Politik

„Für die Bildungsarbeit fehlt es hinten und vorne an den nötigen Mitteln“

Das neue UNESCO-Programm „BNE 2030“ setzt die Leitplanken, wie Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) bis 2030 umgesetzt werden soll. Im Interview spricht Chris Boppel, Vorstandsmitglied von VENRO, über die Inhalte des Programms und die Anforderungen, die sich daraus für die Politik ergeben.

Warum ist entwicklungspolitische Bildung für die Gestaltung einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft so wichtig?

Gesellschaftlicher Wandel kann nur gelingen, wenn alle Menschen mitgenommen und an der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft beteiligt werden. Ohne Bildung geht das nicht. Entwicklungspolitische Bildung informiert Menschen über globale Krisen, Ungleichheiten und Herausforderungen. Sie motiviert sie, sich für eine gerechte Weltgestaltung einzusetzen und zeigt ihnen ganz konkrete Möglichkeiten auf, ihren eigenen Beitrag zu leisten. Damit trägt die entwicklungspolitische Bildungsarbeit zur Erreichung aller Nachhaltigkeitsziele im Sinne der Agenda 2030 bei. Auch die UNESCO unterstreicht in ihrem neuen Programm „BNE 2030“ diese Schlüsselrolle nachdrücklich.

Welche Neuerungen beinhaltet das UNESCO-Programm „BNE 2030“?

Das neue UNESCO-Programm „BNE 2030“ gibt Empfehlungen dafür, welche Schwerpunkte die UNESCO-Mitgliedstaaten in den nächsten zehn Jahren setzen müssen, damit entwicklungspolitische Bildung umgesetzt und sie ihrer Schlüsselrolle gerecht werden kann. Es betont insbesondere die Bedeutung der Sektor-übergreifenden Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft und fordert von den Mitgliedstaaten eine ganzheitliche Herangehensweise, die bildungspolitische und nachhaltigkeitspolitische Strategien zusammendenkt. Auch dass die UNESCO einen transformativen Bildungsansatz unterstützt, ist unbedingt zu begrüßen.

Was bedeutet das konkret?

Konkret bedeutet das, Bildung weiter zu denken, Raum für Selbsterfahrung und -entfaltung, für Gemeinschaftsbildung zu schaffen, aktuelle Lernkonzepte und Bildungssettings kritisch zu hinterfragen und zu reformieren. In manchen Aspekten könnte das Programm dennoch durchaus mutiger sein. So stellt das Programm Wirtschaftswachstum nicht grundsätzlich in Frage, sondern es geht allein darum, Wege zu finden, es nachhaltig zu gestalten. Nun kommt es vor allem drauf an, wie das Programm in den UNESCO-Mitgliedsstaaten angenommen und umgesetzt wird.

Welche Verpflichtungen ergeben sich aus dem Programm für die Bundesregierung?

Die Bundesregierung hat sich deutlich zur Umsetzung des neuen UNESCO-Programms bekannt. Nun müssen diesen Bekundungen auch Taten folgen. Das bedeutet in erster Linie, die an der Umsetzung beteiligten Akteur_innen aus Zivilgesellschaft und Bildungseinrichtungen auf Ebene von Bund, Ländern und Kommunen dabei zu unterstützen, ihre Bildungsarbeit effektiv umsetzen zu können. Das kann zum Beispiel dadurch gelingen, dass entsprechende Lehrpläne entwickelt werden, um entwicklungspolitische Bildung strukturell im Bildungssystem zu verankern. Nicht zuletzt müssen natürlich auch die finanziellen Mittel bereitgestellt werden, um Bildungsangebote zu ermöglichen.

Reichen die aktuell eingeplanten Haushaltsmittel aus, um diesen Verpflichtungen gerecht zu werden?

Die Bereitschaft der Zivilgesellschaft, Bildungsangebote umzusetzen, ist groß. Aber es fehlt hinten und vorne an den nötigen finanziellen Mitteln. Wir sehen seit Jahren eine Überzeichnung des Förderprogramms entwicklungspolitische Bildung des BMZ, aus dem zivilgesellschaftliche Organisationen Bildungsangebote finanzieren können. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die finanziellen Mittel nicht ausreichen. Dass die Mittel im kommenden Jahr um fast 25 Prozent gekürzt werden sollen, ist angesichts der Verpflichtung der Bundesregierung zum neuen UNESCO-Programm nicht zu akzeptieren. Der Fördertitel muss stattdessen dringend aufgestockt werden. Langfristiges Ziel sollte sein, drei Prozent der Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (ODA) für entwicklungspolitische Bildungsarbeit aufzuwenden. So empfiehlt es das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP. Zum Vergleich: im Jahr 2019 wurden lediglich 0,74 Prozent der ODA für entwicklungspolitische Bildung verwandt. Hier besteht dringender Bedarf zur Nachbesserung.

Welcher Satz sollte unbedingt im Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung stehen?

Die entwicklungspolitische Bildungs- und Inlandsarbeit ist eine tragende Säule der Entwicklungspolitik. Der Haushaltsansatz für deren Förderung wird – der Bedeutung und dem Bedarf entsprechend – deutlich angehoben.