Politik

Warum wir auch weiterhin – und mehr denn je – eine solidarische Finanzierung globaler Gesundheit brauchen

Aktuell sind 130 Länder des Globalen Südens kritisch verschuldet; entsprechend wenige Mittel stehen ihnen für Investitionen in die allgemeine Gesundheitsversorgung zur Verfügung. Die Gesundheitsziele der Agenda 2030 sind somit weltweit kaum zu erreichen. Was muss auf internationaler Ebene passieren, um die Finanzierung gesundheitlicher Grundversorgung für alle Menschen weltweit zu sichern?

Es gehört zu den Kernaufgaben eines jeden Staates, gesundheitliche Grundversorgung für die gesamte Bevölkerung sicherzustellen. Doch den meisten Ländern im Globalen Süden fehlt dazu schlichtweg der notwendige finanzielle Spielraum. Selbst bei größtmöglichen Anstrengungen werden sie den Auf- und Ausbau ihrer Gesundheitssysteme und notwendiger Gesundheitsdienstleistungen nur zu einem geringen Anteil aus eigenen Mitteln finanzieren können, denn ihre inländischen Steuereinnahmen verharren oft auf geringem Niveau. Gleichzeitig steigt ihre Verschuldung sowie öffentliche Schuldenlast immer weiter an und schränkt die finanziellen Handlungsspielräume dieser Länder zusätzlich ein. Die Gesundheitsziele der Agenda 2030 und damit die Schaffung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung weltweit sind so kaum zu erreichen. Was muss daher auf internationaler Ebene passieren, damit die Finanzierung gesundheitlicher Grundversorgung für alle Menschen weltweit gesichert wird?

Drei Ansätze für eine bessere Ausfinanzierung

Auch der Global Health Hub Germany hat im vergangenen Jahr diese Frage aufgeworfen. Einen Impulsdialog, zu dem das Multiakteurs-Netzwerk renommierte Vertreter_innen aus Wissenschaft, Think Tanks und internationalen Institutionen eingeladen hatte, stellte man unter die Überschrift: „Wie kann ‚Gesundheit für Alle‘ in Zeiten knapper Mittel finanziert werden?“ Die Debatte drehte sich sowohl um die Frage, wie mehr Mittel für Gesundheit generiert, aber auch darum, wie vorhandene Mittel effizienter genutzt werden können. In der Experten-Runde war man sich einig, dass die Finanzierung von Gesundheit grundsätzlich als Investition und weniger als Kostenfaktor verstanden werden müsse. Partnerländer im Globalen Süden sollten bei der Entwicklung von Steuersystemen unterstützt werden, durch die inländische Mittel für Gesundheit generiert werden könnten. Es brauche stabilere Bedingungen für Investitionen privater Unternehmen in gesundheitsbezogene Lieferketten. Und die Umstrukturierung sowie Harmonisierung der globalen Gesundheitsfinanzierungsarchitektur müsse mit Nachdruck vorangetrieben werden. Darüber hinaus werden auch die drei im Folgenden näher erläuterten Ansätze für eine bessere Ausfinanzierung gesundheitlicher Grundversorgung weltweit in dem Ergebnispapier des Impulsdialogs vom Global Health Hub angerissen. Aus Sicht der VENRO-AG Gesundheit sollten sie allerdings noch prominenter ins Zentrum der Debatte gerückt werden, weshalb wir auch in unserem jüngsten eigenen Standpunkt zu Gesundheitsfinanzierung darauf fokussieren.

1. Mehr öffentliche Mittel für Gesundheit durch eine global gerechte Steuerpolitik

Viele multinationale Konzerne zahlen keine Steuern in den Ländern, in denen sie Gewinne erzielen. Mit den derzeit im globalen Finanzsystem geltenden Regelungen ist eine angemessene Besteuerung bzw. das Verhindern von Steuerflucht und -hinterziehung kaum möglich. Jährlich gehen deshalb mindestens 200 Milliarden US-Dollar an Steuermitteln verloren. Auf internationaler Ebene gilt es also, Steuergerechtigkeit herzustellen. Die notwendigen Reformen müssen in einem inklusiven, internationalen Prozess im Rahmen der Vereinten Nationen (UN) vorangetrieben werden. Das Ziel muss eine von allen Staaten getragene und umgesetzte UN-Steuerrechtskonvention sein, wie sie derzeit im Rahmen der UN ausgehandelt wird (siehe dazu u.a. den Financing for Sustainable Development Report 2024 „Financing for Development at a Crossroads“).

2. Mehr öffentliche Mittel für Gesundheit durch einen fairen Umgang mit Schulden

Aktuell sind 130 Länder des Globalen Südens kritisch verschuldet (vgl. Schuldenreport 2024). Ein großer Teil ihrer Haushaltsmittel fließt in die Schuldentilgung. Somit stehen weniger Mittel für Investitionen in die allgemeine Gesundheitsversorgung zur Verfügung. Länder im Globalen Süden nehmen Kredite bei internationalen Entwicklungsbanken, aber auch bei bilateralen Gebern wie Deutschland, den USA oder China auf. Darüber hinaus verschulden sie sich zunehmend auf dem privaten Finanzmarkt. Getrieben wird diese Schuldenaufnahme durch die von Geberländern geförderte Hebelung privater Investitionen mit öffentlichen Mitteln auch in staatlichen Kernbereichen wie Gesundheit. Um die Schuldenstände wieder auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen, braucht es dringend einen internationalen Entschuldungsmechanismus für kritisch verschuldete Staaten. In diesen müssen alle staatlichen, aber auch private und institutionelle Gläubiger, einbezogen werden. Auch braucht es Schuldenschnitte und die Aussetzung von Rückzahlungen von Darlehen während (Gesundheits-)Krisen wie der Ebola-Epidemie oder der Corona-Pandemie.

3. Mehr öffentliche Mittel für Gesundheit durch eine solidarische internationale Finanzierung

Doch es werden zweifellos noch mehrere Jahre vergehen, bis eine UN-Steuerrechtskonvention ausgehandelt und ein fairer internationaler Schuldenmechanismus etabliert ist – und erst recht bis derartige Maßnahmen national zu Verbesserungen der Haushaltslage führen können. Umso wichtiger ist es darum, dass die Geberländer auch weiterhin einen solidarischen Beitrag zur Gesundheitsfinanzierung leisten. Als fairer Solidarbeitrag gilt bislang der Anteil von 0,1 Prozent ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung. Dieser so genannte „Fair Share“ wurde 2001 von einer WHO-Kommission errechnet. Angesichts der seitdem gestiegenen Bedarfe in den Ländern des Globalen Südens, deren prekärer Haushaltslage und der veränderten Wirtschaftsleistungen der Geberländer ist eine Neuberechnung des „Faire Share“ dringend notwendig. Einstweilen sollten die Geberländer weiterhin anstreben, mindestens das 0,1-Prozentziel zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in den Partnerländern bereit zu stellen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Gesundheitsziele der Agenda 2030 noch annähernd erreicht werden können.

Weiteres zur internationalen Gesundheitsfinanzierung finden Sie in unserem aktuellen Standpunkt „Internationale Gesundheitsfinanzierung muss solidarisch sein“.


Jan-Thilo Klimisch ist Co-Sprecher der VENRO-AG Gesundheit, Sonja Grigat ist Referentin im Bereich Globale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung bei VENRO.