Soziale Ungleichheit nimmt weiterhin zu. Obwohl der Wohlstand der Menschheit global steigt, bleibt ein erheblicher Anteil der Weltbevölkerung davon ausgeschlossen. Innerhalb der meisten Länder, auch in Deutschland, verschärft sich die Ungleichheit in der Verteilung der Einkommen und Vermögen. Entgegen dem menschenrechtlichen Anspruch auf soziale Sicherheit verfügen fast drei Viertel der Weltbevölkerung über keine Absicherung gegen elementare Risiken wie Krankheit, Altersarmut oder Arbeitslosigkeit. In Entwicklungsländern bleiben besonders marginalisierte und benachteiligte Gruppen wie Frauen und Mädchen, Kinder, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen vom gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichem Leben ausgeschlossen, sie sind ohne ausreichende Einkommen, Bildungschancen und Gesundheitsversorgung.
Die Überwindung von Ungleichheit innerhalb und zwischen den Staaten – wie beispielsweise der ungleiche Zugang zu Nahrung, Wasser und sanitärer Grundversorgung, sowie Bildung und Einkommensperspektiven – ist jedoch die Grundvoraussetzung für eine dauerhaft friedliche, gerechte und zukunftsfähige Entwicklung weltweit.
VENRO fordert die nächste Bundesregierung daher auf, die gezielte Förderung benachteiligter Gruppen sowohl national wie international systematisch und deutlich auszuweiten. Soziale Sicherheit ist ein Menschenrecht – folge dem muss der Aufbau entsprechender Sicherungssysteme in den Ländern des Globalen Südens verstärkt unterstützt werden. Darüber hinaus rufen wir Bundesregierung und Bundestag dazu auf, sich für die Stärkung weltweiter Geschlechtergerechtigkeit, die Überwindung diskriminierender Normen und Traditionen sowie das Ziel Gesundheit für Alle einzusetzen. Weitere zentrale Forderungen von VENRO beinhalten eine Aufwertung von Grundbildung sowie der Inklusion von Menschen mit Behinderungen.
Partnerschaft mit Afrika – aber wie?
In ihren Wahlprogrammen sprechen sich alle fünf untersuchten Parteien dafür aus, die Unterstützung und die Kooperation mit unserem Nachbarkontinent Afrika zu stärken. Die CDU/CSU fordert mehr Engagement auf dem afrikanischen Kontinent und schlägt einen Marshallplan mit Afrika vor. Mit dessen Hilfe sollen die Empfänger zu eigenverantwortlichem unternehmerischen Handeln befähigt werden. Der im Rahmen der G20-Präsidentschaft auf den Weg gebrachte Compact with Africa wird unterstützt.
Die SPD will die Partnerschaftsabkommen der EU mit den afrikanischen Staaten prüfen, ob sie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung dienen oder Abhängigkeiten weiter zementieren. Die Schaffung einer afrikanischen Freihandelszone will die Partei unterstützen. Zur Überwindung von Armut und Hunger will die SPD ländliche Entwicklung und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern besonders fördern. Sie setzt dabei auf Investitionen in die Infrastruktur, soziale Sicherungssysteme, gute Bildungs- und Gesundheitsangebote sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen.
DIE LINKE dagegen lehnt die Freihandelsabkommen mit Afrika grundsätzlich ab, weil sie demokratiefeindlich seien und die Entwicklungsmöglichkeiten schwächerer Länder einschränkten. Die Partei setzt sich für eine Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit ein, die sich an den Interessen und Bedürfnissen der unterstützten Länder ausrichten muss, ohne aber konkret auf einzelne Politikfelder einzugehen.
Auch Bündnis 90/Die Grünen wollen die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen stoppen und neue Verhandlungen nach menschenrechtlichen, sozialen und Umweltstandards führen. Die Partei schlägt einen Zukunftspakt zwischen der EU und Afrika vor, der gemeinsam erarbeitet werden soll. Dabei sollen zivile Krisenprävention sowie der Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen und funktionierender Steuersysteme im Zentrum stehen. Die Instrumente der internationalen Zusammenarbeit wollen die Grünen im Sinne erhöhter Effizienz und Wirksamkeit reformieren und betont die zentrale Bedeutung der Gleichberechtigung und der Frauenrechte für eine menschenrechtsbasierte Entwicklungspolitik.
Die FDP will die am wenigsten entwickelten Länder ebenfalls in den Blick nehmen, vor allen Dingen in Afrika. Als wichtigste Grundlage für die Armutsbekämpfung werden Bildung, Ausbildung und Qualifikation sowie die Chancen auf eine wirtschaftliche Perspektive für den Einzelnen angesehen. Die FDP fordert eine werteorientierte Entwicklungspolitik, die auf Qualität statt auf Quantität der eingesetzten Mittel setzt und einen besonderen Fokus auf Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und soziale Marktwirtschaft richtet.
Fazit
In allen Programmen werden – mehr oder weniger differenziert – Aussagen zur Bekämpfung von Armut und Hunger, zur ländlichen Entwicklung, zur sozialen Sicherung, zu Bildung und Gesundheit und zur Gleichberechtigung der Geschlechter getroffen. Afrika erfährt dabei besondere Aufmerksamkeit. Union und FDP setzen auf eigenverantwortliches unternehmerisches Handeln und die Mobilisierung vor allem auch privater Investitionen als Instrumente zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Afrika. SPD, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen stehen den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen skeptisch bis ablehnend gegenüber und fordern faire Handelsbedingungen.
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Alle Zitate der Parteien stammen aus den jeweiligen Wahlprogrammen der Parteien:
CDU/CSU: Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben. Regierungsprogramm 2017–2021
SPD: Zeit für mehr Gerechtigkeit. Unser Regierungsprogramm für Deutschland
Bündnis 90 /Die Grünen: Zukunft wird aus Mut gemacht. Bundestagswahlprogramm 2017
Dieser Artikel ist der letzte Beitrag unserer Serie zur Bundestagswahl 2017. In acht Folgen haben wir die Ziele und Positionen der Parteien zu Entwicklungspolitik und globalen Fragen vorgestellt. Dafür haben wir die Aussagen in den Wahlprogrammen mit zentralen Forderungen von VENRO verglichen. Ausführlich können Sie die Parteipositionen in unserer Analyse der Wahlprogramme, „Was wollen die Parteien?“, nachlesen.
Silvan Rehfeld | VENRO |