Politik

Wieder ein Déjà-vu? Was beim Post-Cotonou-Abkommen anders werden muss

Interview mit Africa Kiiza aus Uganda vom Dachverband SEATINI, einem süd- und westafrikanischen Institut für Handelsfragen

Welche Aspekte sollte ein sogenanntes Post-Cotonou-Abkommen, also ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten) aus Sicht der afrikanischen Zivilgesellschaft berücksichtigen? Was sollte im Vergleich zum Cotonou-Partnerschaftsabkommen (CPA) geändert und verbessert werden? 

In der globalen Landschaft haben sich seit der Unterzeichnung des CPA im Jahr 2000 grundlegende Dinge verändert. Es gibt neue geopolitische Gegebenheiten, eine große Dynamik in der Globalisierung und Regionalisierung, eine zunehmend heterogene Gruppe der AKP-Staaten, eine sich durch den Brexit verändernde EU sowie die Existenz einer global gültigen Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung, die sich von der tradierten Nord-Süd-Teilung löst und verschiedene Schritte einfordert, um ihre Umsetzung zu sichern. Als große Umbrüche für den afrikanischen Kontinent gelten in der Entwicklungspolitik folgende Punkte: Die „Agenda 2063 – Das Afrika, das wir wollen“, die AfCFTA-Vereinbarung über die Schaffung einer pan-afrikanischen Freihandelszone (African Continental Free Trade Area) und der Stillstand bei den Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) bzw. Economic Partnership Agreement (EPA). Einige Staaten lehnen eine Unterzeichnung ab und begründen dies mit potenziellen negativen Auswirkungen auf ihre zukünftige Industrialisierung, mit der allgemeinen Entwicklung sowie mit Einkommensverlusten. Für Afrika ist also das Post-Cotonou-Abkommen eine Gelegenheit, die langjährigen Beziehungen zu Europa, die in letzter Zeit vielfach von Verbitterung geprägt waren, zu analysieren und zu überdenken. Afrika muss seine globale Strategie neu ausrichten, um den eigenen Anteil am Welthandel zu steigern und zeitgleich den inter-afrikanischen Handel zu erhöhen – die bei jeweils unter zwei Prozent respektive unter zehn Prozent liegen.

Aus Sicht der EU sollten durch das Post-Cotonou-Abkommen die Themen Demokratie und Menschenrechte, Wirtschaftswachstum und Investitionen, Klimawandel, Armutsbekämpfung, Frieden und Sicherheit sowie Migration und Mobilität abgedeckt sein. Auch wenn die EU für die Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur (African Peace and Security Architecture, APSA) eine entscheidende Rolle gespielt hat, gibt es dennoch wichtige Aspekte, die verändert und verbessert werden müssen wie bei den Investitionen. Beispielsweise vertritt die Welthandelsorganisation (WHO) eine ablehnende Haltung gegenüber Investitionen in den am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries, LDCs). Dazu zählt aus meiner Sicht fast ganz Afrika. Aus diesem Grund wird der Start in einen asymmetrischen Prozess, was beim Post-Cotonou-Abkommen der Fall ist, zu einer Erosion des politischen Spielraums führen, der bei diesen Ländern multilateral verankert ist. Das Gleiche gilt für E-Commerce und das öffentliche Beschaffungswesen.

Das Post-Cotonou-Abkommen sollte durch Verpflichtungen, die regionale Integration in Afrika zu fördern, in diesem Politikfeld Verbesserungen erzielen. Dieses Prinzip der regionalen Integration wurde jedoch im Verlauf der EPA-Verhandlungen nachweislich ausgehöhlt. Die endgültigen Bestimmungen des Post-Cotonou-Abkommens sollten jedoch mit der Agenda 2063 und anderen wichtigen Entwicklungsinitiativen kohärent sein, die dazu dienen, den Kontinent strukturell zu verändern und seine inklusive Entwicklung zu fördern. Im Gegensatz zum bisherigen CPA, das ohne die Mitwirkung und Zustimmung von Stakeholdern entstand und unterzeichnet wurde, muss der Post-Cotonou-Prozess transparent und grundsätzlich inklusiv gestaltet werden. Um Afrikas Verhandlungspositionen zu entwickeln, sollten daher zahlreiche Stakeholder konsultiert werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Bevölkerung, der letztlich die Pflichten obliegen, den Prozess mitgestaltet und Ergebnisse mit erzielt.

Welchen Beitrag erwarten Sie im Verlauf des Verhandlungsprozesses von der europäischen Zivilgesellschaft? Welche Formen der Zusammenarbeit könnte es zwischen der afrikanischen und der europäischen Zivilgesellschaft geben, um ebensolche Ergebnisse zu erzielen?

Während der EPA-Verhandlungen nahm die europäische Zivilgesellschaft entscheidenden Einfluss darauf, Informationen in Form von EU-Dokumenten bereitzustellen. Weiter übte sie Druck auf die EU-Verhandlungspartner und die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes aus. Auf diese Weise sollte erreicht werden, dass die EU die afrikanischen Länder nicht mit drohenden EU-Sanktionen zur Unterzeichnung von EPAs drängt. Weiter sorgte die europäische Zivilgesellschaft maßgeblich dafür, dass den afrikanischen zivilgesellschaftlichen Aktivist_innen Gelegenheiten im EU-Parlament geboten wurden, sich mit den Abgeordneten des EU-Parlamentes über die Gefahren von EPAs auszutauschen. Die afrikanische Zivilgesellschaft bekam auch technische und finanzielle Unterstützung, so dass sie aktiv werden, Forschungen initiieren und verhandeln konnte. Sie war dann in der Lage, aus einem sehr informierten Background heraus Lobbyarbeit zu betreiben. Einen solchen Aktionsplan uns gegenüber sollte es erneut von Seiten der Vertreter_innen der Zivilgesellschaft in Brüssel geben, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.

Wie relevant ist Migration im Verhandlungsprozess aus Sicht der afrikanischen Zivilgesellschaft? Dies wurde bisher nicht ganz deutlich.

Migration war in der europäisch-afrikanischen Partnerschaft schon immer ein umstrittenes Thema und ist es aktuell im Rahmen des EU-Global-Compact mit Afrika. Aufgrund der herrschenden Uneinigkeit in Sachen Migration ist es daher nicht überraschend, dass Ungarn weiterhin ein europäisches Mandat blockiert, wonach Verhandlungen mit den AKP-Staaten aufgenommen werden sollen. Unter dem CPA wurde die Afrika-EU-Partnerschaft für Migration, Mobilität und Beschäftigung (Migration, Mobility and Employment, MME)  eingerichtet, um Fragen der Migration anzugehen. Ungeachtet der guten Absichten dieser Initiative hat sie nicht funktioniert. Ebenso wie die Zivilgesellschaft dazu beitragen kann, wirtschaftliche Investitionen zu fördern, die den Armen zugute kommt, sind in jedem Fall produktive Investitionen durch Handel, Beschäftigung, Arbeitsmigration und eine effektive Sozial- und Wirtschaftspolitik dringend notwendig. Leider haben die bisherigen EU-Afrika-Partnerschaften die verzweifelte sozio-ökonomische Lage der Afrikaner_innen noch verschlimmert. Insofern sollte das Post-Cotonou-Abkommen Regelungen enthalten, die dazu verpflichten, die so unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse anzuerkennen und in der Konsequenz die Armen in den Blick zu nehmen. Darüber hinaus wäre es nur natürlich, Grenzen als mentales Konstrukt und Menschen als Weltbürger zu verstehen.

Wie bewerten Sie, dass Privatinvestitionen und Infrastrukturveränderungen einen viel größeren Stellenwert im Post-Cotonou-Abkommen einnehmen sollen als bislang?

Die EU drängt im Rahmen des EU-Global-Compact mit Afrika fortlaufend auf private Investitionen in Afrika. Bisher wurden elf afrikanische Staaten als sogenannte Compact-Staaten anerkannt. Wie dem auch sei, die Erfahrungen haben gezeigt, dass ausländische Investitionen in Afrika, insbesondere Investitionen in Grund und Boden, zu Landnahme (Landgrabbing) und zur Umsiedlung von Gemeinden geführt haben. Die Folge ist, dass sowohl private als auch öffentliche ausländische Investoren die Kontrolle über weite Teile fruchtbaren Landes gewonnen haben. In Uganda beispielsweise kam es in unterschiedlichen Landesteilen zu zahlreichen Fällen von großangelegtem lokalem wie auch ausländischem Landgrabbing, was in vielen Gemeinden großes Leid sowie den persönlichen Verlust von Eigentum und Land verursacht hat. Die Tatsache, dass die Vorfälle größtenteils durch Staats- und Regierungsbehörden fortgesetzt wurden, verkompliziert zudem die Situation. Deshalb ist es entscheidend, dass das Post-Cotonou-Abkommen im Zuge der Förderung von privaten Investitionen sicherstellen muss, dass die privaten Investitionen auch für die Bevölkerung gut sind und Arbeitsplätze schaffen und die Entwicklung vorantreiben.

Wie Sie in einer Ihrer Veröffentlichungen schrieben, hat die zweigleisige EU-Politik – einerseits politischer Rhetorik zu folgen und andererseits Sanktionen zu verhängen – in besonderem Maße Probleme bereitet. Welche Konflikte hat das auch unter afrikanischen Staaten in Gang gesetzt?

Die regionale Integration, für die Afrika hart kämpft, wurde infolge der Sanktionen und Drohungen vonseiten der EU gefährdet. Als die EU drohte, ihre Marktzugangsverordnung Nr. 1528/2007 zu ändern, gerieten Länder, die keine LDCs waren, unter Druck, ihre Verhandlungen abzuschließen und die EPAs zu ratifizieren, um ihren zoll- und kontingentfreien Zugang zum EU-Wirtschaftsmarkt nicht zu verlieren. In der Folge drängten Kenia, Ghana und die Elfenbeinküste – die keine LDCs sind – andere Partnerstaaten dazu, regionale Wirtschaftsblöcke zu bilden, um die Verhandlungen abzuschließen. Anschließend implementierten sie die Abkommen im Alleingang. Dieses Vorgehen führte in diesen Blöcken tatsächlich zu Spannungen, wie beispielsweise zwischen Tansania, Uganda und Nigeria, die in einem regionalen Wirtschaftsblock organisiert sind und die EPAs noch nicht unterzeichnet hatten.