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Positionspapier zur Wirkungsorientierung: Was wir fordern und warum

Für eine wirksame entwicklungspolitische Projektarbeit und Humanitäre Hilfe müssen NRO flexibel reagieren. In einem neuen Positionspapier fassen wir wichtige Lernerkenntnisse der wirkungsorientierten Arbeitspraxis unserer Mitgliedsorganisationen zusammen und formulieren zentrale Empfehlungen an die Politik.

Das neue Positionspapier Von der Wirkungsbeobachtung zur Wirkungsorientierung – Für eine wirksame Programmarbeit und Humanitäre Hilfe fasst die Erfahrungen der Mitgliedsorganisationen von VENRO mit der Ausrichtung ihrer Arbeit auf die Wirkungsorientierung zusammen. Es richtet sich sowohl an Nichtregierungsorganisationen (NRO) als auch an Geberinstitutionen, insbesondere an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Auswärtige Amt, da diese die Arbeit von NRO mit Fördermitteln unterstützen.

Was wir fordern:

  1. Flexibilität erhöhen und Veränderungen zur Norm machen
  2. Langfristige Projekte ermöglichen
  3. Partnerschaftliche und partizipative Ansätze in den Vordergrund stellen
  4. Weiterbildung stärken und Wissen ausbauen
  5. Digitalisierung verantwortungsvoll nutzen
  6. Zivilgesellschaftliche Handlungsräume berücksichtigen

 

Warum wir diese Forderungen stellen:

1. Flexibilität erhöhen und Veränderungen zur Norm machen

Häufig stellen NRO in Nord und Süd während der Projektlaufzeit mithilfe des Wirkungsmonitorings fest, dass sie mit ihren ursprünglichen Planungen nicht ans Ziel kommen. Für die Verantwortlichen bedeutet dies, dass sie anfänglich geplante und bereits beschrittene Wege zur Zielerreichung verlassen oder verändern müssen.

Nach wie vor versäumen es NRO häufig, sich an die veränderten Umstände anzupassen. Erschwert wird die notwendige Flexibilität in NRO durch die oft starren Fördervorgaben der Geberinstitutionen. Lang andauernde Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse stehen dem Projekterfolg entgegen oder verzögern ihn. NRO sollten Strategiewechsel darlegen und begründen. Sie sollten jedoch nicht mit umständlichen und für alle Beteiligten zeitaufwändigen Beantragungsprozessen von Maßnahmen- und Strategieänderungen ausgebremst werden. Diese unflexible Handhabe führt in manchen Fällen dazu, dass die Geberinstitutionen zwar die vereinbarten Aktivitäten finanzieren, aber nicht die vereinbarten Wirkungen erhalten.

Forderung an das BMZ und das Auswärtige Amt:

VENRO fordert die Geberinstitutionen auf, mehr Flexibilität zuzulassen und die Projektziele in den Mittelpunkt der Förderung zu stellen. Die Geberinstitutionen müssen den Projektträger_innen die Entscheidungskompetenzen für Maßnahmen- und Strategieanpassungen, einschließlich der Budgetanpassung, übertragen.

 

2. Langfristige Projekte ermöglichen

Oft zielen NRO mit ihren Projekten darauf ab, nachhaltige Strukturen sowie Haltungs- und Verhaltensänderungen zu erreichen. Solche Veränderungen brauchen Zeit. Um langfristige Wirkungen bei den Zielgruppen zu erreichen und nachzuweisen, sind Langzeitpartnerschaften und längere Projektlaufzeiten beziehungsweise aufeinanderfolgende Projektphasen von bis zu zwölf Jahren notwendig. Es sollte daher möglich sein, mindestens zwei Folgeanträge von Projektbeginn an mitzudenken und einzuplanen. Auch die Wirkungsmatrix und der Wirkungshorizont sollten bereits zu Beginn an die zwölfjährige Projektlaufzeit angepasst werden.

Forderung an das BMZ und das Auswärtige Amt:

VENRO fordert die Geberinstitutionen auf, eine Förderung langfristiger Projekte zu ermöglichen.

 

3. Partnerschaftliche und partizipative Ansätze in den Vordergrund stellen

NRO bestärken ihre Partnerorganisationen im Süden darin, ein eigenes Verständnis von Wirkungsorientierung zu entwickeln und zu vertreten. Dabei hat es sich bewährt, dass die Zielgruppen ihre Vorstellungen von den Projektwirkungen selbst definieren und angeben, woran sie merken, dass die Wirkungen erreicht sind. Für Mitgliedsorganisationen von VENRO sind daher folgende Fragen essentiell: Wie sehen die Zielgruppen des Projekts die Wirkungen? Was verändert sich für sie? Und vor allem: Was wollen sie verändert haben?*

Ein vorgegebener Standardindikator kann im Widerspruch zum partizipativen Anspruch stehen und Teilhabe und Empowerment der Zielgruppen schwächen. Standardindikatoren vermitteln die Botschaft, dass die Geberinstitution oder die NRO wissen, welche Veränderungen für die Menschen vor Ort am besten sind. Das verstärkt das Machtungleichgewicht zwischen den Nord-NRO und ihren Partnerorganisationen. Ob NRO Standardindikatoren nutzen, müssen sie daher je nach Situation selbst entscheiden können.

Forderung an das BMZ und das Auswärtige Amt:

VENRO fordert von den Geberinstitutionen, dass sie von vorgegebenen Standardindikatoren in der Förderung absehen.

*Das Projekt NGO IDEAs hat beispielsweise mit Beteiligung von VENRO Instrumente entwickelt, um Wirkungen zu erfassen, die den partizipativen und offenen Werten der NRO entsprechen. Lesen Sie mehr dazu hier.

 

4. Weiterbildung stärken und Wissen ausbauen

Die Wirkungsorientierung in den NRO erfordert von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Partnerorganisationen die Bereitschaft zum kontinuierlichen Lernen. Sie müssen das Geschehen in den Projekten und in deren Umfeld einschätzen, angemessen auf Neuerungen reagieren und daraus Veränderungen ableiten können. Einerseits gestalten die Projektverantwortlichen mit ihren Planungen das Geschehen, andererseits werden sie durch das Geschehen zu neuen Planungen inspiriert. Nicht jeder Mitarbeitende einer NRO im Norden wie im Süden beherrscht diese Managementaufgaben. Um Wirkungsorientierung in ihren Organisationen umzusetzen, müssen NRO deshalb finanzielle und personelle Ressourcen für die Weiterbildung bereitstellen.

Nach Abschluss eines Projekts müssen NRO und ihre Partnerorganisationen im globalen Süden wissen, wie das Erreichte weiterwirkt. Dafür brauchen sie über das Projektende hinaus Zeit und Geld, um beispielsweise Ex-Post-Evaluierungen durchzuführen.

Forderung an das BMZ und das Auswärtige Amt:

VENRO fordert die Geberinstitutionen auf, das Personal der NRO in Deutschland, die eine wirkungsorientierte Projektbegleitung mit den Partnerorganisationen möglich machen, zu finanzieren. Dafür müssen die Geberinstitutionen die Weiterbildung und Stärkung der Kapazitäten deutscher NRO für die Wirkungsorientierung bei der Förderung berücksichtigen.

 

5. Ditalisierung verantwortungsvoll nutzen

Die Digitalisierung birgt für die Wirkungsorientierung Chancen und Risiken. Deutsche NRO können leichter mit den Partner_innen im globalen Süden kommunizieren. Sie können Informationen zu Projektaktivitäten schneller sammeln und weiterleiten. Über virtuelles Lernen können Partner_innen und Zielgruppen auf anderen Wegen als noch vor zehn Jahren erreicht werden. Mobile Anwendungen (Apps) können für das Monitoring genutzt werden. Alle Projektbeteiligten weltweit können mit den digital gesammelten Informationen gleichzeitig arbeiten.

Aber Software oder Datenprogramme nützen den NRO nur, wenn die Anwender_innen sie verstehen und sinnvoll einsetzen. VENRO beobachtet einen Trend zu standardisierten Datenerhebungen. Die erfassten Daten sind jedoch nur dann wertvoll und aussagekräftig, wenn sie umfassend im Kontext analysiert wurden.

Es ist absehbar, dass die Erhebung, Verarbeitung und Analyse der Daten in Zukunft vermehrt digital erfolgt. Dabei werden Algorithmen genutzt, deren Programmierung manchmal nicht nachvollziehbar ist. Es besteht die Gefahr, dass sie aufgrund bestimmter Vorannahmen diskriminierend sein können. Was diese Entwicklung für die Wirkungsorientierung bedeutet und welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Arbeitsweisen sowie die Projektentwicklung und -durchführung hat, ist noch nicht vollständig klar. Fest steht, dass sich NRO gemeinsam mit anderen entwicklungspolitischen Akteur_innen damit auseinandersetzen müssen, um negativen Effekten in der Projektarbeit möglichst entgegenzuwirken.

Forderungen an das BMZ und das Auswärtige Amt:

1. Bei der digitalen Datenverarbeitung und dem Datenmanagement müssen Persönlichkeits- und Menschenrechte geachtet werden. VENRO fordert das BMZ und AA auf, hierüber in den Dialog mit der deutschen Zivilgesellschaft zu treten. Die menschenrechtlichen Risiken der digitalen Datenverarbeitung und des Datenmanagements und Lösungswege für die Projektarbeit sollten gemeinsam diskutiert werden.

2. NRO müssen finanziell unterstützt werden, um die Potentiale der Digitalisierung in ihrer Arbeit nutzen zu können.

 

6. Zivilgesellschaftliche Handlungsräume berücksichtigen

Eingeschränkte Handlungsräume erschweren die Wirkungsorientierung. Gemeinsame Projektplanungen und Evaluierungen können bisweilen nur verklausuliert durchgeführt werden, da die Mitarbeitenden in den Partnerorganisationen nicht offen über Menschenrechte und deren Verletzungen sprechen können. Viele Projekte können nicht wie geplant umgesetzt werden und zunehmend müssen Partnerorganisationen dazu übergehen, insbesondere solche Projekte, die sich für politische Veränderungen einsetzen, in anderen Maßnahmen zu verstecken. Deutsche NRO müssen die Risiken, die ihre Partner_innen für sich und andere mit den Projektaktivitäten eingehen, analysieren und die Sicherheit der Menschen in den Vordergrund stellen.

Forderung an das BMZ und das Auswärtige Amt:

VENRO fordert, dass die Geberinstitutionen die beschränkten Handlungsspielräume und deren Auswirkungen auf die wirkungsorientierte Arbeitsweise anerkennen. Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft müssen Lösungen gefunden werden, die die Förderung von politisch aktiven NRO in diesen Kontexten weiterhin möglich machen.


Das Positionspapier Von der Wirkungsbeobachtung zur Wirkungsorientierung – Für eine wirksame Programmarbeit und Humanitäre Hilfe finden Sie zum Download auf der VENRO-Webseite.

Die englische Version des Positionspapiers können Sie hier herunterladen.