Politik

Global Public Investment: Alle Länder tragen bei, alle Länder entscheiden

Screenshot des Berichtes „Time for GPI“

Das bisherige Modell zur Finanzierung von Programmen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung im globalen Süden hat seine Grenze erreicht oder bereits überschritten. So die These des Joep Lange Institute Center for Global Health Diplomacy, das sich für bessere Gesundheitssysteme weltweit einsetzt. Die öffentliche Entwicklungsfinanzierung (ODA) verliere deshalb nicht an Bedeutung, betonen Direktor Christoph Benn und Vize-Direktorin Katja Roll. Aber angesichts der wachsenden Bedarfe biete das Global Public Investment eine Möglichkeit, die Finanzierungslast und das „Agenda-Setting“ unter allen Weltregionen gleichmäßig zu verteilen.

Die Welt ist zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert, die alle Weltregionen betreffen: Pandemien, Klimawandel, humanitäre Krisen. Die Antworten auf diese grenzüberschreitenden Herausforderungen sind mehr Investitionen in „Globale öffentliche Güter“. Die Pandemievorsorge ist ein Beispiel hier: Alle Länder haben einen Vorteil, wenn Maßnahmen ergriffen werden, um Pandemien vorzubeugen, und die internationalen Organisationen auf solche Katastrophenfälle vorbereitet sind. Damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, benötigen sie eine nachhaltige und zuverlässige Finanzierung, wie sie vor allem Regierungen leisten können und sollten. Der Privatsektor kann nur komplementär wirken.

Die 32 Mitgliedsstaaten des Development Assistance Committee (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit investierten im letzten Jahr 223,7 Milliarden US-Dollar in globale öffentliche Güter. Doch selbst wenn dieses Niveau gehalten würde, wären die Investitionen nicht ausreichend, um alle global erforderlichen Leistungen für die menschliche Entwicklung und den Erhalt des Planeten finanziell zu stemmen. Allein für die notwendigen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel wird die aktuelle Finanzierungslücke auf 199 bis 366 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt. Nachhaltigkeitsziel um Nachhaltigkeitsziel, Debatte um Debatte, es geht immer wieder um Finanzierungslücken und um die schiere Unmöglichkeit und Unmenschlichkeit, zwischen Klimaanpassung und Gesundheitsprogrammen, Landwirtschaftsförderung in Afrika oder Wiederaufbau in Syrien zu entscheiden. Aber auch positiv belegte Zukunftsthemen, wie eine ethisch geleitete, digitale Transformation und der Ausbau von der Produktion von Medizingütern im globalen Süden kranken an der Finanzierungsfrage.

Was, wenn alle Länder gleichberechtigt die Zügel der Entwicklungsfinanzierung in der Hand hielten?

Global Public Investment (GPI) ist ein politisches Konzept, welches die weltweit ungedeckten und steigenden Finanzierungsbedarfe adressiert und gleichzeitig eine Reform der internationalen Finanzarchitektur mit vorantreibt. Der angestrebte Paradigmenwechsel beinhaltet, dass Investitionen in globale öffentliche Güter von Regierungen aller Weltregionen getätigt werden – nicht ausschließlich von einigen Netto-Geberländern. Die Höhe der Einzahlungen richtet sich dabei nach dem Bruttoinlandseinkommen. Das Global Public Investment folgt im Kern dem Prinzip der gemeinsamen Verantwortung, das eine gemeinschaftliche Verwaltung der Gelder vorsieht. Kurz gesagt: Alle Länder tragen bei, alle Länder profitieren, alle Länder entscheiden. Um diesen Ansatz umzusetzen, müssen die multilateralen Prozesse und Organisationen weiterentwickelt werden. Die Reformagenda der Weltbank sowie die finanziellen Beiträge von Ländern des globalen Südens in multilaterale Fonds und deren politische Beteiligung sind dafür ein wichtiger Startpunkt

Eine wachsende weltweite Bewegung

Die Idee und das Anliegen des Global Public Investments wird von einer stetig wachsenden Gruppe von Menschen und Organisationen aus allen Regionen der Welt unterstützt, unter anderem im Rahmen des GPI-Netzwerkes (GPIN), mit seinem Koordinierungsbüro in Nairobi. In Deutschland hat der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung das Konzept bereits 2022 aufgegriffen und empfahl, die Bundesregierung möge prüfen, „inwiefern GPI in allen relevanten multilateralen Plattformen, Fonds und Formaten der internationalen Zusammenarbeit und internationalen Entwicklungsfinanzierung Einzug finden könnte.“ Bei der UN-Generalversammlung 2023 wurde der Bericht „Time for GPI“ vorgestellt. An dieser Zusammenarbeit beteiligten sich renommierte Wirtschaftswissenschaftler wie Thomas Piketty und Mariana Mazzucato, Vertreter_innen zahlreicher internationaler Fonds und Organisationen sowie mehrerer Länder, darunter Kolumbien, Chile und Norwegen.

Konkrete Möglichkeiten

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen, der UN-Zukunftsgipfel am 22. und 23. September 2024 unter deutscher Co-Leitung gemeinsam mit Namibia sowie die Hamburg Sustainability Conference am 7. und 8. Oktober 2024 bieten wichtige Plattformen, um das Anliegen der weltweiten geteilten Verantwortung bei der Finanzierung öffentlicher Güter voranzubringen. Besonders hervorzuheben ist das 4. UN-Forum zur Entwicklungsfinanzierung vom 30. Juni bis 3. Juli 2025 in Spanien. Das Gastgeberland Spanien will dort eine Agenda zur Reform der internationalen Finanzarchitektur festzurren. Das GPI-Netzwerk unterstützt dieses Vorhaben und ist aktiv am Vorbereitungsprozess des Forums zur Entwicklungsfinanzierung in verschiedenen Weltregionen beteiligt. Zum Beispiel begleiten Netzwerk-Partner_innen in Afrika die Planung und Diskussion des „Club der afrikanischen Entwicklungsbanken“, die eine globale Finanzreform vorantreiben möchten

Die anstehenden turnusmäßigen Wiederauffüllungs-Konferenzen – zum Beispiel für die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) der Weltbank, für den Pandemiefonds, die Impfallianz Gavi und für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria – bieten außerdem konkrete Anlässe, Staaten, die bislang wenig oder gar nicht engagiert waren, anzusprechen. Ein Vorstoß, an dem unter anderem das Team des Joep Lange Institute (JLI) Center for Global Health Diplomacy arbeitet.

Dr. Christoph Benn ist Director Global Health Diplomacy beim JLI Center for Global Health Diplomacy. Katja Roll ist Deputy Director Global Health Diplomacy beim JLI Center for Global Health Diplomacy.


Der in Genf ansässige Think Tank „Joep Lange Institute (JLI) Center for Global Health Diplomacy“ ist seit 2019 ein Partner bei der Entwicklung des GPI-Ansatzes. Nach ersten wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Konsultationen zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Denkfabriken wurden im Juli 2022 die GPI-Prinzipien veröffentlicht. Unter der Leitung eines internationalen Lenkungsausschusses wurde ein globales Netzwerk mit einem Sekretariat in Nairobi gegründet, das für Mitglieder aus aller Welt offen ist: das Global Public Investment Network (GPIN).