Politik

Neue ODA-Zahlen: Deutschland rechnet seine Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit schön

Das Bundesfinanzministerium in Berlin

Die aktuellen Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gewähren einen Einblick in die Finanzierung der weltweiten Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe. Deutschland positioniert sich erfreulicherweise als der viertgrößte Geber im internationalen Vergleich. Doch offenbaren die Zahlen einen besorgniserregenden Trend in Deutschland und anderen OECD-Mitgliedsländern: Die Regierungen machen immer höhere Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit (ODA) geltend. Dabei kommen weniger Mittel bei den ärmsten Menschen an.

Die OECD hat im Januar die finalen ODA-Zahlen für 2022 veröffentlicht. Sie zeigen einen Anstieg der gesamten ODA-Leistungen auf 211 Milliarden US-Dollar, was einen beachtlichen Aufwuchs von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr darstellt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der Anstieg der ODA auf zwei Faktoren beruht. Erstens haben Geberländer zusätzliche Gelder für die Unterstützung der Ukraine bereitgestellt. Zweitens werden vermehrt Unterbringungskosten für Geflüchtete als Entwicklungsausgaben gemeldet. Dieser Anteil macht mittlerweile im Durchschnitt 15 Prozent aus. Auch die Studienplatzkosten für Menschen aus dem globalen Süden werden von vielen Regierungen als Entwicklungsgelder ausgewiesen. Deutschland ist durch diesen Rechentrick zum größten Empfängerland seiner eigenen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit geworden, da rund 6,3 Milliarden US-Dollar in Deutschland bleiben. Das sind 19 Prozent der offiziellen deutschen Entwicklungsfinanzierung.

Weniger Geld für die ärmsten Menschen

Trotz des Gesamtanstiegs der ODA um 17 Prozent ist die finanzielle Unterstützung für die ärmsten Länder (Least Developed Countries, LDC) um alarmierende vier Prozent zurückgegangen. Im Durchschnitt aller OECD-Länder liegt die Quote gerade einmal bei 0,08 Prozent der gemeinsamen Wirtschaftsleistung und damit weit entfernt vom Ziel der Vereinten Nationen, 0,15 bis 0,2 Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung für die ärmsten Länder bereitzustellen. Deutschland schneidet hier leider nicht viel besser ab. Zwar hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, sie wolle die Quote auf 0,2 Prozent erhöhen, jedoch liegt diese derzeit nur bei 0,1 Prozent und war zuletzt sogar rückläufig. Die jüngsten Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit machen es zunehmend unrealistisch, dass Deutschland seiner internationale Verpflichtung nachzukommt. Am Ende der Legislaturperiode dürften die ärmsten Menschen auf dieser Welt weniger Geld aus Deutschland bekommen als zu Beginn. Unterm Strich fehlen rund fünf Milliarden US-Dollar um auf die anvisierten 0,2 Prozent zu kommen.

Unzureichende Unterstützung für die zivilgesellschaftliche Entwicklungszusammenarbeit

Besorgniserregend ist auch, dass der Anteil der Mittel, den die OECD-Länder für die zivilgesellschaftliche Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen, immer geringer ausfällt. Nichtregierungsorganisationen spielen eine entscheidende Rolle, um Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit zu fördern. In vielen Ländern sind sie dem Druck autokratischer Regierungen ausgesetzt. Es ist daher von grundlegender Bedeutung, diesem bedenklichen Trend entgegenzuwirken und zivilgesellschaftliche Entwicklungsorganisationen zu stärken.

Legt die Bundesregierung international den Rückwärtsgang ein?

Als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt trägt Deutschland eine besondere Verantwortung. Doch mit ihren drastischen Kürzungen bei der humanitären Hilfe und Entwicklungspolitik läutet die Bundesregierung ihren Rückzug aus dem System der internationalen Solidarität ein. Die Entwicklungsfinanzierung fällt in diesem Jahr knapp 3,5 Milliarden Euro niedriger aus als vor zwei Jahren. Das steht im Widerspruch zu den Ankündigungen der Ampel-Regierung, eine gestaltende und führende Rolle in der internationalen Zusammenarbeit einzunehmen.

Fazit

Die neuesten ODA-Zahlen erfordern eine differenzierte Betrachtung. Die Industriestaaten weisen immer mehr Mittel für Entwicklungszusammenarbeit aus, die letztendlich im eigenen Land verbleiben. Die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten und für Studienplätze in Deutschland als Teil des deutschen Entwicklungsbeitrags einzupreisen, erfordert eine kritische Überprüfung. Diese Rechentricks untergraben Deutschlands Glaubwürdigkeit gegenüber dem globalen Süden und sie tragen zur Desinformation der deutschen Öffentlichkeit bei. Eine verstärkte Ausrichtung des deutschen Entwicklungsbeitrags auf zivilgesellschaftliche Entwicklungsvorhaben ist entscheidend, um nachhaltige Fortschritte bei der Armutsbekämpfung zu gewährleisten und globale Ungerechtigkeiten abzubauen.


Weiterführende Links:

Analyse: Haushalt 2024

ODA-Studie: Ist Deutschlands Beitrag zur Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit und Humanitärer Hilfe ausreichend?

Positionspapier: Neue Finanzierungsansätze zur Stärkung von Zivilgesellschaft im Globalen Süden