Politik

Immer wieder die gleiche Frage

Der Eingang zum Bundesentwicklungsministerium in Berlin

Derzeit wird wieder einmal diskutiert, ob das Entwicklungsministerium nicht besser abgeschafft werden sollte. Und wie zuvor lautet die Antwort auch diesmal: besser nicht! Entwicklungspolitik ist ein eigenständiges Politikfeld – aus triftigen Gründen, wie Prof. Dr. Claudia Warning, Präsidentin CARE Deutschland, erläutert.

Diesmal scheint es, als wären die Stimmen lauter als sonst: So sicher wie das Amen in der Kirche kommt spätestens alle vier Jahre während der Koalitionsverhandlungen die Diskussion auf, ob es eines eigenständigen Entwicklungsministeriums bedürfe oder das Ministerium nicht besser in das Auswärtige Amt zu integrieren sei. So ist es auch diesmal – aber diese immer gleiche Debatte, egal in welcher Ausführung, hat trotzdem die immer gleiche Antwort: besser nicht!

Die Argumente sind hinreichend bekannt: Entwicklungspolitik ist zu Recht ein eigenständiges Politikfeld mit eigenen Kompetenzen und Zielen. Ja, eine sinnvolle und enge Verschränkung mit der Außenpolitik ist notwendig, muss aber anders hergestellt werden als in einem gemeinsamen Ressort. Die Integration in das Auswärtige Amt würde Entwicklungspolitik notwendiger- und gezwungenerweise zur Nebensache machen – mit allen Folgen für etablierte Partnerschaften in der Welt, Betroffene und gut erprobte Systeme.

Auch wenn man es hierzulande immer weniger wahrnehmen will, weil sich der Fokus an so vielen Stellen auf die Innenpolitik verengt: In der Welt hat Deutschland sowohl einen guten Ruf als auch Freundschaften, die auf einer professionellen und eben nicht nur auf außenpolitischen Interessen beruhenden Entwicklungszusammenarbeit gründen. Deutschland wird dafür geschätzt, dass seine Entwicklungspolitik auch die Interessen seiner Partnerländer aufnimmt und deren Bevölkerungen konkret unterstützt. Viele Partnerländer rechnen es Deutschland hoch an, gemeinsame Interessen zu definieren. So ist Deutschland weltweit das einzige Land, welches durch sein Entwicklungsministerium zu diesem Zweck regelmäßige Regierungsverhandlungen mit den Partnerregierungen durchführt. Außenpolitik aber hat – richtigerweise – einen anderen Fokus.

Sind wir bei der gegebenen geopolitischen Lage sicher, dass wir diese entwicklungspolitischen Allianzen und Partner in der Welt nicht benötigen?

Und wollen wir in Zeiten des Sparzwangs und ohnehin zurückgehender Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe auch noch ein zweites starkes Signal in die Welt schicken? Was wahrgenommen werden wird ist: Uns ist das Politikfeld so unwichtig, dass wir sowohl die Mittel streichen – was die Menschen in Not ganz praktisch treffen wird – als auch zeitgleich das Ministerium gleich mit abschaffen. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn wir anschließend als Akteur nicht mehr für voll genommen werden. Damit gäben wir ohne Not politisches Terrain preis, welches bisher für Freunde und Partner in der Welt gesorgt und Deutschland einen guten Ruf jenseits der Außenpolitik verschafft hat.

Denn auch wenn es vordergründig anders aussieht – Deutschland würde mit einer Fusion der Ministerien leider auch an außenpolitischem Boden verlieren. Zu beobachten war und ist das in anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Großbritannien, die sich durch die Abschaffung des Entwicklungsministeriums freiwillig auch außenpolitisch verzwergt haben.

Oder aus einem anderen Blickwinkel: Das Entwicklungsministerium ist das einzige, durch welches die am stärksten von Armut betroffenen Menschen weltweit einen Platz am deutschen Kabinettstisch haben. Auch das sollte als sinnvoll anerkannt werden, denn wir leben nicht allein auf diesem Planeten. Niemand kann behaupten, dass es für Deutschland egal ist, ob weiterhin Milliarden Menschen in Armut leben. Die Folgen dieser weltweiten Wohlstandsverzerrung erleben wir täglich in der Debatte um die Flucht- und Migrationsbewegungen.

Wer die negativen Konsequenzen der Ministeriumsfusion nicht glauben mag, schaue sich die Erfahrung in einem anderen Politikfeld an: 1997 wurde das ehemalige deutsche Bauministerium in das Verkehrsministerium integriert. Die Folge: Die (Wohnungs-)Bauthemen wurden nach der Fusion nur noch als Nebenthema behandelt. Hat das dem deutschen Wohnungsmarkt gutgetan? Den fast täglichen Meldungen in den Medien zum Thema nach wohl eher nicht. Ähnliches ist für die Entwicklungspolitik zu befürchten.

Und zum Abschluss noch ein kurzer Blick in die Gegenrichtung: Der Vorschlag, die humanitäre Hilfe, die im Auswärtigen Amt angesiedelt ist, in das BMZ zu integrieren, kommt derzeit auch vereinzelt immer wieder einmal auf. Aber auch das ist nichts, was wir uns in der derzeitigen Weltlage wünschen sollten. Der größte humanitäre Geber USA hat gerade seine Hilfen in Höhe von fast der Hälfte des weltweiten Gesamtbudgets eingestellt und damit das gesamte System ins Wanken gebracht. Die Folgen der derzeitigen Situation zeichnen sich erst langsam ab. In dieser Lage deutsche Arbeitsstrukturen grundlegend zu verändern und Politikfelder im System zu verschieben, erscheint gewagt.

Deutschland ist weltweit zweitgrößter humanitärer Geber. Es muss sich jetzt verlässlich und konsequent an die Seite von Menschen in Not stellen, anstatt sich durch einen internen Umbau vorrangig mit sich selbst zu beschäftigen. Denn eines ist klar: Diese Umstrukturierung würde die Systeme erst einmal bis auf weiteres ineffizienter machen. Dies können sich die Menschen in Not weltweit derzeit nicht leisten – im Ernstfall bezahlen sie unsere „Effizienz“ mit ihrem Leben.


Prof. Dr. Claudia Warning ist Präsidentin von CARE Deutschland und ehemalige VENRO-Vorstandsvorsitzende. Von 2018 bis 2022 war sie Abteilungsleiterin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).