Politik, Service

„Die effektivste Förderung ist die Quote“

Annette Zimmer, Professorin für Deutsche und Europäische Sozialpolitik und Vergleichende Politikwissenschaft, führte im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Studie „Karriere im Nonprofit-Sektor?“ durch. Im Interview spricht sie über die Arbeitsbedingungen und Aufstiegschancen von Frauen in Nichtregierungsorganisationen.

Sind die Karrierechancen für Frauen im Nonprofit-Sektor besser als in der freien Wirtschaft oder im Öffentlichen Dienst?

Das ist schwierig zu sagen und hängt von der Hierarchieebene ab. Aber es ist in allen Bereichen etwa gleich – je höher die Hierarchieebene ist, desto weniger Frauen finden sich dort. Insgesamt aber ist der Nonprofit-Sektor ein Arbeitsgebiet von Frauen. Dass es sogar einen richtigen Drang von Frauen in diesen Bereich gibt, hat auch mit der besonderen Orientierung der Organisationen zu tun. Es sind eben keine kommerziellen Organisationen, und sie sind nicht so in Regelstrukturen eingebunden und derartig bürokratisiert, wie das bei manchen Behörden der Fall ist.

Welche Hürden gibt es für Frauen in Nichtregierungsorganisationen (NRO)?

Eine Schwierigkeit ist, dass es nicht so viele Karrierestufen innerhalb einer NRO gibt. Die Mehrheit sind ja eher kleinere oder mittlere Organisationen. Das heißt, wenn es einmal ein Führungsteam gibt, bleibt diese relativ lange bestehen. Man kann innerhalb der Organisationen nicht so gut aufsteigen.

Eine andere Hürde ist, dass der Bereich für Frauen so dermaßen attraktiv ist. Da ist es natürlich auch schwieriger, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Unter den Berufseinsteiger_innen haben es die wenigen Männer zum Teil einfacher, da sie als mögliche Aspiranten für eine Beförderung eher auffallen.

Wie können Organisationen Frauen besser fördern?

Bei unseren Interviews kam heraus, dass die effektivste Förderung doch die Quote ist, weil dann auf allen Ebenen der Frauennachwuchs einfach da sein muss. Man kann nicht sagen, es gibt keine Frauen, die für diesen Posten geeignet sind.

Gibt es denn viele Organisationen, die eine Quote eingeführt haben?

Nein, das ist eben die Schwierigkeit und das hängt auch mit der Besonderheit der Organisationen zusammen. Die Gremien, die über Personalfragen entscheiden, sind oft ehrenamtlich besetzt und da haben Sie natürlich häufig ein Übergewicht von wohlsituierten älteren Herren. Und das ist ein echtes Problem, weil diese zum Teil Personen rekrutieren, die so ähnlich sind, wie sie selber.

Welche Rolle spielen Fortbildungen für die Karrierechancen? Besteht darin nicht auch die Gefahr, dass sich gut fortgebildete Frauen wegbewerben?

Fort- und Weiterbildungen sind ein wichtiges Sprungbrett. Leider ist unsere Erfahrung, dass die Organisationen relativ zurückhaltend sind, Mitarbeitende freizustellen oder auch die Kosten dafür zu übernehmen. Das ist eigentlich schade, denn die Leute gehen ja in der Regel nicht vom Nonprofit-Sektor in die Wirtschaft. Sie bleiben dem Sektor erhalten.

Dass es kaum eine Personalentwicklung in den Organisationen gibt, ist ein großes Defizit. Es gibt viele Frauen, die sehr interessiert und gut, aber auch immer noch sehr zurückhaltend sind. Da ist es für die Organisationen intern wichtig, genau hinzugucken. Das wird bisher in der Regel nicht so systematisch getan. Da könnte man sehr viel mehr tun, um zu schauen, wer eine Weiterbildung machen oder mehr Unterstützung erhalten sollte.

Wie schätzen Sie die Wirkung von Mentoring-Programmen ein?

Das ist ein Beispiel für einen solchen Support. Mentoring-Programme finde ich auch dahingehend klasse, da sie so angelegt sein können wie eine psychologische Beratung oder aber wie ein Coaching. Die Teilnehmende überlegt sich, wo sie überhaupt hinwill, wie sie das handhaben kann, und ob es so wichtig ist, dass man alles super gut macht. Viele Frauen verzetteln sich auch, da sie gleichermaßen toll sein wollen im Beruf, in der Familie und im Hobby. Hier bewusst Prioritäten setzen zu können – dafür ist ein solches Programm sehr wichtig.


Die VENRO-AG Gender beschäftigt sich u.a. mit der Entwicklung von Lösungsansätzen für Themen wie der Stärkung von Frauen in NRO-Führungspositionen und der Umsetzung von Genderstrategien in den Mitgliedsorganisationen. Nach einem sehr erfolgreichen Pilotprogramm des VENRO-Mentoring-Programms im vergangenen Jahr ist eine Wiederauflage mit neuen Tandems für 2021 geplant.