Politik

Menschenrechte umsetzen: Internationale Verträge gelten auch für die EU!

Menschenrechte sind der Inbegriff europäischer Werte. Doch fehlt der Europäischen Union teilweise die Konsequenz, sie bis ins letzte Detail umzusetzen. Wenn am 26. Mai ein neues Parlament gewählt wird, ist das die Chance für die EU-Bürger_innen, zum Ausdruck zu bringen, wie wichtig ihnen die Menschenrechte sind. 

Die explizite Menschenrechtsorientierung der europäischen Entwicklungszusammenarbeit ergibt sich unmittelbar aus dem Lissabon-Vertrag und der Grundrechtecharta. Darüber hinaus hat die Europäische Union (EU) die Behindertenrechts- und die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) ratifiziert. Alle ihre Mitgliedstaaten haben zudem die UN-Frauenrechtskonvention unterzeichnet. Darüber hinaus gehören die Rechte von älteren Menschen und der Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intersexuellen (LSBTI-) Menschen zu den Grundwerten der EU. Dies alles ist aber nur genauso viel Wert, wie deren Umsetzung aktiv betrieben wird.

Teilweise werden Grund- und Menschenrechte in der EU und in den Ländern des Globalen Südens jedoch wenig beachtet. Menschen sind Diskriminierung, Schutzlosigkeit und Gewalt ausgesetzt. Die EU bleibt teilweise hinter den eigens formulierten Ansprüchen zurück:

Geschlechtergerechtigkeit im auswärtigen Handeln der EU

Papier ist geduldig, Menschen selten. Mit dem Genderaktionsplan verfügt die EU über ein starkes Instrument zur Stärkung von Geschlechtergerechtigkeit – zumindest in der Theorie. Gut ist, dass sich die Reichweite des Aktionsplans auf viele Bereiche des auswärtigen Handelns erstreckt. Aber was heißt dies in der Praxis? Zwischenergebnisse unseres europäischen Dachverbandes CONCORD zeigen, dass der Genderaktionsplan de facto nur geringe Wirkungen auf Politikbereiche wie Handel, Energie und Migration hat. Außerdem scheint die EU beim Monitoring bislang eher darauf zu achten, einzelne Aktivitäten mit Gender-Bezug zu zählen, als deren Wirkung und damit qualitativen Wert zu messen. Wir erwarten mit Ungeduld Nachbesserungen.

Menschen mit Behinderungen nicht zurücklassen

Der Bericht zur Entwicklungspolitik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2018 hat eine Kernaussage: Es braucht eine entschlossene Kursänderung, um den Verpflichtungen der Agenda 2030 im Hinblick auf das Prinzip Leave no one behind nachzukommen. Eine Fokussierung auf die „Zurückgelassenen“ sei notwendig. Im Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik verpflichtet sich die EU zur inklusiven Umsetzung der Agenda 2030. Das ist eine gute Startposition, um zu handeln.

Es geht um viel, denn es geht um viele: Kinder

Rund 3,1 Milliarden Menschen weltweit sind jünger als 25 Jahre. Die Mehrheit lebt in Ländern des Globalen Südens. Hier stellen Kinder und Jugendliche die Mehrheit der Bevölkerung. Ihre Rechte werden aber in zentralen Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Bewahrung der Umwelt ungenügend berücksichtigt. Oft werden Kinder zu Opfern von Gewalt im häuslichen Umfeld sowie im Kontext von Krisen und Konflikten.

Menschenrechte im Querschnitt verankern

Das Europäische Parlament ist die einzige direkt gewählte EU-Institution. Über die Zusammensetzung entscheiden demnach allein die Bürger_innen. Das Wahlergebnis wird darüber mitentscheiden, wie die EU in Zukunft ihre Politik u.a. in den Feldern Handel, Energie und Migration gestaltet. Hieraus ergeben sich direkte Auswirkungen auf die Menschen in Ländern des Globalen Südens. Die EU muss die Menschenrechte daher bis zu diesem Punkt mitdenken und umsetzen.

Unsere Forderung

Viele Menschen im Globalen Süden kommen mit der Arbeit der Institutionen und Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Berührung. Zusammen sind sie der weltweit größte Geber in der Entwicklungszusammenarbeit. Damit ist der Anspruch an ihre Arbeit hoch. Und mehr noch: Das Potential der guten Wirkungen ist riesig, insofern sie die Menschenrechte konsequent umsetzen. Vor diesem Hintergrund fordert VENRO:

Die EU muss die Belange von Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderungen und LSBTI-Menschen in der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe als Querschnittsthema umsetzen.

Dazu müssen wirkungsvolle Überprüfungsmechanismen installiert werden bzw. verstärkt genutzt werden. Das neue Instrument für „Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit“ im Finanzrahmen 2021–2027 muss entsprechend gestaltet werden. Insgesamt ist eine adäquate Finanzierung in allen EU-Instrumenten erforderlich.


Die Europawahl am 26. Mai 2019 spielt für für die Umsetzung der Agenda 2030 und die Förderung nachhaltiger Entwicklung eine wichtige Rolle. Ob Armutsbekämpfung, die Ausgestaltung einer gerechten Handelspolitik oder Klimaschutz – all diese Ziele müssen von der Europäischen Union auch in der kommenden Legislaturperiode konsequent verfolgt werden. Unsere Erwartungen an die künftigen Mitglieder des Europäischen Parlaments haben wir in unserem Positionspapier zur Europawahl formuliert. Daran anknüpfend legen wir in einer Serie von Blogartikeln unsere Forderungen für ein nachhaltiges, faires und solidarisches Europa dar.