Åsa Månsson ist seit dem 15. Juni neue Geschäftsführerin von VENRO. Im Interview stellt sie sich vor, spricht über ihre Erfahrungen in der internationalen Netzwerk- und Plattformarbeit und berichtet darüber, was sie Bundeskanzler Olaf Scholz bei ihrem ersten Treffen zusammen mit dem Vorstand mit auf den Weg geben möchte.
Frau Månsson, vor einer Woche sind Sie bei VENRO angekommen. Wie waren Ihre ersten Tage?
Sehr spannend und sehr aufregend. Ich freue mich, jetzt hier zu sein, und die Kolleg_innen, die Mitglieder und die vielen anderen Organisationen, mit denen VENRO zusammenarbeitet, näher kennenzulernen. Alle, mit denen ich in den ersten Tagen gesprochen habe, waren sehr offen und bereit, ihre Ideen und ihr Wissen zu teilen. Der Empfang war großartig.
Was zeichnet den Verband aus?
Definitiv die Mitglieder. Ich finde es wirklich bemerkenswert, dass so viele Organisationen unter einem Dach bei VENRO versammelt sind. Große und kleine, die in ganz Deutschland ansässig sind und sich mit ganz unterschiedlichen Ansätzen – von der konkreten Projektarbeit bis hin zur politischen Lobbyarbeit – für eine bessere Zukunft der Menschen einsetzen. Mein Anliegen war es immer, Organisationen zusammenzubringen, zu inspirieren und zu motivieren, Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Da sehe ich viel Potenzial. Denn ich bin überzeugt, dass die Zivilgesellschaft nur dann ihre volle Kraft entfalten kann, wenn Organisationen gut und eng zusammenarbeiten.
Ihren ersten Gesprächstermin haben Sie zusammen mit dem Vorstand mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Was geben Sie ihm mit auf dem Weg?
Natürlich gibt es vieles, was man dem Kanzler mit auf dem Weg geben möchte. Zwei Botschaften sind aus meiner Sicht zentral. Wir leben in einer Welt, in der viele Krisen gleichzeitig geschehen, und es gibt viele Entwicklungen, die einen beunruhigen. Entwicklungs- und humanitäre Organisationen übernehmen eine sehr wichtige Funktion, wenn es darum geht, Humanitäre Hilfe zu leisten und langfristige Lösungen zu finden. Ihre Arbeit sollte mehr anerkannt und gestärkt werden, damit sie weiterhin ihre unverzichtbare Arbeit leisten können.
Und die zweite Botschaft?
Bei all den Herausforderungen, vor denen wir stehen, muss Deutschland zu seiner Verantwortung stehen. Die Bundesregierung ist eine zentrale Akteurin in der internationalen Arena. Deutschland muss dort Präsenz zeigen und seinen finanziellen Beitrag auf angemessene Art und Weise leisten. Wir haben mehr Menschen denn je, die auf Unterstützung angewiesen sind. Gleichzeitig haben wir vor, die Budgets zu kürzen. Das passt einfach nicht zusammen.
Sie waren lange Zeit für das International Civil Society Centre tätig. Was waren dort Ihre prägendsten Erfahrungen?
Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, was zivilgesellschaftliche Organisationen erreichen können, wenn sie eng zusammenarbeiten, – ob es darum geht, interne Herausforderungen gemeinsam anzugehen oder Lösungen für die großen politischen Fragen zu finden. Es ist beeindruckend zu sehen, welche Kraft sich entfaltet, wenn Organisationen über ihren eigenen Radius hinaus miteinander arbeiten, statt sich in ihren eigenen kleinen Kämmerchen mit den gleichen Fragen zu befassen.
Sie sind in Schweden geboren und aufgewachsen. Wie lange sind Sie schon in Deutschland?
Ich bin jetzt seit über 15 Jahren in Deutschland, und ich würde sagen, ich bin durchaus etwas eingedeutscht. Aber ich glaube, wenn man im Erwachsenenalter in ein neues Land kommt, behält man immer eine andere Perspektive bei. Ich werde auf Deutschland immer mit einem halben Blick von außen schauen, und das finde ich gar nicht schlecht. Auch durch meine Arbeit im internationalen Kontext konnte ich meine Perspektive erweitern.
Was kann Deutschland von Schweden lernen?
Schweden hat eine Vorreiterrolle eingenommen, als die Regierung sich 2014 zu einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik bekannt hat. Das war mutig. Vor allem von jenen Frauen, die diese Politik vorangetrieben haben. Mehrere Länder sind dem Beispiel gefolgt, unter anderem Deutschland. Das zeigt, wie wichtig es ist, den Mut zu haben, voranzugehen. Nur so können andere folgen.
Auf der anderen Seite kann man auch sehen, wie wichtig es ist, solche Errungenschaften zu verteidigen. Mittlerweile haben wir in Schweden eine andere Regierung, die die Räder wieder zurückschrauben will. Das darf uns in Deutschland nicht passieren. Wir müssen jetzt die Chance nutzen, die feministische Entwicklungspolitik mit Leben zu füllen und immer wieder aufzeigen, dass eine gerechte Teilhabe in unser aller Interesse liegt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview |