Politik

Wir müssen uns den politischen Entwicklungen stellen – über Parteigrenzen hinweg

Die starken Wahlergebnisse der AfD bei den vergangenen Landtagswahlen in Ostdeutschland sind ein weiteres Warnsignal für die etablierten Parteien. Es ist Zeit, selbstkritisch auf den aktuellen politischen Diskurs in Deutschland zu blicken und endlich wieder konstruktiv und lösungsorientiert zu argumentieren, findet Gudrun Schattschneider, Vorstandsvorsitzende von VENRO.

In Sachsen und Thüringen sprang die AfD bei den Landtagswahlen in den vergangenen Wochen über die Marke von 30 Prozent. In Brandenburg konnte gerade noch verhindert werden, dass die Partei zur stärksten Kraft wird, 29,2 Prozent der Wähler_innen gaben ihr letztlich die Stimme. Diese Wahlergebnisse müssen der Politik und Zivilgesellschaft gleichermaßen zu denken geben, denn sie sind Symptom einer großen Unzufriedenheit, auf die es noch immer keine zufriedenstellenden Antworten gibt.

Eine Erkenntnis muss sein, dass das zunehmende Erstarken der in weiten Teilen rechtsradikalen AfD auch Ergebnis eines sich immer weiter nach rechts bewegenden politischen Diskurses ist, der mittlerweile selbst von etablierten Parteien aus der Mitte forciert wird. Ein perfektes Beispiel ist dabei die aktuelle Debatte um Migration und Asyl. Wenn der bayrische Ministerpräsident Markus Söder das Recht auf Asyl, festgeschrieben sowohl in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als auch im Grundgesetz, in Frage stellt, spielt er damit reaktionären Kräften in die Karten und kratzt an den Grundwerten unserer Demokratie. Probleme löst ein solcher Vorschlag nicht.

Die wertebasierte internationale Ordnung verliert an Bedeutung

Die Folgen dieser Diskursverschiebung sind gravierend, denn sie sorgt dafür, dass nationalistische und menschenfeindliche Talking Points salonfähig werden. Wozu das innenpolitisch führen kann, zeigt ein Blick zu einigen unserer europäischen Nachbarn: In Österreich droht die FPÖ zur stärksten Partei zu werden, Ungarn ist unter Viktor Orban zu einem autokratischen Staat verkommen, in Frankreich war die Gefahr einer Präsidentschaft Marine Le Pens vielleicht nie größer.

Und auch Deutschlands internationales Engagement wird in diesem Zuge zunehmend kritisch gesehen. Der Wert internationaler Zusammenarbeit wird in Frage gestellt – nicht nur von Rechtsaußen, sondern auch aus der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft heraus, wie die geplanten massiven Kürzungen im Bundeshaushalt 2025 für die Entwicklungszusammenarbeit und die Humanitäre Hilfe zeigen. Nationale und internationale Instrumente wie die Agenda 2030, das Pariser Klimaabkommen sowie die wertebasierte internationale Ordnung verlieren an Bedeutung.

Zivilgesellschaft und Politik sind gefordert

Diese Entwicklung, maßgeblich von der Politik verursacht, muss gestoppt werden. Die demokratischen Parteien in diesem Land müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und ihr Spiel mit dem Feuer beenden. Im Hinblick auf die Bundestagswahl 2025 braucht es deshalb nun ein kommunikatives Umdenken, hin zu einer positiven Erzählung, die faktenbasiert, wertegeleitet und lösungsorientiert ist. Konkret bedeutet das:

  • Der politische Diskurs muss gesellschaftliche Probleme wieder konstruktiv aufgreifen und statt populistischer Forderungen realistische Lösungen anbieten.
  • Der lange gelebte Konsens eines starken internationalen Engagements Deutschlands darf nicht weiter in Frage gestellt werden.
  • Die demokratischen Parteien müssen in ihrer Argumentation auf den Wert der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe verweisen: Sie sorgt für mehr globale Gerechtigkeit, hilft bei der Bekämpfung von Armut und Hunger, wirkt friedensstiftend und demokratiefördernd.
  • Die Zivilgesellschaft als wichtiger Akteur muss kommunikativ gestützt und inhaltlich unterstützt werden. Die zunehmende Verengung zivilgesellschaftlicher Handlungsräume darf sich nicht fortsetzen.

Es ist höchste Zeit, sich den politischen Entwicklungen gemeinsam und entschieden zu stellen – über Parteigrenzen hinweg. Jetzt erst recht!