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„Das ganze Jahr hat mir einen Schub nach vorne gegeben“

Auf der Abschlussveranstaltung des Mentoring-Programms. Für das Foto durften die Masken abgenommen werden.

Mit dem Mentoring-Programm für weibliche Nachwuchs- und Führungskräfte verfolgt VENRO das Ziel, die Förderung von Frauen bei seinen Mitgliedorganisationen zu unterstützen. Die zweite Auflage des Programms ging nun in die letzte Runde – und endete mit durchweg positivem Feedback auf der Abschlussveranstaltung.

Am 28. Juni fand in Bonn die Abschlussveranstaltung des Mentoring-Programms für Mitarbeiter_innen von VENRO-Mitgliedsorganisationen mit ersten Führungserfahrungen statt. Zum Abschluss des zehnmonatigen Programms trafen sich neun Mentees und sechs Mentor_innen in den schönen Räumen der Welthungerhilfe in Bonn zum ersten Mal zusammen in Präsenz; weitere zehn Mentees und Mentor*innen waren online dazugeschaltet.

Ziel des Programms ist es, FLINTA bzw. Frauen mit ersten Führungserfahrungen die Möglichkeit zu bieten, sich vertrauensvoll mit gestandenen Führungspersonen aus dem Kreis der VENRO-Mitglieder über berufliche Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten auszutauschen. Durch den so geschaffenen Raum hilft es den Teilnehmer_innen, gleichzeitig Klarheit über ihre Motivation und ihre Prioritäten zu bekommen. Außerdem boten verschiedene virtuelle Treffen für Mentees und Mentor_innen im Verlauf des Programms die Möglichkeit, sich in der jeweiligen Gruppe zu bestimmten Themen, wie z.B. zu unterschiedlichen Führungsmodellen, strukturellen Herausforderungen bei Nichtregierungsorganisationen (NRO) und der „gläsernen Decke“ auszutauschen und weiterzudenken.

Das Mentoring-Programm war bereits der zweite Durchlauf und startete am 14. September 2021 mit 16 Tandems, also 16 Mentees und 16 Mentor_innen. Darunter waren auch vier männliche Führungskräfte, die sich als Mentoren für das Programm gemeldet hatten.

Gesteckte Ziele wurden fast komplett erreicht

Eine erste Umfrage auf der Abschlussveranstaltung bestätigte die sehr positiven Rückmeldungen und eine sehr hohe Zielerreichung der Teilnehmenden: Mit Blick auf die gesteckten Ziele hatte diese alle vollständig oder fast vollständig erreicht.

In drei World Café-Runden trugen die Teilnehmenden abschließend zu verschiedenen Aspekten des Programms ihre Einschätzungen zusammen: „Mehrwert der Zusammenarbeit im Tandem“, „gläserne Decke und Möglichkeiten struktureller Veränderungen in Organisationen“ und „Erkenntnisse über Strukturen und Hürden in den eigenen Organisationen“. In Bezug auf die gläserne Decke waren sich die Teilnehmer_innen einig, dass es insbesondere wichtig ist, Führungskräfte zu sensibilisieren und sich selbst als Person sichtbarer zu zeigen. „Frauen müssen von untern an die Decke klopfen und das Licht einschalten!“ fasste es Dr. Julia Boger, Mentee und hauptamtlich für den World University Service tätig, zusammen.

Der Mehrwert der Zusammenarbeit in Tandems lag insbesondere darin, Reflexionsräume zu schaffen – auch für das eigene Führungsverhalten, so die Rückmeldung der Mentor_innen. Dazu braucht es nicht viel, nur einen regelmäßiger Jour fixe, um zu reflektieren: Wo bin ich unklar in meiner Kommunikation? Was sehe ich für strukturelle Herausforderungen in meiner Organisation, die Frauen benachteiligt?

Förderung weiblicher Führungskräfte bedarf Veränderung der Organisationskultur

Gerade in Bezug auf die strukturellen Hürden besteht Einvernehmen darüber, dass die Förderung von weiblichen Führungskräften einhergehen muss mit einer Veränderung der Organisationskultur. Die neuen Möglichkeiten des digitalen Arbeitens bieten zwar gerade für Frauen viel Flexibilität, birgen aber gerade für Frauen, die dies viel nutzen, auch das Risiko reduzierter Sichtbarkeit. Hier ist es wichtig, Netzwerke und Informationsflüsse, insbesondere für Teilzeitkräfte und Kolleg_innen im Homeoffice sicherzustellen. Mentorin Katja Carson (Fairtrade Deutschland) bekräftigte, wie wichtig es ist, alternative Netzwerkmöglichkeiten zu schaffen und z.B. den Informationsfluss über den „Flurfunk“ ins Digitale zu übertragen.

Die Abschlussveranstaltung stand ganz im Zeichen von Vernetzung: auch in der Mittagspause gab es dazu viele Möglichkeiten und Mentor_innen und Mentees tauschten sich weiter über ihre Erfahrungen aus. „Das Programm hat für mich strukturelle Hürden sichtbar gemacht und mich darin gestärkt, Entscheidungen zu treffen. Das Feedback von außen hat mich gestärkt und mir Selbstbewusstsein gegeben!“, so eine begeisterte Mentee. Eine andere fand: „Das ganze Jahr hat mir einen Schub nach vorne gegeben“.

Lisa Schoenmeier (Malteser International) ergänzte: „Das Programm im Rücken zu haben, war ein gutes Gefühl, hat mich gestärkt und hat Veränderungen herbeigeführt. Ich habe gelernt, eigene Positionen besser zu vertreten“.

Prozesse neu denken: New Work needs inner Work

Nach der Pause gaben vier Mentor_innen kurze, sehr inspirierende Inputs zum Thema New Work. Im Vordergrund stand dabei die Erkenntnis: New Work needs inner Work! New Work bedeutet Prozesse neu zu denken. Wer trifft die Entscheidungen? Wie sind die Menschen, die dann von den Entscheidungen betroffen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen? Wie offen sind wir gegenüber neuen Ideen und Strukturveränderungen, um neue Methoden der Zusammenarbeit zu entwickeln und sinnstiftendes Arbeiten zu ermöglichen? Gerade Krisenzeiten können in dieser Hinsicht auch eine Chance, ein window of opportunity öffnen. Dabei ist die Fokussierung auf den konkreten Handlungsbedarf und eine partizipative Herangehensweise entscheidend: Wo stehen wir? Was wollen wir? Dies sind die Schlüsselfragen, die in einem Plan-act-review-Cycle immer wieder gestellt und überprüft werden müssen.

Dr. Antje Schultheis, die das Programm inhaltlich mitbegleitet hat, richtete einen Appell an alle Teilnehmer_innen, den Faden des Austausches nicht abreißen zu lassen. Das Mentoring-Programm ermöglicht einen Wissenstransfer und Empowerment im dialogischen Austausch und bietet Reflexionsräume für die weitere persönliche und berufliche Entwicklung und ermöglicht es, organisationale Aspekte für Transformation mitzudenken. In einem kurzen Interview griff Dr. Antje Schultheis verschiedene Themen auf: Die Vorbildfunktion von Führungskräften, Führungsmodelle wie z.B. feministische Führungsmodelle weiterdenken, die vor allem für Frauen relevante Vereinbarkeit von Care Work und Führungsfunktion aber auch ein verändertes Anspruchsdenken bei vielen NRO. Auch gilt es, das Thema Geschlechtergerechtigkeit zu öffnen und mehr Diversität mitzudenken. Hier knüpfte sie im Gespräch an das Thema New Work sowie an die Frage der Haltung und Werte an.

Zum Abschluss dankte VENRO-Referentin Anke Scheid allen Teilnehmer_innen für ihr Engagement, ohne das das Programm nicht so erfolgreich gewesen wäre.

Das Mentoring-Programm leistete nicht nur einen Beitrag zu dem strategischen Ziel von VENRO, die Förderung von Frauen auch bei seinen Mitgliedorganisationen zu unterstützen, sondern schaffte neue Netzwerke und Austauschmöglichkeiten für Kolleg_innen der Mitgliedsorganisationen untereinander. Die durchweg begeisterten Rückmeldungen zu dem Programm belegen den Erfolg und auch die Unterstützung, die es bedarf, um die Zahl von FLINTA/Frauen in Führungspositionen zu steigern. „Wenn man über etwas redet, verändert sich auch was“ so Mentee Susan Pusunc. Das Mentoring-Programm bot viele Möglichkeiten dazu.


Michaela Reithinger arbeitet als Referentin für das Thema Mitgliederkooperation bei unserem Mitglied Fairtrade Deutschland e.V..