Politik

Gesundheitsfinanzierung: Nach 23 Jahren bedarf es einer neuen Finanzierungsempfehlung

Ein Mädchen wird in Mali geimpft.

Als Menschenrecht ist Gesundheit elementar für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung. Viele Länder verfügen jedoch nicht über ausreichende Finanzmittel für resiliente Gesundheitssysteme. Die im Jahr 2001 festgelegte Zielmarke für eine solidarische internationale Gesundheitsfinanzierung ist mittlerweile veraltet – Zeit für eine Neuberechnung.

Die Bedeutung von Gesundheit als treibende Kraft für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung ist unumstritten. Gesundheit ist nicht nur das Ziel, sondern auch die Voraussetzung und der Indikator für eine prosperierende Gesellschaft. Nationalstaaten stehen daher in der Verantwortung, allen ihren Bürger_innen eine hochwertige Gesundheitsversorgung ohne finanzielle Hürden zu gewährleisten.

Parallel dazu führen Fortschritte in Bezug auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung erwiesenermaßen zu besseren ökonomischen Ergebnissen, wie beispielsweise einer steigenden Wirtschaftskraft. Folglich sollten Gesundheitsausgaben auch als wichtige finanzielle Investition betrachtet werden. Zudem hat die COVID-19-Pandemie eindrücklich gezeigt, dass ein gut funktionierendes Gesundheitssystem in der Lage ist, effektiver auf Krisen und externe Schocks zu reagieren.

Eine Vielzahl an Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen verfügt jedoch nicht über die nötigen Mittel, um adäquate Gesundheitsdienste zu finanzieren. Berechnungen zeigen, dass dies auch dann der Fall bleibt, wenn diese Staaten sowohl ihre Steuereinnahmen als auch ihre öffentlichen Gesundheitsausgaben enorm steigern würden.

COVID-19-Ausbruch führte zu schwerwiegender Doppelbelastung

Während diese Problematik bereits vor der Pandemie gegeben war, hat sie sich durch den weltweiten Ausbruch von SARS-CoV-2 noch verstärkt. Insbesondere hat die Gesundheitskrise schwerwiegende Schäden an den Gesundheitssystemen bewirkt und gleichzeitig eine massive Verschuldung verursacht, da Regierungen fiskalische Maßnahmen ergriffen haben, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abzufedern. Diese Doppelbelastung hat zu einer alarmierenden Zunahme der Schuldenquoten geführt und den Druck zur Schuldentilgung intensiviert. Weil die aktuelle globale Wirtschafts- und Finanzlage von sehr hohen Inflationsraten und sich verschlechternden makroökonomischen Bedingungen geprägt ist, wird diese Problemstellung zusätzlich verschärft.

Dabei wurde bereits im Jahr 2001 eine Zielmarke für eine solidarische internationale Gesundheitsfinanzierung festgelegt – angesichts der Tatsache, dass viele Länder nicht über ausreichende Finanzmittel verfügen, um ihren Bürgern angemessene Gesundheitsdienste bereitzustellen. Diese Marke wurde mit Blick auf die Erreichung der gesundheitsbezogenen Millennium-Entwicklungsziele von einer Kommission der Weltgesundheitsorganisation errechnet. Ihr Ziel war es, dass die Mitgliedsländer des Entwicklungskomitees der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD-DAC-Länder) 0,1 Prozent ihrer jährlichen nationalen Wirtschaftsleistung für die Förderung der Gesundheit in Entwicklungsländern bereitstellen sollten.

0,1-Prozent Empfehlung: Es braucht ein neues Zielniveau

Allerdings ist diese sogenannte 0,1-Prozent-Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation 23 Jahre nach ihrer Formulierung veraltet und nicht an gegenwärtige Gegebenheiten angepasst. Denn weder die COVID-19-Pandemie und ihre Folgen noch die seit dem Jahr 2015 existierenden Nachhaltigen Entwicklungsziele konnten damals berücksichtigt werden.

Da der internationale Gesundheitsnotstand im Mai vergangenen Jahres für beendet erklärt wurde, ist es jetzt an der Zeit, das Momentum zu nutzen und der Weltgesundheitsorganisation das Mandat für eine Neuberechnung der 0,1-Prozent-Empfehlung zu übertragen. Zudem sollte diese Empfehlung idealerweise auf UN-Ebene fest verankert werden, um sicherzustellen, dass das neu berechnete Zielniveau von allen relevanten Nationalstaaten konsequent umgesetzt wird. Dies wäre der wirkungsvollste Weg, damit sowohl das gesundheitsbezogene Nachhaltigkeitsziel als auch eine robuste Resilienz gegen zukünftige Pandemien weltweit erreicht werden.

Langfristig sollte die ermittelte Höhe der Finanzierungsempfehlung regelmäßig überprüft und an die globalen Entwicklungen angepasst werden. Dieser Prozess sollte durch ein systematisches, umfassendes Monitoring begleitet werden, das eine weitreichende Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure vorsieht.

Gelder müssen wirksam eingesetzt werden

In diesem Zusammenhang ist es jedoch nicht nur wichtig, dass die Gesamthöhe der neuberechneten Finanzierungsempfehlung erreicht wird, sondern auch, dass die Gelder effektiv und effizient eingesetzt werden. Im Fokus sollte die Förderung multilateraler Mechanismen stehen, um den Empfängerländern eine wirksame Beteiligung an der Festlegung der Ziele für die Verwendung der Mittel zu ermöglichen. Außerdem sollten in erster Linie Zuschüsse anstelle von zinsbasierten Darlehen verwendet werden, sodass die bereits gravierende Schuldenproblematik der öffentlichen Haushalte von Staaten mit niedrigem oder mittleren Einkommensniveau nicht zusätzlich befeuert wird.

Zudem muss das Prinzip “Niemanden zurücklassen” (Leave no one behind) konsequent umgesetzt werden, indem jegliche Formen von Diskriminierung vermieden werden und für alle Menschen zugängliche öffentliche Gesundheitssysteme Vorrang vor privaten Lösungen haben.