Politik

Wir ziehen Bilanz: Ein Jahr Agenda 2030

Die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) im Überblick

Ein Jahr nach Verabschiedung der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“  tagt die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) derzeit unter dem Motto „Die Ziele für nachhaltige Entwicklung: Ein gemeinsamer Kraftakt zur Transformation unserer Welt“. Wir möchten dieses Thema aufgreifen und der Frage nachgehen, wo sich Deutschland aktuell auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen Transformation befindet.

Kritik am Entwurf der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

Auf nationaler Ebene beschreibt die Bundesregierung die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (NHS) als wesentlichen Rahmen für die Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG). In einer gemeinsamen Stellungnahme von VENRO sowie zehn weiteren Netzwerken und Verbänden zum Entwurf zur Neuauflage der NHS wurde erheblicher Verbesserungsbedarf festgestellt. Zentraler Kritikpunkt ist dabei die fehlende Kohärenz. Denn die NHS klammert einzelne Bereiche wie die Handels-, Migrations- und Agrarpolitik aus. Dabei sind es gerade jene Politikbereiche, die das Leben der Menschen sowohl in Deutschland als auch in den Ländern des globalen Südens negativ beeinflussen. Auch Schwach- und Leerstellen bei den Indikatoren zur Messung der Umsetzung der Agenda 2030 sowie die Vernachlässigung der ärmsten und am stärksten benachteiligten Gruppen zählen zu den Kritikpunkten der Verbände. Zudem fordern VENRO und die weiteren Netzwerke regelmäßige und transparente Partizipationsmechanismen zur stärkeren Einbindung der zivilgesellschaftlichen Akteure – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Um die Zivilgesellschaft zu einem ernsthaften Partner und kritischen Begleiter zu machen, müssen verlässliche und institutionalisierte Dialogformate aus- und aufgebaut werden.

Finanzielle Mittel müssen mobilisiert werden

Die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) zählt als zentrale Ressource zur Finanzierung der Entwicklungspolitik. Jedoch kommt die Bundesrepublik ihrer Verpflichtung, das ODA-Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit einzuhalten, nicht nach. Darüber hinaus stehen innovative Finanzierungsmechanismen, z.B. Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer, immer wieder auf der politischen Agenda. Nebst den öffentlichen finanziellen Mitteln könnten private Investitionen unter ressourcenschonenden Produktionsbedingungen und Beachtung der Menschenrechte in den Entwicklungsländern zur Steigerung der Produktivität führen und damit eine Kette positiver Effekte, wie etwa die Schaffung von Arbeitsplätzen, in Gang setzen. Deutlich wird, dass die Umsetzung der Agenda 2030 einer ausreichenden Finanzierung bedarf, die weit über die Erreichung des ODA-Ziels hinausgeht. Die Bundesregierung ist angehalten, zusätzliche Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zu mobilisieren.

Deutschland – noch lange nicht nachhaltig

Auf internationaler Ebene stellt das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung (HLPF) das zentrale Gremium zur Überprüfung der Umsetzung der Agenda 2030 dar. Auf dem letzten Treffen in New York stellten 22 Länder einen freiwilligen nationalen Umsetzungsbericht vor, darunter auch Deutschland. Trotz der symbolischen Wirkung dieses Berichtes und dem damit gezeigten politischen Willen zur Umsetzung der Agenda 2030 ist zu konstatieren, dass auch Deutschland – gemessen an den SDG – ein Entwicklungsland ist. Denn es ist nicht nur die universelle Gültigkeit der Agenda 2030, die Deutschland in die Pflicht nimmt, die sozial-ökologische Transformation national sowie international voranzutreiben – vielmehr hat auch die Bundesrepublik in vielen Bereichen erheblichen Nachholbedarf, zum Beispiel beim Klima- und Umweltschutz: So hatte die deutsche Bevölkerung bereits im April 2016 die gesamte Menge der ihr in diesem Jahr zustehenden natürlichen Ressourcen aufgebraucht. Seit diesem Zeitpunkt leben wir in Deutschland zu Lasten der Umwelt und zukünftiger Generationen.

Chance zur sozial-ökologischen Transformation unserer Welt nutzen

Einen ungeschönten Blick auf die Umsetzung der Agenda 2030 lieferte dagegen die Zivilgesellschaft: Im Rahmen des HLPF stellte VENRO den in Kooperation mit weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren erstellten Schattenbericht zur Agenda 2030 vor. Darin zeigen weltweite Herausforderungen wie Hungersnöte oder die aktuellen Fluchtbewegungen die Notwendigkeit eines nachhaltigen Entwicklungsweges auf. Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft sollten daher die Agenda 2030 als Chance zur sozial-ökologischen Transformation nutzen. Umso bedauernswerter ist es, dass die Bundesregierung angekündigt hat, den nächsten Fortschrittsbericht dem HLPF erst im Jahr 2021 vorzulegen. Aus zivilgesellschaftlicher Perspektive ist dieser Rhythmus nicht ausreichend, um der Notwendigkeit, einen nachhaltigen Weg für die Zukunft unserer Erde einzuschlagen, angemessen zu begegnen.