Politik

Leben in Trockengebieten: Mit Handarbeit und Honig gegen Klimakatastrophe und Hunger

Gebietsschutz in Somaliland während der Trockenzeit

In Somaliland leisten die Menschen einen greifbaren Beitrag zum Klimaschutz, indem sie mit minimalen Maßnahmen Hunderttausende Tonnen CO2 dauerhaft mit Natur-basierten Methoden einlagern. Thomas Hoerz, Agraringenieur der Welthungerhilfe, erklärt, wie in Trockengebieten Armut bekämpft und gleichzeitig natürliche Lebensgrundlagen geschützt werden können.

In vielen Ländern der Trockenzonen Afrikas wird die Klimakrise immer lebensbedrohlicher, so auch in Somaliland: Eine rasch fortschreitende Zerstörung der natürlichen Vegetation durch mangelndes Weidemanagement, Holzkohlegewinnung und häufigere, längere Dürreperioden entzieht Schafen, Ziegen und Kamelen das Futter, den Bienen die Blüten und damit den Menschen die Lebensgrundlage. Die ungeschützten Böden erodieren immer schneller, eine mögliche Erholung der Vegetation wird immer unwahrscheinlicher und langwieriger. Quellen trocknen aus und der Grundwasserspiegel sinkt in unerreichbare Tiefen. Es gibt mittlerweile Tausende von Familien, die die Hälfte ihres Einkommens für Wasser ausgeben, das mit Tanklastwagen aus über 50 km Entfernung geliefert wird.

In Diskussionen der Welthungerhilfe mit betroffenen Gemeinden – in Somaliland sind das fast alle – wiederholen sich die Kernaussagen zum Problem: Wenn wir die Wasser- und Futtergrundlage für unsere Tiere nicht sichern können, werden wir unsere Gebiete verlassen und in die Städte ziehen müssen. Landwirtschaft ist keine Alternative – zu gering die Niederschläge, zu teuer oder unmöglich die Bewässerung. Holzkohlegewinnung zerstört zwar unsere Futterbäume, sie ist aber oft die einzig mögliche Einkommensquelle.

Hier stellte sich für uns die Frage: Was tun?

Wie erreichen wir beides – Armutsbekämpfung und Schutz der Lebensgrundlagen im Kampf gegen den Klimawandel?

Zunächst schien dies eine unlösbare Gleichung zu sein: Kann man verarmten Gemeinden hohe Opfer zumuten, um langfristige ökologisch-ökonomische Ziele zu erreichen? Was ist mit den begrenzten Mitteln einer Nichtregierungsorganisation (NGO) überhaupt machbar? Es wurde über Zäune nachgedacht –  Millioneninvestitionen mit hohem Konfliktpotenzial –, über Baumpflanzungen mit einem hohen Risiko des Scheiterns bei ausbleibendem Regen, über alternative Einkommen und Umsiedlung. Die sich jetzt bewährenden Lösungen sind naheliegend, einfach und in kleinen Schritten umzusetzen. Sie bauen auf die Tatkraft der Betroffenen, auf die Regenerationskraft der Natur und auf die begrenzten Mittel und das technische Wissen von außen.

Für das weitere Vorgehen sind klare Vereinbarungen notwendig

In verschiedenen Veranstaltungen benennen Dorfbewohner_innen zunächst die drängendsten Probleme von Weiden, Wasserquellen und Tieren, die sich langfristig abzeichnen. Daraufhin wird eine Bestandsaufnahme der Kapazitäten des Dorfes durchgeführt, im Allgemeinen umfasst diese die Arbeitskraft, die Vegetation, Weidetiere, die Topographie und die Besitzverhältnisse der einzelnen Gebiete Im folgenden Schritt legt die Welthungerhilfe dar, was sie bieten kann: finanzielle Möglichkeiten, technisches Wissen, die Vernetzung von Erfahrungen aus anderen Gebieten und die Möglichkeit, staatliche und internationale Hilfe zu mobilisieren. Am Ende steht ein Vertrag, der ein zunächst kleines Areal, 20-200 ha, zum Schutzgebiet erklärt und konkrete gemeinsame Maßnahmen benennt. Wie geht es nun weiter?

Das gemeinsame Ziel: Mehr Futter, mehr Wasser, Klimaresilienz und höhere Einkommen

Wichtig ist zunächst die Frage des Schutzes des ausgewiesenen Gebiets: Es muss eindeutig einer Dorfgemeinschaft zugeordnet werden, was von allen benachbarten Dörfern auch bestätigt wird. Die Gemeinde bekennt sich in öffentlichen Veranstaltungen zu den Schutzmaßnahmen und den Sanktionen bei Übertretung und benennt Verantwortliche zur Durchsetzung der Strafen, das schließt selbst die ländlichen Polizeikräfte ein.

Die Dorfbewohner_innen können durch ihre Arbeit am Bau von Trockensteinmauern und Gräben eigenes Einkommen erhalten und sind nicht weiter von Geldtransfers oder Lebensmittelhilfe abhängig. Wasserquellen werden geschützt, Brachflächen wieder renaturiert durch Gras- und Baumsamen. Bienenstöcke werden zur Verfügung gestellt und Trainings für die Bienenhaltung angeboten. Die geschützte Vegetation vervielfacht die Ernte von Honig, in Somaliland ein teures und begehrtes Produkt.

Mittelfristig kann schon im dritten Jahr vorsichtig mit der Grasernte begonnen werden, in späteren Jahren mit einer Beweidung in Notzeiten, um das Überleben der Tiere zu sichern. An den tiefergelegenen Stellen des Schutzgebietes können Brunnen gegraben werden, die länger oder gar ganzjährig Wasser führen. An einigen Orten wurden Solarpumpstation eingerichtet, die das Dorf direkt mit sauberem Trinkwasser versorgen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt werden über 1.000 ha durch zwölf Gemeinden auf diese Weise geschützt und genutzt. Diese Gemeinden wollen ihre Schutzgebiete noch vergrößern.

 

Die Alternative zu Gebietsschutz: Erosion bedroht Weideflächen bei Borama.

Warum macht es Sinn, in den Schutz von Trockengebieten zu investieren?

Trockengebiete, zudem diejenigen, die nomadisch bewirtschaftet werden, haben einen klaren Standortvorteil (etwas Neues, sonst zeichnen sich diese pastoral genannten Gebiete eher durch Standortnachteile aus). Denn allein durch den höheren Wurzelanteil (60-80 Prozent der gesamten Biomasse) und ihre Bodentiefen, in denen Wurzeln ausgebildet werden, wird Kohlenstoff länger und zuverlässiger eingelagert. Neben der CO2-Einlagerung sind Trockengebiete im geschützten Zustand eine zuverlässige Quelle für Menschennahrung und Tierfutter. Besonders Kamele und Ziegen ernähren sich von den Büschen und Bäumen, und Schafe von den natürlichen Weideflächen.

Gebietsschutz in Trockengebieten kann traditionelle Einkommensquellen sichern, die Lebensgrundlagen erhalten und einen wichtigen Beitrag für lokalen – und globalen – Klimaschutz leisten.


Thomas Hoerz ist Agraringenieur und arbeitet seit vier Jahren als Area Manager für unsere Mitgliedsorganisation Welthungerhilfe in Somaliland.