Lokale und nationale Organisationen gewinnen in der Humanitären Hilfe zunehmend an Bedeutung: Oftmals sind sie die ersten, die nach einer Naturkatastrophe vor Ort sind oder die in Krisengebieten die lokalen Gegebenheiten am besten kennen. Mit einer Reihe von Initiativen will die internationale Gemeinschaft diese Akteure nun fördern.
Seit dem Humanitären Weltgipfel (World Humanitarian Summit, WHS) im Mai 2016, bei dem eine Vielzahl an verschiedenen Prozessen und Initiativen zur Verbesserung der Humanitären Hilfe angestoßen wurde, richtet sich der Fokus der internationalen Gemeinschaft zunehmend auf die Rolle lokaler und nationaler Akteure in der Humanitären Hilfe. Durch Selbstverpflichtungen und Initiativen wie dem Grand Bargain oder der Charter for Change zielen Regierungen, internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen (NRO) und weitere Akteure darauf ab, lokale und nationale humanitäre Organisationen zu stärken.
Was beinhalten diese Initiativen?
Während und nach dem WHS haben sich humanitäre Akteure zu einer Reihe von Commitments verpflichtet, die eine Verbesserung der Humanitären Hilfe in den nächsten Jahren bewirken sollen. Hier konnten sich die Akteure 32 Core Commitments anschließen oder eigene Selbstverpflichtungen einreichen.
Die Stärkung von lokalen humanitären Akteuren wird auch im Grand Bargain, einer Initiative, die aus dem WHS hervorgegangen ist, thematisiert. In zehn Workstreams arbeiten Beteiligte daran, die Humanitäre Hilfe zu reformieren, beispielsweise in den Bereichen Entbürokratisierung, Transparenz oder mehrjährige Finanzierung von Humanitärer Hilfe. Mit dem Grand Bargain verpflichten sich Geber und internationale NRO außerdem, Humanitäre Hilfe so lokal wie möglich zu gestalten und bis zum Jahr 2020 25 Prozent der humanitären Finanzierung an lokale und nationale Akteure „so direkt wie möglich“ zu vergeben.
Die Charter for Change ist eine Initiative, die speziell auf die Lokalisierung von Humanitärer Hilfe ausgerichtet ist. Mit ihr verpflichten sich internationale und deutsche NRO unter anderem dazu, 20 Prozent ihrer Mittel an nationale Akteure bis 2018 weiterzugeben, die Finanzierung an nationale NRO transparent darzustellen und die Wichtigkeit von nationalen Akteuren gegenüber humanitären Gebern zu verdeutlichen.
Was genau bedeutet Lokalisierung?
Lokalisierung hat das Ziel, lokale und nationale Akteure in der Humanitären Hilfe (first responder) zu stärken. Hierunter fällt vor allem die Optimierung der Fähigkeiten der lokalen Selbsthilfeorganisationen, NRO oder Gemeindeverwaltungen, um effizient auf Krisen oder Katastrophen zu reagieren, Projekte unabhängig von internationalen Organisationen und NRO zu planen und durchzuführen sowie die finanzielle Unabhängigkeit von selbigen zu erhöhen.
Dies kann beispielsweise durch Trainings oder Fortbildungen zu fachspezifischen oder organisationsrelevanten Themen erreicht werden. Genauso wichtig ist es, die Dialogfähigkeit der lokalen NRO zu festigen, beispielsweise durch den Austausch mit anderen Organisationen.
Das Thema Lokalisierung wurde in vielen Commitments aufgegriffen, so beispielsweise im Core Commitment: „…to support and invest in local, national and regional leadership, capacity strengthening and response systems…” oder “Commit to empower national and local humanitarian action by increasing the share of financing accessible to local and national humanitarian actors and supporting the enhancement of their national delivery systems, capacities and preparedness planning.”
Anhand des Grand Bargain und der Charter for Change wird ebenfalls deutlich, dass bei der Stärkung lokaler und nationaler Akteure auch das Thema Finanzierung eine wichtige Rolle spielt. Oft sind es internationale NRO, die die Mittel von den Gebern erhalten und diese dann in Form von Partnerschaften mit lokalen und nationalen NRO an diese weitergeben. Um die lokalen und nationalen Akteure finanziell zu stärken, sollen zukünftig mehr Mittel direkt an diese weitergeleitet werden.
Wer sind lokale Akteure?
Das Humanitarian Financing Task Team des Inter-Agency Standing Committee definiert nationale NRO als Organisationen, die ihre Geschäftsstelle in einem Empfängerland von Humanitärer Hilfe haben und in verschiedenen Gegenden des Landes aktiv sind. Diese sind nicht an internationale NRO angegliedert. Auf lokale NRO trifft dieselbe Definition zu, nur dass diese in einer bestimmten Region des Landes arbeiten und zusätzlich nicht an nationale NRO angeschlossen sind. Zu lokalen und nationalen Akteuren zählen neben den lokalen und nationalen NRO außerdem Rotkreuz-/Roter Halbmond- Gesellschaften und nationale Regierungen.
Fazit
Nach dem WHS hat das Thema Lokalisierung von Humanitärer Hilfe zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Stärkung von lokalen und nationalen Akteuren wird auch in ihrer besonderen Rolle deutlich: Als sogenannte first responder sind sie oft die ersten, die nach Naturkatastrophen vor Ort sind oder die lokale Gegebenheiten im Krisenkontext am besten kennen.
Die Initiativen und Prozesse im Rahmen des WHS sind ein wichtiger Schritt, um die Kapazitäten und finanziellen Möglichkeiten der lokalen und nationalen Partner, hoffentlich auch langfristig über die Humanitäre Hilfe hinausgehend, zu stärken. Gleichzeitig steigt mit den finanziellen Mitteln allerdings der Druck der Geberregierungen, immer größere Projekte umzusetzen. Hier entsteht ein Spannungsverhältnis zum eigentlichen Ziel der Lokalisierung, die Vielfalt lokaler Initiativen und Akteure zu erhöhen.
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Karoline Krähling | VENRO |