Politik

Die Schuldenkrise spitzt sich zu

Die Schuldenkrise wirkt sich immer weitreichender auf die Bildungs- und Gesundheitssysteme im Globlen Süden aus.

Über die Hälfte der Haushalte von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind hoch oder sehr hoch durch Schuldenzahlungen an ausländische Gläubiger belastet. Zu diesem Ergebnis kommt der Schuldenreport 2025, der Ende Mai von Misereor und erlassjahr.de veröffentlicht wurde. Die erdrückenden Schuldenlasten gefährden nachhaltige Investitionen in Bildung, Gesundheit und Klimaschutz. Ohne eine Reform der globalen Finanzarchitektur, die sich an den Bedürfnissen des Globalen Südens ausgerichtet ist, droht eine weitere verlorene Entwicklungsdekade.

Der Schuldenreport 2025 zeichnet ein alarmierendes Bild: 47 Staaten – vorwiegend aus dem Globalen Süden – werden in den kommenden drei Jahren enorme Summen für ihren Schuldendienst an ausländische Gläubiger ausgeben. Sie werden mehr als 15 Prozent ihrer Staatsausgaben für Zins- und Tilgungsverpflichtungen aufwenden müssen – der Libanon und Laos durchschnittlich sogar mehr als 70 Prozent. Beide mussten wie einige weitere Länder ihre Rückzahlungen an ausländische Gläubiger bereits einstellen.

Die Folge: Die Finanzierung staatlicher Ausgaben wird erheblich schwieriger oder kommt ganz zum Erliegen. Schulen und Krankenhäuser müssen ihren Betrieb stark einschränken. Für viele Klimaschutzmaßnahmen fehlt das Geld. Dabei sind gerade in den sehr hoch verschuldeten Ländern öffentliche Investitionen in die Daseinsvorsorge und Armutsbekämpfung enorm wichtig. Etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung lebt in diesen Ländern unterhalb der extremen Armutsgrenze und ist auf staatliche Programme angewiesen. Durch die Schuldenkrise ist es so nahezu unmöglich, die globalen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zu erreichen.

Alarmierende soziale und politische Folgen

Die Schuldenkrise wirkt sich immer weitreichender auf Bildungs- und Gesundheitssysteme aus. Laut einem Bericht von actionaid fühlt sich ein Großteil der Lehrkräfte und des Pflegepersonals in vielen Ländern Subsahara-Afrikas am Arbeitsplatz überfordert. Als Folge von staatlichen Mittelkürzungen fehlt es in vielen Gesundheits- und Bildungseinrichtungen an Personal und Ausrüstung. Die Kosten der Sparmaßnahmen tragen folglich Einzelpersonen, die höhere Arbeitsbelastungen auf sich nehmen müssen. Gleichzeitig befinden sich viele Pflege- und Lehrkräfte in finanziell prekären Situationen; ihre Löhne reichen kaum aus, um die Miete zu bezahlen oder die nötigsten Lebensmittel zu kaufen. Insbesondere FLINTA* leiden darunter, dass die Gesundheitsversorgung für Mütter eingeschränkt ist und es keine öffentlichen Betreuungsangebote für Kinder oder Pflegebedürftige gibt.

Gleichzeitig verschärft die Schuldenkrise autoritäre Tendenzen in vielen Ländern. Wegen angespannter Haushaltslagen werden viele Länder zu Sparmaßnahmen gezwungen – häufig im Rahmen von IWF-Programmen, die Sparpolitik als zentrale Antwort auf Schuldenkrisen vorgeben. Folglich können Regierungen nur unzureichend auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingehen. Einerseits werden daher vermehrt Bürger_innenbewegungen unterdrückt – etwa in Kenia, wo Demonstrationen im letzten Jahr gewaltsam niedergeschlagen wurden. Andererseits nutzen autoritäre Regime die Frustration der Bevölkerung aus, um demokratische Reformen abzuschwächen und Menschenrechte auszuhöhlen.

Bisherige Umschuldungen reichen nicht aus 

Umschuldungsverhandlungen liefern häufig nur unzureichende Entlastungen für die betroffenen Länder. Äthiopien verhandelt beispielsweise seit 2021 im Rahmen des G20 Common Frameworks mit seinen Gläubiger über langfristige Umschuldungen. Doch weder mit privaten noch mit öffentlichen Gläubiger konnte die Regierung bisher eine Einigung erzielen. Auch Sambias und Ghanas Haushalte bleiben nach Abschluss der Verhandlungen im Rahmen des Common Framework durch einen hohen Auslandsschuldendienst weiterhin belastet. Wirtschaftspolitische Auflagen erschweren zudem eine eigenständige Erholung aus der Krise.

Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Sevilla: Chance zur Lösung der Schuldenkrise

Im Vorfeld der vierten Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD4), welche Ende Juni in Sevilla beginnt, fordern Länder des Globalen Südens und über 800 zivilgesellschaftliche Organisationen als Teil des Civil Society Financing for Development (FfD) Mechanism eine tiefgreifende Reform der globalen Finanzarchitektur. Zuletzt erneuerte auch die Afrikanische Union ihre Forderung nach einer UN-Rahmenkonvention über Staatsschulden. Ein solcher multilateraler Mechanismus soll unter anderem rechtlich verbindliche, schnelle und in einem angemessenen Umfang Schuldenerlasse ermöglichen. Die Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Sevilla bietet folglich die Chance, demokratische Reformen für eine gerechte Entschuldungspolitik auf den Weg zu bringen. Bisher blockieren jedoch die Länder des Globalen Nordens, darunter die EU-Staaten, eine solche demokratische Reform der internationalen Finanzstrukturen. Nun liegt es an einflussreichen politischen Akteur_innen des Globalen Nordens, die Forderungen aus dem Globalen Süden zu unterstützen und ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden.


Dieser Artikel ist Teil unserer Blogreihe zur Vierten Internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD4), die vom 30. Juni bis 3. Juli in Sevilla stattfindet und dringend notwendige Reformen der internationalen Finanzarchitektur vorantreiben soll.


Konstantin von Kleist Retzow studiert Socio-Ecological Economics and Policy in Wien engagiert sich ehrenamtlich beim Entschuldungsbündnis erlassjahr.de.

Malina Stutz ist politische Referentin beim Entschuldungsbündnis erlassjahr.de.

 

 

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