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Neues BMZ-Bildungskonzept: Gutes Signal mit Schwachstellen

Das überarbeitete Bildungskonzept des BMZ umfasst grundlegende Änderungen für die entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit. Zwar weist das Konzept positiv hervorzuhebende Neuerungen auf, wird der Realität der Bildungspraxis jedoch stellenweise nicht gerecht.

Im Konzept „Entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit“ definiert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sein Verständnis der entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit. Das bisher geltende Konzept 159 aus dem Jahr 2008 war seit langem in vielen Bereichen nicht mehr zeitgemäß und bedurfte der Überarbeitung. Folglich hat das BMZ eine grundlegende Aktualisierung vorgenommen und am 30. August 2021 veröffentlicht. Das aktualisierte Konzept stellt weiterhin „die Grundlage für die entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit des BMZ und der aus Mitteln des BMZ unterstützten Maßnahmen, Aktivitäten und Programme“ dar. Es bildet u.a. den Rahmen für das Förderprogramm entwicklungspolitische Bildungsarbeit (FEB) und ist für die zivilgesellschaftliche Bildungs- und Förderpraxis von zentraler Bedeutung.

Im Rahmen eines Stakeholder-Prozesses in Form einer gemeinsamen Stellungnahme entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen und Expert_innen und mehreren Austauschgesprächen mit dem BMZ haben u.a. VENRO und die agl als entwicklungspolitische Dachverbände an der Aktualisierung mitgewirkt und Änderungsforderungen eingebracht.

Bildung als zentraler Schlüssel zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele

Mit der Aufnahme der Agenda 2030 und des neuen UNESCO-Programms „BNE 2030“ als politische Referenzrahmen unterstreicht das BMZ die Bedeutung der entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit als zentralem Schlüssel zur Erreichung einer nachhaltigen Zukunft im Sinne der 17 Globalen Nachhaltigkeitsziele und einer sozial-ökologischen Transformation unserer Welt. Agl und VENRO begrüßen außerdem die Erweiterung der im Konzept genannten Zielgruppen der entwicklungspolitischen Bildung, u.a. um migrantische Selbstorganisationen und (angehende) Lehrkräfte und Dozent_innen. Dies wurde von uns im Aktualisierungsprozess gefordert.

Eine weitere wichtige Neuerung wird zudem bei den methodisch-didaktischen Mitteln eröffnet: Von nun an werden auch kulturelle As­pekte als thematische und didaktische Ansatzpunkte innerhalb von Bildungsveranstaltungen und als Instrumente der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit definiert. Das BMZ erkennt damit endlich an, dass Musik, Theater, bildende Kunst, Tanz etc. geeignete und wichtige pädagogische Elemente der Kompetenzentwicklung auch im Bereich der entwicklungspolitischen Bildung sind. Dafür hatten sich auch die zivilgesellschaftlichen Akteur_innen eingesetzt.

Das BMZ stärkt mit dem aktualisierten Konzept die Bedeutung der entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit in der Entwicklungspolitik und darüber hinaus. Dennoch weist das neue Konzept aus Sicht von VENRO und der agl nach wie vor Schwachstellen auf und wird der Realität der Bildungspraxis stellenweise nicht gerecht.

Politische Veränderungesprozesse werden außer Acht gelassen

Entgegen unserer Forderungen wurden die Fördermöglichkeiten nicht im Sinne der Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und Kooperation in der Bildungsarbeit ausgebaut. Der direkte Austausch zwischen Menschen, insbesondere aus dem Globalen Norden und Süden, stellt in der Bildungsarbeit ein zentrales Mittel dar und sollte sich in den Förderregularien beispielsweise durch die Übernahme von internationalen Reisekosten oder von Honoraren für Referent_innen außerhalb Deutschlands widerspiegeln.

Aus Sicht von VENRO und der agl ist es besonders bedauernswert, dass in dem Konzept politische Veränderungsprozesse als Ziel der Informations- und Bildungsarbeit vollständig ausgeklammert werden. Zwar erkennt das BMZ die notwendige Transformation an und betont, dass ein umfassender gesellschaftlicher Wandel zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele erforderlich ist, jedoch werden die Veränderungsprozesse sehr stark auf individueller Ebene der Bürger_innen verortet und ausschließlich auf soziale, wirtschaftliche und ökologische Bereiche ausgerichtet. Eine Befähigung der Menschen zu mehr politischer Partizipation und dazu, politische Veränderungen auf struktureller Ebene anzustoßen, wird leider nicht erwähnt.

Wichtigen globalen Themen fehlt die klare Anerkennung

Gerade mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen und Diskurse und einem Verständnis von entwicklungspolitischer Bildung als Bildung für die Weltgesellschaft bewerten wir es als negativ, dass Bildungsarbeit zu Diskriminierungssensibilität, Antirassismus, Postkolonialen Kontinuitäten sowie Aufklärung gegen Rechtsextremismus nicht explizit als Kontext und Teil entwicklungspolitischer Bildung benannt wird. Eine zeitgemäße Entwicklungspolitik und eine kritische entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit muss sich mit diesen Themen auseinandersetzen. Sie muss Kompetenzen im Sinne einer nachhaltigen, toleranten, weltoffenen und demokratischen Entwicklung und dem Verständnis globaler Zusammenhänge und Entwicklungen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fördern.

So sind beispielsweise die kritische Reflexion und der Abbau von rassistischen Stereotypen und Vorurteilen innerhalb der Bevölkerung sowie das Entgegenwirken gegen kolonial-gewachsene Strukturen für ein Handeln in globaler Verantwortung unabdingbar. Hier hätten wir uns eine explizite Hervorhebung und eine klare Anerkennung der Themenfelder seitens des BMZ gewünscht.

Nicht erreichte Forderungen bleiben auch in Zukunft im Fokus

Auch das aktualisierte Konzept stellt eine wichtige Referenz und Grundlage für die Förderung entwicklungspolitischer Inlandsarbeit durch das BMZ und damit auch seiner Durchführungsorganisation Engagement Global dar: Zivilgesellschaftliche Akteure und NGOs, die Fördermittel vom BMZ erhalten, müssen sich somit konsequenterweise an den inhaltlichen Vorgaben des Konzepts ausrichten. Auch wenn wir positiv hervorzuhebende Änderungen im Vergleich zum vorherigen Konzept sehen, werden VENRO und die agl weiterhin im Dialog mit dem BMZ bleiben und auf bisher noch nicht erreichte Forderungen hinwirken.

Das aktualisierte BMZ-Konzept finden Sie hier.


Dieser Blogbeitrag wurde mit der Unterstützung von Manuel Blendin (agl, Bundeskoordination Globales Lernen), Gundula Büker (VENRO AG Bildung Lokal/Global), Lara Fedorchenko (VENRO, Referentin im Bereich Stärkung der Zivilgesellschaft) und Imke Häusler (VENRO AG Bildung Lokal/Global) verfasst. Der Artikel ist in ähnlicher Form auch in der Zeitschrift ZEP – Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik erschienen.