Im Nachhaltigkeitsbericht 2018 zeigen zivilgesellschaftliche Initiativen, was sie in Deutschland bereits für einen nachhaltigen Umbau unserer Gesellschaften leisten. Aus dem Bericht wird deutlich: Nachhaltigkeit ist möglich und braucht keinen Masterplan. Die Politik sollte sich dies zu Herzen nehmen.
Am 25. September 2018 – genau drei Jahre nach Verabschiedung der Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) durch die Vereinten Nationen – veröffentlichte ein Bündnis von neun Verbänden, Organisationen und Gewerkschaften, die dritte Ausgabe des Berichts „Deutschland und die globale Nachhaltigkeitsagenda“.
Nachdem sich die Vorgänger-Berichte in den Jahren 2016 und 2017 vor allem damit auseinandergesetzt hatten, ob bzw. wie Deutschland einen Beitrag zur Umsetzung der SDG (nicht) leistet, sollte 2018 unter dem Motto „So geht Nachhaltigkeit!“ die Frage im Vordergrund stehen, was an nachhaltiger Politik bereits möglich und Realität ist – etwa in Form von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Programmen, aber auch Politikkonzepten auf kommunaler Ebene und in anderen Ländern. Damit soll gezeigt werden, dass es nicht eine Frage ist, ob Nachhaltigkeit machbar ist, sondern vielmehr, ob man sie wirklich erreichen möchte. Wo der (politische) Wille, da auch ein Weg.
Report enhält Bandbreite an Vorzeige-Aktivitäten
Entlang der 17 SDGs stellten Interview-Partner_innen und Autor_innen vor, was sie für einen nachhaltigen Umbau unserer Gesellschaften leisten. Dabei sehen sie sich immer wieder politischen Widerständen und strukturellen Defiziten gegenüber. Die versammelten Beispiele reichen von der Bekämpfung von Jugendarmut in Frankfurt/Main über nachhaltige Ernährung zu Gesundheitsversorgung; von bürgerschaftlichem Engagement in der Energiepolitik zu Geschlechtergerechtigkeit und von Klimaschutz bis hin zu gesetzlichen Regelungen für Konzerne, die Menschenrechte zu achten. Nicht zuletzt leistet Zivilgesellschaft unschätzbare Beiträge zur Konfliktbeilegung allerorten und schafft damit die Grundlage für soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit.
Dabei stehen viele der Beiträge selbst – aber auch die Sammlung als Ganzes – für Ansätze, die primär zwei „Universalitäten“ der Agenda 2030 verwirklichen: Sie haben erstens konkrete Auswirkungen auf das (Zusammen-)Leben in Deutschland, adressieren die „Fußabdrücke“, die Deutschland in der Welt hinterlässt und sind zugleich Ausdruck internationaler Solidarität. Zweitens verfolgen oder reflektieren dabei alle Ansätze die „Multidimensionalität“ der Agenda 2030: Sie ist mehr als eine klassische Entwicklungsagenda, mehr als ein Umweltschutzprogramm und viel mehr als eine Wirtschaftsförderungsstrategie. Die Bekämpfung von Jugendarmut durch den Verkauf von T-Shirts verliert genau so wenig aus den Augen, dass dafür keine Kompromisse beim Ressourcenschutz oder bei Rechten von Arbeitnehmer_innen eingegangen werden dürfen, wie eine fahrradfreundlichere Verkehrspolitik ihre sozialen Folgen berücksichtigt. Nachhaltige Ernährung hat eine zentrale soziale Komponente, genau wie Projekte der Entwicklungszusammenarbeit zum Schutz der Wasserversorgung. Bezahlbarer Wohnraum für alle erfordert auch neue Formen des gemeinsamen Lebens und Bauens, Geschlechtergerechtigkeit hat mit der Verfügbarkeit von Menstruationsprodukten zu tun.
Nachhaltigkeit braucht keine Belehrung von oben
Die Inhalte des Berichts verweisen aber auch darauf, wie wir hierzulande Politik gestalten möchten. Viel zu oft war und ist gegenwärtig die Rede von Menschen, die sich frustriert von wahrgenommener politischer Untätigkeit autoritären und simplifizierenden Lösungsmodellen zuwenden. Dabei gerät zunehmend aus dem Blick, dass es noch mehr Menschen gibt, die Probleme zum Anlass nehmen, sich konstruktiv und eigenverantwortlich für Nachhaltigkeitsbelange einzusetzen. Leider müssen auch diese Aktiven feststellen, dass ihnen an vielen Stellen politische, rechtliche und finanzielle Hindernisse im Weg stehen. Deshalb, so eine der Botschaften des Berichts, kann ein Beitrag der Bundesregierung für mehr Nachhaltigkeit in einem ersten Schritt darin bestehen, Hürden für bürgerschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement aus dem Weg zu räumen – oder gleich die schon praktizierten Ansätze und Vorschläge aufzugreifen und damit gesamtgesellschaftlich voranzubringen.
Entsprechend formuliert der Bericht fünf Forderungen an Bund, Länder und Kommunen in Deutschland:
- Endlich politischen Willen aufbringen!
- Spielräume der Zivilgesellschaft schützen und erweitern!
- Zivilgesellschaft als Impulsgeberin und Beraterin für eine kohärente Politik ernst nehmen!
- Recht durchsetzen, Rahmenbedingungen schaffen und vereinfachen!
- Finanzielle Unterstützung sichern!
Deutlich geworden ist anhand der im Bericht präsentierten Beispiele noch eins: Nachhaltigkeit braucht keinen Masterplan oder eine Belehrung von oben. Sie ist divers und fügt sich über lange Sicht zur großen sozial-ökologischen Transformation zusammen. Die Agenda 2030 und das Pariser Klimaabkommen sowie alle nationalen Nachhaltigkeitsstrategien können diese Entwicklung, wenn sie konsequent umgesetzt werden, unterstützen. Nachhaltigkeit geht aber vor allem so: Einfach mal machen! Und darin sollte die Politik Zivilgesellschaft auch unterstützen. Sie sollte sich an ihr ein Beispiel nehmen oder ihr wenigstens nicht im Wege stehen.
Weiterführende Informationen zum SDG-Report 2018 erhalten Sie unter https://www.2030report.de.
Wolfgang Obenland | Global Policy Forum |