Das Wahlergebnis aus den USA sorgte für ein klimapolitischen Beben. In Marrakesch senden die Delegierten der UN-Klimakonferenz dennoch ein klares Signal: Politiken und Ziele für 2018 sollen verschärft werden.
Die globale Klimakrise ist ein Fakt und nimmt zunehmend Einfluss auf die Lebensbedingungen eines Großteils der Menschheit. Das Paris-Abkommen ist bisher der ernsthafteste Versuch, dieser Krise ein Kooperationsmodel der Staaten entgegenzustellen. Beim Klimagipfel in Marrakesch hat sich nun zumindest vorläufig gezeigt, dass das in seiner genauen Relevanz noch nicht absehbare Trump-Beben nach der US-Wahl diesen kooperativen Ansatz nicht umstoßen konnte. Im Gegenteil: Während des Klimagipfels sind elf weitere Länder (darunter Australien und Großbritannien) dem Paris-Abkommen beigetreten. Knapp 50 besonders betroffene Länder (im Kreis des sog. Climate Vulnerable Forums) haben für sich eine Abkehr des fossilen Energiepfads angekündigt und wollen bis 2030-50 auf 100% Erneuerbare umstellen. China hat angekündigt, seinen vor Paris zusammen mit der Obama-Administration initiierten klimadiplomatischen Offensivkurs fortzuführen. Von Europa – und Deutschland – muss es ähnliche Signale geben.
Es geht ums Ganze
Klar ist aber auch, dass sich globalpolitisch der Wind dreht. Menschenrechte, multilaterale Diplomatie und Friedensicherung drohen von populistischen Bewegungen an die Wand gedrückt zu werden. Die normative Führungsrolle westlicher Demokratien wackelt. Totalitäre Tendenzen werden im gesellschaftlichen Diskurs akzeptiert. Kooperations- und Ausgleichsstrukturen wie die Vereinten Nationen oder Entwicklungspolitik und ihre Institutionen drohen von gesellschaftlichen Randthemen zu Feindbildern erklärt zu werden.
Es ist offensichtlich, dass diese Entwicklung pluralistische Kernwerte betrifft. Dies wird nicht in der Klimapolitik gelöst werden können. Gleichzeitig ist Klimapolitik aber auch ein Haupt-“Battleground” und – z.B. in der EU – ein Indikator, ob die Rutschbewegung zur nationalen Abschottung aufgehalten werden kann.
Konkrete Entscheidungen
Das oben angesprochene Signal der Unterstützung des Paris-Abkommens war vielleicht die wichtigste Wirkung des Klimagipfels. Es gab aber auch andere wichtige Entscheidungen und Entwicklungen:
- Durch die überraschend schnelle Inkraftsetzung des Paris-Abkommens mussten in Marrakesch die Entscheidungsprozesse für die Umsetzung des Abkommen neu strukturiert werden. Länder haben sich darauf geeinigt, bis 2018 das “Regelbuch”, d.h. die Umsetzungsbestimmungen des Abkommens, auszuarbeiten. 2018 wird als Kondensationspunkt verankert, um gemäß dem Paris-Abkommen eine erste Politik- und Zielverschärfung der Länder anzuschieben.
- Der Anpassungsfonds (AF) des Kyoto-Protokolls war eine der Hauptdiskussionen der Konferenz. Es wurde vorentschieden, dass der Fonds auch dem Paris-Abkommen zugeordnet werden soll. Für diese neue rechtliche und politische Zukunft soll aber noch genauer ausgearbeitet werden, welche Rolle z.B. der AF im Bezug zum Green Climate Fund spielen wird. Der Anpassungsfonds hat durch verschiedene Geber (darunter Deutschland mit 50 Millionen Euro) mehr als 80 Millionen US-Dollar mobilisiert. Allerdings gelang es nicht, Industrieländer generell zu verpflichten, die Anpassungsfinanzierung im Kontext der Zusagen von 100 Milliarden US-Dollar zu erhöhen.
- Der Klimagipfel in Marrakesch hat in einer Vielzahl von Initiativen gemündet. Ein Bespiel ist die “NDC Partnership”, initiiert von Deutschland und anderen Ländern, die Staaten in der Umsetzung ihrer Klimabeiträge unterstützt. Weitere Unterstützungszusagen (auch finanziell) für die “Africa Renewable Energy Initiative” (Energiezugang durch Erneuerbare in Afrika), sowie “InsuResilience” (400 Millionen Nutzer für Klimarisikoversicherungslösungen) zeigen, dass diese in Paris angekündigten Aktivitäten ernst genommen und durchgehalten werden.
Deutschland und die EU
Trotz der erfolgten Abschwächung in der Substanz war die Veröffentlichung des deutschen Klimaschutzplans 2050 während der zweiten Woche der COP wichtig für die Dynamik des Klimagipfels. Gut, dass sich die Ressorts aus dem Umwelt- und Entwicklungsministerium hier teilweise gegen Widerstände aus den eigenen Parteien durchsetzen konnten.
Dies wird aber nicht reichen, um die klimapolitische Dynamik auf internationaler Ebene zu halten und zu steigern. Die G20-Präsidentschaft Deutschlands bietet eine Chance, um substantielle Erfolge zu erreichen – gerade im Bereich der Dekarbonisierungspläne für G20-Volkswirtschaften. Sollten inhaltliche Durchbrüche nicht möglich sein, ist dies immer noch die Gelegenheit, um die Auseinandersetzungen zur Klimapolitik öffentlich zu zeigen und dadurch mit nationalen Auseinandersetzungen und Bewegungen zu verbinden.
Für die EU gilt es jetzt zunächst, die Klimapolitiken sowie relevante Politikfelder zu verschärfen, z.B. in den Bereichen Energieeffizienz, Erneuerbare und ihre Förderung oder im Bereich der Reform des Emissionshandels.
In Marrakesch wurde auch entschieden, dass der nächste Klimagipfel unter fijianischer Präsidentschaft in Deutschland ausgerichtet wird, möglicherweise in Bonn. Der Klimagipfel 2017 wird zeitgleich mit dem Ausgang der Bundestagswahl stattfinden. Er bietet daher die Möglichkeit, internationales klima- und entwicklungspolitisches Schlaglicht auf die dann stattfindenden Koalitionsverhandlungen zu werfen. Die nationale und internationale zivilgesellschaftliche Mobilisierung wird daher wichtig und auch eine besondere Verantwortung für deutsche Akteure sein.
Sönke Kreft | VENRO / Germanwatch |