Politik

Humanitäre Hilfe: Europas Rolle in der globalen Krisenbewältigung

Die Europäische Union ist der größte humanitäre Geber der Welt. Der Ausgang der Europawahl hat damit auch Auswirkungen für Millionen Menschen in Krisengebieten weltweit. Angesichts global steigender humanitärer Bedarfe und einer zunehmenden Untergrabung des Völkerrechts muss die EU ihre humanitäre Hilfe stärken.

Die Europäische Union (EU) ist ein weltweit anerkannter und verlässlicher humanitärer Akteur. Die EU-Mitgliedsstaaten und -Kommission sind zusammen mit über 50 Prozent der globalen Hilfsleistungen die größten humanitären Geber der Erde. Dies gibt der EU eine besondere Rolle in der Bewältigung von humanitären Krisen und unterstreicht die Wichtigkeit der in Brüssel getroffenen Entscheidungen für hilfsbedürftige Menschen weltweit.

Es ist daher begrüßenswert, dass die Europäische Kommission diese besondere Rolle im EU-Haushalt mit einem eigenen Titel für humanitäre Hilfe aufrechterhalten will, denn dies ist eine wesentliche Voraussetzung für eine von außenpolitischen Interessen unabhängige humanitäre Hilfe.

Globale Herausforderungen nehmen zu

Das humanitäre System steht vor enormen Herausforderungen. Die humanitären Bedarfe steigen weltweit weiter an: 132 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe und nahezu 70 Millionen Menschen sind auf der Flucht – ein historischer Höchststand. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Krisen seit 2005 von 16 auf 30 nahezu verdoppelt. Diese Krisen halten zudem immer länger an – im Durchschnitt länger als neun Jahre. Globale Trends wie Klimawandel, Armut und Bevölkerungswachstum sorgen zusätzlich dafür, dass immer mehr Menschen schutzlos den verheerenden Auswirkungen von Konflikten und Naturkatastrophen ausgesetzt sind.

Gleichzeitig ist der „humanitäre Raum“ weltweit in Gefahr, der Zugang zu betroffenen Menschen wird erschwert und das humanitäre Völkerrecht immer weiter untergraben. Trotz völkerrechtlichem Schutz werden sowohl Zivilisten als auch humanitäres und medizinisches Personal tagtäglich angegriffen, verwundet, getötet oder entführt. Zwischen 2014 und 2017 kam es zu 660 dokumentierten Angriffen auf über 1200 Helfer_innen. Das zeigt, dass Angriffe auf die Zivilbevölkerung und humanitäre Helfer_innen in zahlreichen Krisen ebenso traurige Realität sind wie Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen.

Von diesen Entwicklungen sind insbesondere Kinder betroffen, denn sie sind in Krisensituationen besonders vulnerabel und leiden unter den direkten, aber auch indirekten Folgen von Krisen (wie Vertreibung oder der Zusammenbruch der Infrastruktur, der Gesundheitsversorgung und/oder des Bildungssektors). So leben inzwischen 420 Millionen Kinder – und damit fast jedes fünfte Kind – in von Konflikten betroffenen Gebieten.

In Anbetracht dieser besorgniserregenden Trends ist es daher umso wichtiger, dass eine wirksame europäische humanitäre Hilfe weltweit Menschen in akuter Not unterstützt.

Was muss die EU tun?

Angesichts der oben beschriebenen zahlreichen Herausforderungen und Trends müssen die neu gewählten Europaabgeordneten in folgenden Bereichen aktiv werden:

  1. Es müssen europäische Initiativen ergriffen werden, um das humanitäre Völkerrecht zum Schutz von Zivilbevölkerung und humanitären Helfer_innen zu stärken. Dabei muss ebenfalls der politische Druck auf verantwortliche Konfliktparteien erhöht werden, um entschlossen gegen Völkerrechtsverletzungen vorzugehen.
  2. Es ist unerlässlich, dass die Unabhängigkeit der humanitären Hilfe von außenpolitischen oder migrationspolitischen Zielen gesichert bleiben muss – auch, und insbesondere, im aktuellen politischen Klima in Europa.
  3. Die finanzielle Förderung für humanitäre Hilfe im Mehrjährigen Finanzrahmen für 2021-2027 muss auf 12,5 Milliarden Euro aufgestockt werden. Die Kommission setzt mit der vorgeschlagenen Mittelerhöhung von sieben auf elf Milliarden Euro ein enorm wichtiges Zeichen – dies reicht aber angesichts der weltweit steigenden Bedarfe nicht aus. Hierbei muss der Zugang zu EU-Mitteln für kleine und mittlere nichtstaatliche Organisationen gewährleistet und nicht durch bürokratische Vorgaben und mangelnde Bearbeitungskapazitäten erschwert werden.

Als größter humanitärer Geber und geopolitisch zentraler Akteur kommt der EU eine herausgehobene Rolle zu, sich den negativen Trends entgegenzustellen, global die Einhaltung vom humanitären Völkerrecht zu verteidigen und den vielen heutigen Krisen entschlossen entgegenzutreten.


Die Europawahl am 26. Mai 2019 spielt für für die Umsetzung der Agenda 2030 und die Förderung nachhaltiger Entwicklung eine wichtige Rolle. Ob Armutsbekämpfung, die Ausgestaltung einer gerechten Handelspolitik oder Klimaschutz – all diese Ziele müssen von der Europäischen Union auch in der kommenden Legislaturperiode konsequent verfolgt werden. Unsere Erwartungen an die künftigen Mitglieder des Europäischen Parlaments haben wir in unserem Positionspapier zur Europawahl formuliert. Daran anknüpfend legen wir in einer Serie von Blogartikeln unsere Forderungen für ein nachhaltiges, faires und solidarisches Europa dar.