Politik

COP27: Was ist von der Weltklimakonferenz in Ägypten zu erwarten, Sven Harmeling?

Vom 6. bis 18. November findet die UN-Klimakonfererenz COP27 in Sharm el-Sheikh statt. Im Interview zeigt Klimaexperte Sven Harmeling, Sprecher der VENRO-AG Klima, drei Themenfelder auf, die für den Erfolg der Konferenz entscheidend sind. 

Was werden die Verhandlungsknackpunkte auf der Weltklimakonferenz sein?

„Aus meiner Sicht sind das vor allem drei Themen. Erstens wurde auf der letztjährigen COP26 das Mandat erteilt, ein Arbeitsprogramm zu zusätzlichem Klimaschutz vor 2030 auszuarbeiten, das auf der COP27 beschlossen werden soll. Die erste Verhandlungsrunde in Bonn im Juni dazu hat Schwierigkeiten aufgezeigt, hier substantielle Beschlüsse zu fassen. Wir sehen aber, dass von allen G20-Staaten und anderen Emittenten deutlich mehr Klimaschutz gebraucht wird – auch die Europäische Union (EU) muss ihr 2030-Ziel deutlich erhöhen. Neben stärkeren nationalen Plänen sollte ein solches Mitigation Work Programme auch dazu beitragen, sektorale Ziele und Kooperationen voranzubringen und auch die jährlich geplanten spezifischen Ministertreffen zu dem Thema für politische Fortschritte zu nutzen. Der beschleunigte Ausstieg aus den fossilen Energien muss befördert werden.

Zweitens geht es darum, die bereits gemachten Klimafinanzzusagen seitens Deutschlands und anderer Länder zu erfüllen. Die eigentlich für 2020 versprochenen 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr werden frühestens im Jahr 2023 fließen, so der letzte Stand. Das ist ein dickes Versagen der reichsten Länder. Auf der COP27 müssen sie klarere Pläne vorlegen, wie die 100 Milliarden im Durschnitt der Jahre 2020-2025 erbracht werden, also 600 Milliarden insgesamt. Der Anteil für Klimaanpassung sollte von derzeit nur 20-25 auf 50 Prozent erhöht werden. Die Mittel sind dringend notwendig, um die Entwicklungsländer bei der Umsteuerung zu klimafreundlichen und -resilienten Gesellschaften zu unterstützen.

Der dritte große Knackpunkt sind die Klimaschäden, die letztendlich auf die fossilen und andere Treibhausgasemissionen, vor allem der Industrieländer und zunehmend weiterer Länder, zurückzuführen sind. Pakistan ist da nur eines von vielen schlimmen Beispielen gewesen, bei denen die humanitären Folgen der Klimakrise immer deutlicher werden. Entwicklungsländer und Zivilgesellschaft fordern schon lange von den Industrieländern, zusätzliches Geld bereitzustellen, um die Schäden zumindest teilweise zu bewältigen. Auch die fossile Energieindustrie sollte als Hauptverursacher zur Verantwortung gezogen werden.

Je mehr Klimaschutz, desto weniger Klimaschäden, aber die Klimakrise ist zu weit fortgeschritten, um die Schäden zu ignorieren. Die COP27 muss deshalb den Einstieg in neue Finanzen bringen.“

Auf der letzten Klimakonferenz forderte eine Gruppe von Entwicklungsländern, einen Fonds einzurichten, um Schäden infolge des Klimawandels finanziell auszugleichen? Gibt es bei den Industriestaaten Bewegung hinsichtlich dieser Forderung?

„Grundsätzlich unterstützen wir die Forderung nach einer derzeit als Finanzfazilität für Klimaschäden bezeichneten institutionellen Struktur, um zukünftig und langfristig zusätzliche Mittel für die Bewältigung von Klimaschäden unter dem Dach der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) bereitzustellen. Die besonders verletzlichen Länder sollten im Mittelpunkt stehen.

Zwar gibt es bereits Institutionen, die Beiträge zu dieser Bewältigung leisten könnten, aber die sind entweder jetzt schon chronisch unterfinanziert – wie z.B. die humanitäre Hilfe im Katastrophenfall, die auch eher auf sehr kurzfristige Bewältigung ausgelegt ist – oder sie sind sehr stark aus einer anderen Logik heraus konzipiert worden, wie z.B. der Grüne Klimafonds. Dort einfach das Thema Klimaschäden „draufzusetzen“ ist fragwürdig und könnte leicht zur Umwidmung von dringend notwendigem Geld für Klimaanpassung führen.

Wir sehen bei den Industriestaaten zumindest ein wachsendes Verständnis, dass es nicht mehr reicht, immer nur auf die Anpassungsfinanzierung zu verweisen, sondern, dass auch bei Klimaschäden mehr passieren muss. Sowohl die USA als auch die EU scheinen jetzt nicht mehr einem COP-Agendapunkt zu funding arrangements on loss and damage im Weg zu stehen – dies könnte zumindest den Einstieg in eine ernsthafte Debatte markieren. Aber es bedarf auf jeden Fall weiter großen öffentlichen Drucks, um hier wirklich zu substantiellen Fortschritten zu kommen.“

Für die Zeit nach 2025 solle es ein neuen Klimafinanzierungsziel geben. Wie schätzen Sie den Stand der Verhandlungen dazu ein?

„Grundsätzlich hat das Paris-Abkommen festgelegt, dass dieses neue Klimafinanzierungsziel auf den bisherigen Erfahrungen aufbauen soll und im Kern weiterhin die Industrieländer in der Verpflichtung stehen, Klimafinanzierung bereitzustellen. Der Verhandlungsprozess zu dem neuen Ziel ist aber erst durch die COP26 offiziell gestartet worden und zielt im Grunde darauf ab, das Ziel mit seinen verschiedenen Elementen bis 2024 zu beschließen. Damit könnten auch Ergebnisse der globalen Bestandsaufnahme, die Ende 2023 abgeschlossen sein soll, einbezogen werden. Es ist also noch durchaus Zeit.

Von der COP27 erwarte ich mir einen weiteren Austausch und eventuell schon eine stärkere Struktur für die Verhandlungen danach, aus welchen Elementen das Ziel bestehen könnte. Aus unserer Sicht machen z.B. durchaus differenzierte Unterziele für Minderung, Anpassung und auch Loss and Damage Sinn, auch hinsichtlich der Instrumente – denn Zuschüsse (im Gegensatz zu verbilligten Krediten) spielen bei Anpassung und der Bewältigung von Klimaschäden der ärmsten Bevölkerung eine gewichtigere Rolle als bei Minderung.“


Sven Harmeling ist Klimapolitischer Leiter unserer Mitgliedsorganisation CARE und Sprecher der VENRO-AG Klimawandel und Entwicklung.