Um Frauen den Aufstieg in Führungspositionen im NRO-Sektor zu erleichtern, hat VENRO im vergangenen Jahr ein Pilotprogramm gestartet. Acht Monate später ziehen die Teilnehmenden ein positives Fazit. Über einen Austausch, von dem beide Seiten profitieren
Mit einem Mentoring-Programm will VENRO dazu beitragen, Frauen den Aufstieg in Führungspositionen in Nichtregierungsorganisationen (NRO) zu erleichtern. Eine Studie der Universität Münster und des Maecenata Instituts stellt fest, dass nur knapp 38 Prozent der Vorstandsmitglieder in deutschen NRO weiblich sind, obwohl Frauen mit 75 Prozent einen überdurchschnittlich großen Anteil der Beschäftigten stellen. Eine ähnliche Situation zeigt sich auch bei VENRO. Mit der Einrichtung eines Mentoring-Programms unterstreicht der Verband die Notwendigkeit, eigene Strukturen und Praktiken zu reflektieren und zu verändern. Fachlich unterstützt wurde das Programm durch Dr. Antje Schultheis, Geschäftsführerin des Spinnen-Netz. Sie begleitete die Konzeption sowie den Matching-Prozess und führte die Tandems in die Zusammenarbeit ein.
Wie ist das Mentoring-Programm aufgebaut?
Das Mentoring-Programm richtet sich an Frauen in VENRO-Mitgliedsorganisationen, die bereits erste Führungserfahrung haben. Mentor_innen können Frauen oder Männer in Führungspositionen in Mitgliedsorganisationen sein. Ihr Engagement erfolgt ehrenamtlich. Den Rahmen bilden eine Auftaktveranstaltung aller Beteiligten, ein Erfahrungsaustausch jeweils zwischen Mentees und Mentor_innen nach der Hälfte der Laufzeit des Programms (Bergfest) und eine gemeinsame Abschlussveranstaltung. Kern des Programms ist die Zusammenarbeit in einem Mentoring-Tandem, bestehend aus Mentor_in und Mentee. Im Tandem werden die Individuellen Ziele der Mentee und die Schwerpunkte des Tandems zu Beginn des Mentoring-Prozesses festgehalten.
2020 startete die Initiative, begleitet durch die VENRO-Geschäftsstelle, mit 14 Tandems als Pilotprogramm mit achtmonatiger Laufzeit. Wegen der Corona-Pandemie haben die Beteiligten auf die ursprünglich vorgesehenen Präsenzveranstaltungen weitgehend verzichten müssen. Die Online-Formate für die gemeinsamen Veranstaltungen und die Treffen der Tandems haben sich zwar bewährt, trotzdem bildete der Wunsch nach Präsenzveranstaltungen und persönlichem Austausch eine Konstante in den Programm-Auswertungen der Teilnehmenden.
Das Programm bietet beiden Seiten neue Perspektiven
Sowohl Mentees als auch Mentor_innen haben die Teilnahme am Programm als persönliche Bereicherung erlebt. „Menschlich war es eine wunderbare Erfahrung!“, stellte eine Mentorin während der Abschlussveranstaltung fest. Die Mentees haben den vertraulichen fachlichen Austausch geschätzt, die daraus resultierenden Erkenntnisse und das persönliche Wachstum. „Es war sehr hilfreich, bei Entscheidungsprozessen eine unparteiliche Person einbeziehen zu können und von den Erfahrungen zu lernen“, fasste eine Teilnehmerin ihre Erfahrungen zusammen. Für eine andere war es wichtig, zu lernen kritisch, aber trotzdem freundlich auf sich selbst zu schauen. Mentees und Mentor_innen stimmten darin überein, dass das Mentoring gut funktionierte, weil es auf Offenheit, Vertrauen und der Begegnung auf Augenhöhe beruhte.
Die im Tandem erfolgte Reflexion ermöglichte es den Mentees, sich Ziele zu setzen, Pläne für die Zukunft zu schmieden und Mut zu fassen, sich auf Neues einzulassen. Für Frauen ist damit die Fähigkeit verbunden, im beruflichen Alltag auch einmal laut und deutlich „nein“ zu sagen und als Frau nicht immer gefallen zu wollen. Das müssen sie häufig erst lernen. Eine Mentee beschloss, ermutigt durch die Reflexionen und die im Rahmen des Mentoring gewonnene Selbstsicherheit, den Arbeitsplatz zu wechseln, um ihren Wünschen und Zielen näher zu kommen.
Und auch die Mentor_innen profitierten von dem Programm. „Es ist ein Geben und Nehmen mit den Mentees und ermöglicht unvorhergesehene Perspektiven,“ beschrieb eine Person die Erfahrung. Das Mentoring bot die Gelegenheit, die eigene berufliche Situation und den Weg, der dorthin führte, zu reflektieren. Das war für viele eine wertvolle Erfahrung. Für einen Mentor war das Nachdenken über die eigene Rolle als Führungskraft und die Wahrnehmung von Gender-Themen im Kontext von Führung ein wichtiger Aspekt. Die Einbeziehung von Männern als Mentoren eröffnet diesen eine neue Perspektive, um auf Geschlechterfragen zu schauen. Als Führungskräfte haben sie Gelegenheit, die Erfahrungen aus dem Mentoring in die Organisation zu tragen und sich für Gleichstellung und Frauen in Führung einzusetzen. Das wäre eine ungeplante positive Wirkung des Mentoring-Programms!
In den Tandems wurde nicht nur über persönlichen Erfahrungen, Pläne und Ziele gesprochen, sondern auch über die Bedeutung von Organisationskultur, -strukturen und –entwicklung für die Gleichstellung. Eine gezielte Nachwuchsförderung wäre ein wichtiger Beitrag dazu, ebenso wie institutionell verankerte Unterstützung und Begleitung für diejenigen, die Verantwortung in einer Organisation übernehmen. Ein beidseitiges Geben und Nehmen sollte aus Sicht verschiedener Tandems in diesem Zusammenhang angestrebt werden.
Ein Blick nach vorne
Die positiven Rückmeldungen sowohl der Mentees als auch der Mentor_innen zum Mentoring-Programm bestärkt die VENRO-AG Gender und die Geschäftsstelle, das Programm fortzusetzen und auf Basis der Erfahrungen der Pilotphase und der Vorschläge der Teilnehmenden weiterzuentwickeln.
VENRO plant, das Programm 2021 erneut anzubieten und hofft, dass viele der Mentor_innen bereit sind, ihre Erfahrungen erneut mit einer Mentee zu teilen und in einen Austausch zu treten, von dem beide profitieren. Gleichzeitig möchten wir weitere Führungskräfte, die bisher noch nicht in die Mentor_innen-Rolle geschlüpft sind, animieren, sich zu beteiligen! Interessensbekundungen nimmt Anke Scheid in der VENRO-Geschäftsstelle gerne entgegen.
Carsta Neuenroth ist Ko-Sprecherin der VENRO-Arbeitsgruppe Gender.
Carsta Neuenroth | VENRO / Brot für die Welt |