Politik, Service

Druck von Rechts – Wie begegnen wir Rechtspopulismus und autoritären Einstellungen im Globalen Lernen?

Globales Lernen setzt sich dafür ein, globale Verantwortung und Gerechtigkeit, Toleranz und internationale Zusammenarbeit zu vermitteln. Diese Werte werden von rechts immer wieder in Frage gestellt. In einem Fachaustausch haben wir über Lösungsansätze diskutiert.

Rechtspopulistische bis -extreme, autoritäre und rassistische Einstellungen sind in unserer Gesellschaft konstant verhaftet. Rechtspopulist_innen versuchen, rassistische und nationalistische Denkweisen zu normalisieren. Sie greifen die Grundsätze einer offenen und inklusiven Gesellschaft an und machen sich für eine Politik der Abschottung stark. Wo sie an der Macht sind, zeichnet sich ihre Politik durch den Rückzug aus internationalen Abkommen, durch die Leugnung des Klimawandels, durch aggressives Vorgehen gegen Migration und Minderheiten aus. Rechte von LSBTIQ* (lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter* und queer) werden eingeschränkt und Frauenrechte zurückgenommen. Prinzipien einer partnerschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit zwischen Globalem Norden und Süden werden in Frage gestellt.

Rechtspopulistische Tendenzen in unserer Gesellschaft machen auch vor der Realität entwicklungspolitischer Bildungsakteur_innen keinen Halt. Globales Lernen setzt sich dafür ein, Werte wie globale Verantwortung und Gerechtigkeit, Toleranz und internationale Zusammenarbeit zu vermitteln. Rechtspopulistische, autoritäre und rassistische Einstellungen widersprechen diesen Werten eindeutig. Globale Gerechtigkeit und Verantwortung sind Themen des Globalen Lernens, die von rechts immer wieder in Frage gestellt werden. Sei es durch verbale oder physische Angriffe, politische Infragestellung der Bildungsarbeit oder Ablehnung von Bildungsangeboten durch Lehrkräfte und/oder Schüler_innen – das politische Klima im Land hat Auswirkungen auf die Arbeitsrealität von Bildungsakteur_innen. Welche Bedeutung rechtspopulistische, autoritäre und rassistische Einstellungen für die entwicklungspolitische Bildungslandschaft spielen, ist allerdings bisher nur durch einzelne Erfahrungsberichte erfasst.

VENRO veranstaltete am 23. Juni 2022 den Fachaustausch „Druck von Rechts – Wie begegnen wir Rechtspopulismus und autoritären Einstellungen im Globalen Lernen?“. Im Berlin Global Village diskutierten Bildungspraktiker_innen und Multiplikator_innen, welche Herausforderungen ihnen in ihrer Arbeit konkret begegnen und welche Erwartungen es an Politik, Förderprogramme und Dachverbände gibt, sie im Umgang mit diesen Herausforderungen zu unterstützen.

Drei exemplarische Herausforderungen aus der Praxis

Impulsgebend für den Austausch waren die Referent_innen Matthias Laurisch (NABU), Lisa Bendiek (Kulturbüro Sachsen e.V.) und Shavu Nsenga (Migrafrica). Matthias Laurisch stellte in seinem Input die Einflussnahme und Aktivitäten durch rechtspopulistische, rechtsextreme und autoritäre Personen im Naturschutz auf Grundlage der vom NABU in Auftrag gegebenen Studie „Rechte Aktivitäten im Naturschutz“ vor. Hintergrund der Studie ist, dass sich Rechte gezielt Argumentationsmuster aus dem Naturschutz aneignen, um diese ideologisch zu unterwandern. So werden z.B. Debatten um Neophyten (verdrängende Arten) oder Windkrafträder (Artenschutz gegen Klimaschutz) zu Einfallstoren rechter Ideologien. Der NABU beschäftigt sich in seiner Arbeit als Dachverband aktuell mit möglichen Gegenstrategien.

Lisa Bendiek stellte die Erkenntnisse der Studie „Junge Menschen mit Migrationsvordergrund und diskriminierungskritische Perspektiven auf Jugendliche in Sachsen“ vor. Ein Schluss aus der Studie ist, dass die Fokussierung auf die Täter_innen rechter Gewalt in der pädagogischen und förderrechtlichen Praxis zu einer Missachtung der Bedürfnisse marginalisierter Gruppen geführt habe. Diese Versäumnisse gilt es heute aufzuholen. Rassismuskritik müsse Praxis jeder Art von Bildungsarbeit werden, konstatierte die Referentin. Ein Vorschlag für die Umsetzung ist die Einführung von Schutz- und Fürsorge Konzepten für BIPOC (Black, Indigenous, People of Color) und FLINTA* (steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender) Personen. Lisa Bendiek verwies dabei auf die institutionelle Integration von rassismuskritischer Fürsorge von Katja Kinder und Peggy Piesche. Konkrete Handlungsempfehlungen für die Einrichtung sicherer Räume für Pädagog_innen of Color sind z.B die Gewährleistung sicherer Arbeitswege, Bereitstellung von Reflexionsräumen und rassismuskritische Weiterbildungen für weiße Kolleg_innen.

Shavu Nsenga berichtete in ihrem Vortrag „Rechtpopulismus und antirassistische Bildungspraxis – ein Erfahrungsbericht“ von den Widerständen, die in der antirassistischen Bildungsarbeit oft bei den Teilnehmenden auftreten, weil sie nicht mit Rechten in Verbindung gebracht werden möchten. Sie bekräftigte, dass Rassismus kein alleiniges Problem von rechts sei, sondern als Machtsystem in unserer Gesellschaft verankert ist und alle betreffe. Um dem zu begegnen, forderte sie machtkritische Veränderungen in der praktischen Bildungsarbeit und in den Förderstrukturen.

Macht- und Rassimuskritik müssen Bestandteil der Bildungsarbeit im Globalen Lernen werden

Die Impulse der Referent_innen wurden anschließend in Diskussionsrunden von den Teilnehmenden aufgegriffen und auf das Globale Lernen übertragen. Dabei wurden sowohl Herausforderungen in der Bildungspraxis als auch auf Ebene der Fördermöglichkeiten thematisiert. Als großes Problem wurde das fehlende Bewusstsein für die Relevanz der Thematiken beschrieben. Macht- und Rassimuskritik müssten als grundlegende Qualitätsmerkmale des Globalen Lernens anerkannt werden. Dafür müssen Bildungsträger_innen zur Unterstützung ihrer Bildner_innen Fortbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen anbieten. Gleichzeitig muss aber auch eine Fördergrundlage für die zivilgesellschaftlichen Träger_innen gewährleistet sein und zum Beispiel in die Ausgestaltung des Förderprogramms entwicklungspolitische Bildungsarbeit des BMZ aufgenommen werden.

VENRO wird die im Austausch gesammelten Herausforderungen und Handlungsansätze auch in Zukunft weiter begleiten und sich dafür einsetzen, dass macht- und rassismuskritische Praktiken themenübergreifend Bestandteil der Bildungsarbeit im Globalen Lernen und der Bildung für nachhaltige Entwicklung werden.