Platz im Genderaktionsplan des BMZ bekommen, um im Rahmen der feministischen Entwicklungspolitik in konkretes Handeln übersetzt zu werden.

Bundesministerin Schulze betonte ihrerseits die enorme Relevanz von WASH für die Erreichung von SDG 6 für nachhaltige Entwicklung, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergerechtigkeit und viele weitere Nachhaltigkeitsziele. Diese Relevanz wird mit den Folgen des Klimawandels weiter zunehmen. Bereits im Jahr 2025 wird laut des UN-Kinderhilfswerks UNICEF die Hälfte der Weltbevölkerung in Ländern mit Wasserknappheit leben.

Wir haben uns sehr gefreut, dass Bundesumweltministerin Steffi Lemke Deutschland in New York auf der UN-Wasserkonferenz 2023 vertrat. Gleichwohl wäre bei diesem wichtigen Thema eine Vertretung des BMZ auf Leitungsebene ebenfalls wünschenswert gewesen. Denn gerade für die unversorgten und zurückgelassenen Menschen weltweit ist ein starker Beitrag der deutschen Entwicklungszusammenarbeit entscheidend.


Lesen Sie hierzu ergänzend die neuen Forderungen und das gemeinsame Positionspapier Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene für alle – Leben retten und nachhaltige Entwicklung sichern, in dem sich das WASH-Netzwerk und VENRO mit dem Thema WASH auseinandersetzen.