Mit den drastischen Haushaltskürzungen in der humanitären Hilfe bricht die Ampel in eklatanter Weise mit ihren Zielen im Koalitionsvertrag. Es wäre ein verheerender Rückzug aus der internationaler Verantwortung – und eine Entscheidung, die in ihrer Kurzsichtigkeit kaum zu überbieten ist.
Deutschland steht an einem Scheideweg: Die geplanten drastischen Kürzungen der Mittel für die humanitäre Hilfe im Bundeshaushalt 2025 gefährden nicht nur die Weiterarbeit in globalen Krisenregionen, sondern signalisieren auch einen schleichenden Rückzug der Bundesregierung aus der internationalen Verantwortung. Sollte der Haushaltsentwurf in seiner jetzigen Form verabschiedet werden, wird die Bundesregierung ihrer Rolle als ein verlässlicher Akteur in der internationalen humanitären Hilfe nicht mehr gerecht werden können. Humanitäre Hilfe würde sich die Bundesregierung dann nur noch auf Sparflamme leisten – eine Entscheidung, die in ihrer Kurzsichtigkeit kaum zu überbieten ist.
Krisen verschwinden nicht von alleine
Krisen verschwinden nicht, indem man wegschaut. Ganz im Gegenteil: Ungelöste Konflikte und humanitäre Notlagen verhärten oder eskalieren häufig, je länger sie andauern. Durch die drastischen Kürzungen in der humanitären Hilfe werden Menschen in Krisenregionen länger als notwendig in Elend und Abhängigkeit gehalten. Es ist unrealistisch zu erwarten, dass in solch einem Kontext positive Entwicklungen aus sich selbst heraus entstehen können. Im Gegenteil – die Leidtragenden dieser politischen Entscheidung sind die Millionen von Menschen, die sich bereits in existenzieller Not befinden, mehr als die Hälfte davon sind Kinder. Wegschauen führt auch zu Vertreibung und Instabilität. Derzeit sind rund 110 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Das sind fast doppelt so viele wie im Jahr 2015. Besonders dramatisch ist die Lage im Kontext kriegerischer Auseinandersetzungen, etwa in Jemen, Gaza, Libanon, Sudan und in der Ukraine. Aber auch im südlichen Afrika – in Lesotho, Malawi, Namibia, Sambia und Simbabwe – sind mehr als 27 Millionen Menschen aufgrund von beispiellosen Dürren dringend auf Unterstützung angewiesen.
Bruch des Koalitionsvertrages
Besonders eklatant ist der Bruch mit den eigenen politischen Zielen. Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung hatte einst festgelegt: „Deutschland wird den Aufwuchs der Mittel für humanitäre Hilfe bedarfsgerecht verstetigen und erhöhen, auch mit Blick auf die sogenannten ‘vergessenen Krisen’“. Mit den jetzt geplanten Kürzungen um mehr als 50 Prozent von 2024 auf 2025 wird dieses Ziel jedoch ins Gegenteil verkehrt: Statt eine bedarfsgerechte Steigerung der Mittel vorzunehmen, wird humanitäre Hilfe stark beschnitten. Das bedeutet konkret, dass viele Menschen in Krisenregionen, die bereits heute auf Unterstützung angewiesen sind, keine Hilfe mehr von Deutschland erhalten werden.
Kaum Handlungsspielraum
Etwa die Hälfte der Mittel für 2025 sind bereits jetzt verplant. Das bedeutet: Von den insgesamt zur Verfügung stehenden Geldern bleiben nur rund 400 bis 500 Millionen Euro flexibel nutzbar. So wenige Mittel gab es seit acht Jahren nicht mehr, obwohl der Bedarf an humanitärer Hilfe seitdem um mehr als 100 Prozent gestiegen ist. Diese Diskrepanz zwischen steigenden humanitären Bedarfen und sinkenden Geldern ist alarmierend. Nehmen wir den Sudan als Beispiel: Dort spielt sich die aktuell größte humanitäre Krise der Welt ab. Mehr als 14 Millionen Menschen – das entspricht mehr als der Bevölkerung Bayerns – sind auf akute Nothilfe angewiesen. Ohne ausreichend finanzielle Mittel wird Deutschland Unterstützung nur dann realisieren können, wenn sie in anderen Krisenregionen massiv zurückfahren wird.
Vergessene Krisen am stärksten betroffen
Eine Umfrage von VENRO unter seinen Mitgliedern im Mai 2023 zeigt klar auf, welche verheerenden Folgen diese Kürzungen haben werden. Besonders stark betroffen wären Länder mit sogenannten „vergessenen Krisen“ wie Angola, Burundi, Burkina Faso, die Demokratische Republik Kongo oder Jemen. In diesen Regionen ist die humanitäre Arbeit bereits jetzt herausfordernd und oft nur über zivilgesellschaftliche Partnerschaften möglich.
Gleichzeitig stehen sie kaum im medialen Fokus, sodass es für Nichtregierungsorganisationen (NRO) schwerer wird, Spenden zu sammeln. Die Bundesregierung will mit der neuen humanitären Strategie die knappen Mittel nach nationalen Sicherheitsinteressen priorisieren, wie Bodo von Borries in seinem Blogartikel schreibt.
Abgeordnete stehen jetzt in der Verantwortung
Wenn Deutschland seine humanitäre Hilfe so drastisch reduziert, wie es der Haushaltsentwurf vorsieht, bedeutet dies nicht nur eine Schwächung der globalen Krisenbewältigung, sondern auch einen plötzlichen Rückzug aus der Rolle als verlässlicher Partner in der Weltgemeinschaft. Menschen in den Krisengebieten, deren Not schon jetzt kaum Aufmerksamkeit erhält, werden im Stich gelassen.
Es ist an der Zeit, dass die Abgeordneten eingreifen, damit Deutschland seiner internationalen Verantwortung gerecht werden kann – nicht nur auf dem Papier, sondern mit Taten.
Lukas Goltermann | VENRO |