Politik

Bundestagswahl 2025 – welche Parteien wollen globale Verantwortung übernehmen?

Die Parteiprogramme im VENRO-Check

Die Parteiprogramme im VENRO-Check: Im Vorfeld der Bundestagswahl haben wir sieben Parteiprogramme mit Blick auf entwicklungspolitische und humanitäre Themen durchleuchtet. Auffällig ist, dass zentrale Aspekte in vielen Wahlprogrammen unberücksichtigt bleiben oder im Vergleich zu 2021 sogar zurückgenommen wurden.

Die Bundestagswahl 2025 steht vor der Tür – und mit ihr die Frage, wie sich die Parteien zu globaler Gerechtigkeit, Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe positionieren. In unserem Positionspapier „Verantwortung übernehmen für eine gerechtere Welt“ haben wir die Forderungen von VENRO an die Parteien zusammengefasst.

Eine Analyse der Wahlprogramme von Union, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Die Linke, BSW und AfD zeigt, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den Parteien gibt  – auch im Vergleich zu den vorherigen Wahlprogrammen der Parteien, inhaltlich wie auch im Umfang. Während einige weiterhin für eine gerechtere Welt und nachhaltige Entwicklung eintreten, sind bei anderen Parteien zentrale Themen, wie etwa die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung im Rahmen der Agenda 2030, kaum oder gar nicht mehr zu finden. Insgesamt sind die Wahlprogramme im Schnitt kürzer gefasst als 2021.

Solidarität und Finanzierung: Wer hält sich an die Zusagen?

Deutschland hat eine historische und ethische Verantwortung, wenn es um das Eintreten für die Menschenrechte und die Überwindung von Not, Armut und Ungleichheit geht. Das bedeutet einerseits, sich für den Abbau der strukturellen, oft noch auf den Kolonialismus zurückgehenden, Ungleichheiten zwischen den Ländern einzusetzen und andererseits, sich mit einem angemessenen Beitrag solidarisch für die Bewältigung globaler Probleme zu engagieren.

SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke bekennen sich zu den internationalen Verpflichtungen, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitzustellen. Die Union hingegen äußert sich in ihrem aktuellen Wahlprogramm nicht dazu – ein deutlicher Rückschritt im Vergleich zu 2021. Die FDP will diese Mittel stärker an wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen knüpfen, während die AfD eine Kürzung fordert.

Besonders auffällig ist zudem, dass die Agenda 2030 im Wahlprogramm der Union nicht genannt wird. Wir sehen dies als Anzeichen, dass die Themen Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe möglicherweise einen geringeren Stellenwert in der Politik der zukünftigen Bundesregierung einnehmen werden. Diese Entwicklung beobachten wir mit großer Sorge. Denn um die globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu lösen, braucht es einen engagierten Beitrag Deutschlands.

Humanitäre Hilfe und Frieden: Eine vernachlässigte Priorität?

Konflikte und Kriege nehmen weltweit zu und ihre Auswirkungen werden immer verheerender. Armut, Flucht und Gewalt sind die Folgen für viele Menschen – diese Entwicklungen treffen diejenigen in vulnerablen Lebenssituationen am härtesten. Laut dem Global Humanitarian Overview 2025 benötigen mehr als 307 Millionen Menschen weltweit humanitäre Hilfe, und die Zahl wächst mit jeder Krise. Eine bedarfsorientierte Finanzierung ermöglicht es, diese Hilfe genau dort zu leisten, wo sie am dringendsten gebraucht wird.

Humanitäre Hilfe findet sich in mehreren Wahlprogrammen, allerdings meist ohne konkrete Zusagen, geplante Handlungsschritte und mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Während die SPD auf humanitäre Hilfe und Krisenprävention als diplomatisches Mittel setzt, möchten Bündnis 90/Die Grünen darüber hinaus auch Entwicklungszusammenarbeit mit Diplomatie, humanitärer Hilfe und Krisenprävention enger verknüpfen. Die Linke fordert eine rein zivile Friedenspolitik. Auffällig ist, dass die Beteiligung von Frauen an Friedensverhandlungen gemäß der UN-Resolution 1325 sowohl bei SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen in den Wahlprogrammen 2021 zu finden war, während sie in diesem Jahr nicht mehr thematisiert wird.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz: Große Unterschiede zwischen den Parteien

Die Klimakrise trifft die Regionen am stärksten, die am wenigsten zu ihr beigetragen haben. Vulnerable und marginalisierte Gruppen sind dabei besonders von den Auswirkungen betroffen. Hauptverursacherländer wie Deutschland müssen hier dringend mehr Verantwortung übernehmen und eine Vorreiterrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und bei der Klimaanpassung einnehmen.

Die Wahlprogramme zeigen erhebliche Differenzen beim Thema Klimaschutz. Die Union sieht Kernenergie als Option und will das „Verbrennerverbot“ abschaffen, während Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke für einen konsequenten Ausstieg aus fossilen Energien eintreten. Bündnis 90/Die Grünenfordert zudem den Finanzierungsstopp fossiler Energie durch multilaterale Banken und mehr Unterstützung für besonders betroffene Staaten und Gemeinschaften. Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich für Energie- und Klimapartnerschaften mit unterschiedlichen Schwerpunkten aus. Die FDP setzt auf wirtschaftliche Partnerschaften mit Fokus auf grüne Technologien. Während SPD und Bündnis 90/Die Grünen sich für gerechte Klimafinanzierung aussprechen, steht hierzu nichts im Wahlprogramm der Union. Die AfD lehnt jede Klimapolitik ab.

Menschenrechte und globale Gerechtigkeit

Auf der ganzen Welt sind marginalisierte und vulnerable Gruppen besonders von den vielfältigen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, Konflikten und Krisen betroffen. Das Ziel, ihre Rechte und ihre Mitbestimmung zu verwirklichen, sollte deutsches (entwicklungs-)politisches Handeln leiten und im Sinne einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik weiterverfolgt werden.

SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke bekennen sich zur feministischen Außen- und Entwicklungspolitik sowie zur Bekämpfung von Anti-Gender-Bewegungen und zum Schutz von LSBTIQ+. Die Union betont das Recht auf Selbstbestimmung und den Schutz von Frauen und Mädchen, bleibt jedoch vage in der Umsetzung. Beim Thema Kinderrechte gibt es über alle Parteien hinweg wenig Konkretes, ebenso zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe.

Besonders kontrovers ist das Thema Wirtschaft und Menschenrechte: Während SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke für eine Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie eintreten, will die Union das deutsche Lieferkettengesetz abschaffen. Das BSW fordert eine Reform des Gesetzes und möchte die Nachhaltigkeitsberichterstattung aussetzen. Die Lockerung bzw. Abschaffung des Lieferkettengesetzes wäre ein Rückschritt bei der Umsetzung der Menschenrechte weltweit, noch bevor es überhaupt vollumfänglich zur Anwendung gekommen ist.

Zivilgesellschaft und Demokratie: Wer setzt sich ein?

Starke Zivilgesellschaften machen die Interessen derer sichtbar, die von Ausbeutung, Ausgrenzung und struktureller Diskriminierung besonders betroffen sind; sietreten für ein demokratisches, friedliches, gerechtes und nachhaltiges Miteinander ein. Gleichzeitig werden oftmals genau die Menschen kriminalisiert, bedroht und ermordet, welche sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen. SPD und Bündnis 90/Die Grünenbekennen sich zur Stärkung der Zivilgesellschaft, während das Thema in der Unions-Programmatik kaum noch vorkommt. Hingegen spricht sich die Union – ebenso wie Bündnis 90/Die Grünen – für einen besseren Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen aus.

Fazit: Fortschritt oder Rückschritt?

Die Analyse zeigt: Während einige Parteien viele Ansätze für globale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung formulieren, bleiben zentrale Aspekte in vielen Wahlprogrammen unberücksichtigt oder werden im Vergleich zu 2021 sogar zurückgenommen. Besonders bei den Themen Friedensförderung, Entwicklungsfinanzierung und Klimagerechtigkeit gibt es erhebliche Lücken.

Die kommende Wahl wird entscheiden, welchen Stellenwert Deutschland diesen Themen in den nächsten Jahren einräumt. Wir appellieren an alle Parteien, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen. Dies ist nur möglich, wenn die Bundesregierung globale Verantwortung übernimmt.


#VerantwortungÜbernehmen für eine gerechtere Welt: Auf unserer Webseite zur Bundestagswahl 2025 haben wir unsere Forderungen an die nächste Bundesregierung formuliert. Über Unterstützung freuen wir uns – und stellen hier entsprechende Kommunikationsmaterialien bereit.