Politik

Cash-Transfer-Plus-Programme: Große Wirkung mit geringem Aufwand

Cash-Transfer-Instrumente in der Entwicklungszusammenarbeit und in der humanitären Hilfe sind nicht neu. Die Auszahlung kleinerer Geldbeträge an Menschen in Krisensituation kann erstaunlich positive Veränderungen anstoßen, besonders dann, wenn der Cash Transfer in weitere Angebote eingebettet ist. Diese Erfahrung hat Misereor in drei Pilotprojekten gemacht. Ergebnis: Die Teilnehmenden schöpften Zuversicht, entwickelten eigene Ideen und Lebenspläne.

Das Spektrum des Einsatzes von Cash-Transfer-Instrumenten ist breit: Diverse lateinamerikanische und afrikanische Regierungen zahlen soziale Transferleistungen an Bedürftige in Form von Bargeld; in Cash-for-Work-Programmen leisten Menschen gemeinnützige Arbeit und werden dafür entlohnt und auch in wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekten zur Umsetzung der Idee eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ (BGE) erhalten Personen oder Haushalte frei verfügbare Geldbeträge. Ein solches Projekt führt seit einigen Jahren die US-amerikanische Organisation Give directly erfolgreich in Kenia durch. Im namibischen Otjivero zahlte die Basic Income Group, ein Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen, 2008 und 2009 ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Seit langem setzt sich die namibische Basic Income Coalition bei ihrer Regierung dafür ein, regelmäßige Cash Transfers für alle als Instrument der sozialen Sicherung zu nutzen.

Auch die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) nutzt Cash-Transfer-Komponenten seit langem und erfolgreich im Rahmen ihrer Arbeit, unter anderem im Gesundheitssektor und in der Krisenreaktion.

Pilotprojekte sollen Effektivität überprüfen

Die Begleitforschung zu Cash-Transfer-Instrumenten zeigt anhand diverser Beispiele auf, welche ökonomischen, sozialen und emanzipatorisch-psychologischen Positiveffekte durch Direktzahlungen an Bedürftige oder auch an alle Mitglieder einer Gesellschaft erzielbar sind. Dennoch wird dieser Ansatz bislang noch in keinem Land durch eine Regierung als Instrument der sozialen Sicherung umgesetzt.

Für viele Nichtregierungsorganisationen stellt sich damit die Frage, welche Rolle ein solches Instrument in der zivilgesellschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit sinnvoll spielen könnte, ohne die jeweiligen Regierungen aus ihrer Verantwortung zu entlassen, öffentliche Sicherungssysteme zu schaffen.

Misereor hat deshalb in Zusammenarbeit mit drei Partnerorganisationen – die Grupo RED Guardianes de Semillas in Ecuador, das International Child Development Programme (ICDP)  in Mozambique und die Pietermaritzburg Economic Justice & Dignity Group in Südafrika – vor zwei Jahren mehrere Pilotprojekte in unterschiedlichen Kontexten aufgesetzt. Ziel ist es, unter wissenschaftlicher Begleitung Erfahrungen zu sammeln, wie sich regelmäßige, verlässliche Bargeldauszahlungen positiv auf bestimmte Personengruppen auswirken.

Im Rahmen der Projekte erhalten existenzgründende kleinbäuerliche Familien in Ecuador, arbeitslose Jugendliche in Südafrika sowie Selbsthilfegruppen von Binnenflüchtlingen und Mitglieder der aufnehmenden Communities in Mozambique monatliche Zahlungen. Die Partnerorganisationen begleiten den Cash Transfer vor Ort mit Beratungsangeboten.

Geringer finanzieller Input, erstaunlicher Output

Die bisherigen Erfahrungen aus den Projekten lassen darauf schließen, dass verlässliche monatliche Zahlungen die Eigeninitiative der Menschen deutlich stärken, besonders dann, wenn sie in weitere Angebote eingebettet sind (“Cash-Transfer-Plus“). Das können fachliche und lebenspraktische oder auch sozial-psychologische Begleitangebote sowie regelmäßige Austauschtreffen der Begünstigten sein. Die Teilnehmenden schöpfen Zuversicht, entwickeln eigene Ideen und Lebenspläne, sie lösen sich vielfach aus ihrer Passivität und erleben sich – häufig erstmals seit langer Zeit – als aktive Gestalter_innen ihrer Lebensrealitäten.

Durch den Austausch innerhalb der Gruppen kommen Effekte gegenseitiger Ermutigung und positiver Konkurrenz hinzu. Insgesamt sind mit dem relativ geringen finanziellen Input für einzelne Personen, für Familien oder für Communities, wie im Falle Mozambiques, durch die Verlässlichkeit und das Projektsetting erstaunliche Dynamiken zu beobachten.

Diese Erfahrungen ermutigen uns dazu, mit Blick auf die zukünftige Zusammenarbeit mit unseren lokalen Partnerorganisationen über eine Erweiterung unseres Instrumentenkastens um Cash-Transfer-Plus-Elemente im Rahmen unserer Förderpolicy nachzudenken.


Peter Meiwald ist Abteilungsleiter Afrika & Naher Osten bei unserer Mitgliedsorganisation Misereor.