Politik

COP26: Was wurde beschlossen, welche Baustellen ergeben sich für die Ampelkoalition?

Wie leider zu erwarten, bleiben die Ergebnisse des Weltklimagipfels in ihrer Gesamtheit deutlich hinter dem zurück, was für eine umfassende Antwort auf die Klimakrise notwendig gewesen wäre. Im Rahmen der Grenzen des konsensbasierten Verhandlungsprozesses wurden aber zumindest in manchen Bereichen durchaus solide Ergebnisse erzielt. Für die neue Bundesregierung heißt dies nun: Volle Kraft voraus für mehr Klimaschutz und Klimagerechtigkeit!

Mitte des Monats ist die 26. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen (UN) in Glasgow zu Ende gegangen, vor wenigen Tagen hat die Ampel ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Sven Harmeling, Sprecher der VENRO-AG Klimawandel und Entwicklung, war bei den Verhandlungen in Schottland vor Ort. In seinem Artikel verknüpft er die zentralen Ergebnisse der COP26 mit den klimapolitisch relevanten Inhalten des Koalitionsvertrags von SPD, Grüne und FDP.

Klimaschutz-Lücke zum 1,5°C-Ziel wiederholt anerkannt, aber jetzt nationales Handeln notwendig

Positiv ist zunächst, dass die Vertragsstaaten für 2022 die Hausaufgabe mitbekommen haben, ihre Emissionsreduktionsziele im Laufe des kommenden Jahres vor dem Hintergrund der im Glasgow Climate Pact klar benannten Lücke zur 1,5°C-Grenze zu überarbeiten. Auf der COP27, die 2022 in Ägypten stattfindet, wird es unter anderem ein spezielles Ministertreffen zum kurzfristigen Klimaschutz geben, außerdem soll ein spezielles Arbeitsprogramm dazu verabschiedet werden.

Mit dem im Ampel-Koalitionsvertrag avisierten Klimaschutz-Sofortprogramm, das 2022 erarbeitet werden soll, den erhöhten Zielen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien (80 Prozent bis 2030) sowie dem Kohleausstieg „idealerweise bis 2030“ kann die Bundesregierung ein wichtiges Maßnahmenkorsett zusammenstellen. Wichtig wird allerdings auch sein, dass die Europäische Union (EU) ein konkretes Maßnahmenpaket im Rahmen der Fit-for-55-Umsetzung erstellt. Dieses Paket sollte auf eine deutliche Übererfüllung der bisherigen 2030-Ziele  hinauslaufen, die eine Reduktion von 50 Prozent der Emissionen vorschreiben. Denn erst ein Reduktionsziel von 65 Prozent für die EU ist kompatibel mit der 1,5°C-Grenze.

Partnerschaften für das Kohle-Phase Out

Für einiges Aufsehen sorgte die bei COP26 vorgestellte Partnerschaft von Deutschland, der USA, der EU und anderer Akteure mit Südafrika, die auf eine Dekarbonisierung und einen gerechten Übergang der Energieversorgung weg von der Kohle abzielt und mit einem Finanzumfang von ca. 8,5 Mrd. USD (vor allem Kredite) ausgestattet ist. Auch wenn hier noch viele Details offen sind, könnten solche großen Partnerschaften von Geberländern mit Entwicklungs- und Schwellenländern einen Paradigmenwechsel einläuten. Mehr noch: Sie werden sogar zwingend notwendig sein, um der bei COP26 erzielten – aber auch umstrittenen – Einigung auf eine Reduzierung von Kohle, den sogenannten Phase-Down, zur Umsetzung zu verhelfen.

Im Kapitel „Klima- und Energieaußenpolitik“ des Koalitionsvertrages strebt die Ampel auch für die deutsche G7-Präsidentschaft 2022 „eine Initiative zur Gründung von Klimapartnerschaften sowie eines für alle Staaten offenen internationalen Klimaclubs“ an.

Der Glasgow Climate Pact sieht auch den Abbau von Subventionen für fossile Energien vor. Hier fehlt es dem Koalitionsvertrag bisher an sehr konkreten Umsetzungsplänen, die dann aber ihren Weg in das Sofortprogramm finden sollten. Der Anstieg des CO2-Preises bis 2025 wird nicht verändert, allerdings wird festgehalten, dass der Preis im EU-Emissionshandel nicht auf unter 60 Euro pro Tonne fallen darf – was ein deutliches Signal setzt.

Gemischte Ergebnisse zu Klimafinanzierung 

Im entwicklungspolitisch zentralen Bereich der Finanzierung für Klimaschutz und Anpassung sind die Ergebnisse der COP gemischt. Die Nichterreichung des Klimafinanzierungsziels von jährlich 100 Milliarden US-Dollar durch die Industrieländer wurde explizit benannt und wird nun auch erstmals im kommenden Jahr vom Ausschuss für Finanzen des UN-Klimasekretariats UNFCCC untersucht werden. Es gelang allerdings nicht, explizit festzuschreiben, dass die Industrieländer die 100 Milliarden US-Dollar bis 2025 im jährlichen Durchschnitt erbringen sollen (also insgesamt 600 Mrd. für 2020-2025), um auch das verspätete und derzeit eher für 2023 erwartete Erreichen der 100 Milliarden US-Dollar wiedergutzumachen.

Das bei der COP getroffene Versprechen der Industrieländer, die kollektive Finanzierung für Anpassung bis 2025 gegenüber 2019 zu verdoppeln, ist immerhin ein wichtiges politisches Signal, dessen Erreichung messbar sein wird. Für die Zeit nach 2025 soll es ein neues Post-2025-Finanzierungsziel geben, wofür die COP26 nun einen intensiveren Arbeitsprozess initiiert hat, allerdings noch ohne Vorfestlegungen. Positiv hervorzuheben ist, dass Aspekten der Geschlechtergerechtigkeit in der Klimafinanzierung stärkeres Gewicht beigemessen werden soll. Auch gab es in Glasgow überdurchschnittlich hohe Einzelzusagen für zwei UN-Anpassungsfonds, u.a. auch von deutscher Seite. Die auch von VENRO und vielen anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verbänden aufgestellte Forderung, dass es neben Unterzielen für Minderung und Klimaanpassung auch eines für Finanzierung zum Umgang mit den Klimaschäden geben soll, wird aber weiterhin Gegenstand der Diskussionen bleiben.

Der Koalitionsvertrag bleibt leider relativ vage bei der Frage des Aufwuchses der Klimafinanzierung und insbesondere im Bereich Klimaanpassung. Es wird nur von der Erfüllung des 100-Milliarden-Versprechens und einer perspektivischen Erhöhung des deutschen Beitrages gesprochen. Im Kontext der Verpflichtung, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe aufzuwenden, liest sich allerdings: „Zusätzlich sollen die Mittel für die internationale Klimafinanzierung weiter aufwachsen.“ Dies könnte so interpretiert werden, dass zumindest ein weiterer Aufwuchs „on top“ zur Entwicklungsfinanzierung kommen und nicht auf das 0,7-Prozent-Versprechen angerechnet werden soll. VENRO hält weiterhin an der Forderung fest, die Klimafinanzierung bis 2025 auf mindestens acht Milliarden Euro an Haushaltsmitteln zu erhöhen.

Industrieländer blockieren Fortschritt bei Finanzierung für Klimaschäden

Die Forderungen der Entwicklungsländer und weiter Teile der Zivilgesellschaft, endlich beim Thema Finanzierung für den Umgang mit Klimaschäden konkrete Fortschritte zu erzielen, blockten die Industrieländer weitestgehend ab. Die Entwicklungsländer spitzten die Forderungen gegen Ende der Konferenz durch den vorgeschlagenen Beschluss einer Glasgow Loss and Damage Facility (und weiterer Ausarbeitung danach) unter dem Dach des UNFCCC-Finanzmechanismus zu. Die COP26-Präsidentschaft verzichtete aber schließlich darauf, diese in den finalen Text aufzunehmen, was für deutliche Kritik sorgte.

Was schließlich vereinbart wurde, ist ein vager „Dialog“ zu den Finanzierungsarrangements zu Klimaschäden, der im Juni bei den Bonner Klimaverhandlungen begann und sich über zwei Jahre ziehen soll – mit ungewissem Ausgang. Allerdings bietet dies eine Gelegenheit, den Vorschlag der Entwicklungsländer wieder konkret auf den Tisch zu legen und auch die Industrieländer dazu zu drängen, sich nicht weiter der Debatte über neue Finanzquellen und deren zielgerichtete Verwendung zu verweigern. Die ägyptische Präsidentschaft für COP27 hätte durchaus Möglichkeiten, dann für die Konferenz in Ägypten auf einen weitergehenden Beschluss hinzuwirken.

Die neue Ampelkoalition hat sich immerhin auf die Agenda geschrieben, Klima- und Energiepartnerschaften auch für „am Verursacherprinzip orientierte Klimarisikoversicherungen“ voranzutreiben, wo sich für die G7-Präsidentschaft eine besondere Gelegenheit in Anknüpfung an die InsuResilience Global Partnership bietet.

Der Fokus sollte jetzt auf nationalem Handeln liegen

In jedem Fall machte die Klimakonferenz in Glasgow deutlich, dass Klimaschäden mittlerweile zum bitteren Alltag für viele Menschen in Entwicklungsländern gehören. Mit fortdauerndem unzureichendem Klimaschutz wächst die Ungeduld der Betroffenen, weshalb zum Beispiel die Inselstaaten Antigua und Barbuda sowie Tuvalu am Rande der COP eine neue Kommission ankündigten, die explizit Klagemöglichkeiten auf internationaler Ebene zum Thema klimabedingte Schäden und Verluste untersuchen soll.

Wenngleich sich die COP auch für die nächsten Jahre ein umfangreiches Arbeitsprogramm gegeben hat, sollte jetzt nicht in erster Linie der Blick zur nächsten COP im Mittelpunkt stehen, sondern der Fokus auf stärkerem nationalen Handeln liegen. Denn das ist zentral, um auf UNFCCC-Ebene Ergebnisse zu erzielen, die dieses weiter verstärken können.

Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP setzt einen starken Schwerpunkt auf Klimaschutz. Allerdings: Auf nationaler Ebene werden viele Maßnahmen genannt (Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien auf 80 Prozent bis 2030, Kohleausstieg, Wasserstoff-Strategie etc.), aber es fehlt an konkreten Angaben mit Blick auf die Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen und den Umgang mit Schäden und Verlusten in besonders vom Klimawandel betroffenen Ländern im globalen Süden. Hier muss Deutschland seine globale Verantwortung noch ernster nehmen.