Politik, Service

Gemeinsam Zukunft gestalten: Wie Bildungs- und Engagementarbeit zu global notwendigen Veränderungen beitragen kann

Auf der VENRO-Strategiekonferenz in Fulda

Die multiplen Krisen unserer Zeit erfordern eine Transformation der Gesellschaft hin zu einer nachhaltigen und global gerechten Zukunft. Hierfür müssen wir alle Menschen mitnehmen – dabei können Bildungs- und Engagementakteur_innen eine wichtige Vermittlungsrolle übernehmen. Wie mehr Menschen am sozial-ökologischen und ökonomischen Transformationsprozess beteiligt werden können, war die zentrale Frage unserer VENRO-Strategiekonferenz in Fulda.

Ökologische, ökonomische und soziale Krisen gefährden die Lebensgrundlage und das zukünftige Zusammenleben auf unserem Planeten. Die multiplen Krisen verschärfen die Gräben in den Gesellschaften, fördern globale Ungerechtigkeiten und verstärken sich gegenseitig. Angesichts der Klimakrise, der Biodiversitätskrise, extremer Armut und Hunger, Menschenrechtsverletzungen und Kriegen sowie der Covid-19-Pandemie wird deutlicher denn je, wie notwendig eine fundamentale sozial-ökologische und ökonomische Transformation ist.

Eine gesellschaftliche Transformation hin zu einer nachhaltigen und global gerechten Zukunft betrifft alle Lebensbereiche und erfordert ein politisches Umdenken, insbesondere im Globalen Norden. Dabei müssen alle Menschen mitgenommen werden, denn einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel können wir nur gemeinsam gestalten!

Als „Agents of Change“ kommt Aktiven der Bildungs- und Engagementarbeit eine Schlüsselfunktion zu

Akteur_innen der entwicklungspolitischen Bildungs- und Engagementarbeit nehmen für die Transformation der Gesellschaft eine Schlüsselrolle und Vermittlungsfunktion ein. Sie informieren und sensibilisieren Menschen für globale Krisen und Zusammenhänge, befähigen sie, informierte Entscheidungen zu treffen und zeigen ihnen Möglichkeiten und Räume auf, wie sie selbst zu einer nachhaltigen Welt beitragen können. Aktive in der Bildungs- und Engagementarbeit in globalen Zusammenhängen werden hier zu „Agents of Change“, zu Akteur_innen des Wandels. Ihnen geht es vor allem um ein „Empowerment“, um politische Prozesse aktiv und kritisch mitzugestalten. Nur so können die notwendigen strukturellen und systemischen Veränderungen angestoßen und nicht-nachhaltige Strukturen abgebaut werden.

Ein großes Problem ist, dass Diskurse über nachhaltige Lebensweisen und politische Gestaltungsprozesse innerhalb bestimmter Blasen stattfinden. Viele Menschen grenzen sich bewusst davon ab­ – ob aus Resignation angesichts der Größe der globalen Krisen und der Geringschätzung der eigenen Handlungsmacht, oder aus politisch-ideologischen Differenzen. Andere arbeiten zwar am selben Thema, engagieren sich aber nicht in etablierten politischen oder zivilgesellschaftlichen Strukturen und Organisationen. Stattdessen schaffen sie sich eigene, alternative Aktionsräume. Das kann daran liegen, dass sie in etablierten Strukturen nicht gesehen und gehört werden oder dass eigene Aktionsräume ihnen mehr Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten außerhalb fester Hierarchien bieten.

Wie kann Transformation alle mitnehmen?

Am 18. und 19. November 2022 veranstaltete VENRO eine Konferenz in Fulda, um der Frage auf den Grund zu gehen, wie mehr Menschen am sozial-ökologischen und ökonomischen Transformationsprozess beteiligt und mitgenommen werden können. 100 Akteur_innen der Bildungs- und Engagementarbeit diskutierten, warum welche Gruppen bisher ausgeschlossen oder nicht erreicht werden und wie Bildungsangebote und Engagementräume gestaltet sein müssen, um mehr politische Partizipation zu fördern. Im Mittelpunkt der Debatte stand auch die Frage, wie sich zivilgesellschaftliche Organisationen verändern müssen.

Die Konferenz wurde mit einem Impulsvortrag der Aktivistin Elena Tzara eröffnet, der sich der Frage Wie kann Transformation alle mitnehmen? widmete. Anschließend gab es für die Teilnehmenden Gelegenheit, die mitgebrachten Fragen und Themen im Open Space und einer anschließenden Fishbowl-Diskussion zu besprechen. Am zweiten Tag wurden verschiedene Themen in neun Workshops tiefgreifender behandelt.

Abgeschlossen wurde der thematische Rahmen von zwei weiteren Inputgeber_innen: Der Politikwissenschaftler und Journalist Alexander Behr brachte Impulse aus seinem Buch Globale Solidarität – Wie wir die imperiale Lebensweise überwinden und die sozial-ökologische Transformation umsetzen mit und Elena Artiles Leyes von Futures Probes stellte den Teilnehmenden in ihrem Vortrag Was können wir aus der Zukunftsforschung lernen? Tools für die Gestaltung von Zukünften! Instrumente für die kreative Gestaltung von Zukünften vor.

Gesellschaftlicher Wandel muss generationen- und sektorübergreifend stattfinden

Auf der Konferenz wurde deutlich: Um viele Menschen auf dem Weg zu einer fundamentalen gesellschaftlichen Transformation hin zu einer nachhaltigen und global gerechteren Zukunft mitzunehmen, braucht es Bewegungsmöglichkeiten und Beziehungsarbeit. Es braucht Räume, in denen sich verschiedene Menschen miteinander austauschen können, sich dabei sicher fühlen und Zeit haben, ihre Handlungsmacht zu reflektieren. Es braucht breite Bündnisse und Solidarität der verschiedenen Gruppen, die sich für die sozial-ökologische und ökonomische Transformation einsetzen. Mehr Menschen mitzunehmen bedeutet Macht zu teilen und sich in Kooperationen zu begeben. Gesellschaftlicher Wandel muss generationen- und sektorübergreifend verschränkt stattfinden.

Die Konferenz zeigte dabei durchaus eindrücklich, dass junge und ältere Engagierte aus verschiedenen Sektoren leicht eine gemeinsame Sprache für ihre Anliegen finden können. Tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel braucht Veränderungen der individuellen, der kollektiven und der systemischen Handlungsräume des Lebens. Dafür braucht es neue Bilder von möglichen Zukünften des Zusammenlebens. Denn Bilder haben die Kraft, den Verlauf künftiger Entwicklungen zu beeinflussen, indem sie alternative Zukünfte vorstellbar machen. So könnten Menschen anfangen, diese mitzugestalten, sagte Elena Artiles Leyes zum Abschluss der Konferenz. Gesellschaften zu transformieren kann gelingen – aber nur gemeinsam, solidarisch und in allen Lebens- und Arbeitsbereichen.

VENRO setzt sich auch in Zukunft dafür ein, dass Multiplikator_innen der entwicklungspolitischen Bildungs- und Engagementarbeit die notwendigen Ressourcen, Austauschformate und Reflexionsräume haben, um gesellschaftliche Transformationsprozesse voranzubringen. Die auf der Konferenz angesprochenen Herausforderungen werden wir im Rahmen des Projekts Entwicklungspolitische Inlandsarbeit als Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft stärken weiterführen und in Fortbildungen vertiefen.