Politik

Die Corona-Krise trifft die Länder im globalen Süden doppelt hart

Arbeiterinnen in einer Textilfabrik in Vietnam

Einbrechende Märkte können im globalen Süden nicht durch privatwirtschaftliche oder staatliche Rücklagen kompensiert werden. Umso wichtiger ist es, die Warenflüsse aufrechtzuerhalten, schreibt Claudia Brück, Vorstand Kommunikation und Politik bei TransFair. Ein Bericht über die wirtschaftlichen Herausforderungen im Umgang mit der Pandemie

Im Zuge der Ausbreitung des Coronavirus haben sich unser Arbeitsalltag und unser gesamtes Leben binnen kürzester Zeit komplett verändert. Unseren Bewegungsradius haben wir bei TransFair auf ein Minimum reduziert, alle externen Termine sind abgesagt, die meisten Kolleg_innen arbeiten im Homeoffice. Doch der erste Schrecken legt sich und wir betreten nun als internationale Bewegung verstärkt die virtuelle Ebene – mit dem Ziel, so viele Arbeiten wie möglich auch online zu erledigen. Denn die Partner im Süden trifft die Krise doppelt hart: Einbrechende Märkte können nicht durch privatwirtschaftliche oder staatliche Rücklagen kompensiert werden. Das Virus wird zudem auf Gesundheitssysteme treffen, deren Intensivmedizin nicht auf eine derartige Krise eingestellt ist.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind schon jetzt deutlich spürbar. Nicht nur die hiesige Wirtschaft, sondern auch Fairtrade-Partner in Nord und Süd sind massiv davon betroffen. Restaurants, Schulen und Universitäten müssen schließen, der Außer-Haus-Markt verzeichnet starke Rückgänge. Gleichzeitig führen die Hamsterkäufe der letzten Zeit zu einem Absatzboom bei Fairtrade-Bananen, -Kaffee, und -Reis sowie bei fairen Schokoladeprodukten.

Markteinbruch bei Blumen und Textilen

Aus dem ostafrikanischen Blumensektor erreichen uns hingegen besorgniserregende Nachrichten. Um Kapazitäten für die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, haben einige europäische Länder ein Verkaufsverbot von Schnittblumen beschlossen. Infolge dessen wurden viele Aufträge storniert, erste Blumenfarmen mussten bereits ihre Angestellten nach Hause schicken. Auf den Blumenplantagen wird darüber verhandelt, ob ein Teil des Verdienstausfalles über die Fairtrade-Prämien abgedeckt werden kann. Dies würde den fehlenden Lohn von knapp 60.000 Blumenarbeiter_innen etwas abmildern.

Ähnliche Nachrichten erreichen uns aus dem Textilsektor, wo ebenfalls Aufträge in Milliardenhöhe storniert wurden. Jüngst hat etwa Indien eine landesweite Ausgangssperre verhängt – Fairtrade-Textilpartner kümmern sich statt um fristgerechte Auftragserledigungen nun um ihre gestrandeten Wanderarbeiter_innen.

Warenflüsse aufrechterhalten

So verständlich gerade der Blick auf uns selbst ist, so wichtig ist es, sich auch heute für die Produzentenorganisationen im globalen Süden einzusetzen. Noch können die meisten von ihnen arbeiten. Damit dies so bleibt und die Warenströme aus dem globalen Süden so lange wie möglich geöffnet bleiben können, sprechen wir aktuell mit der Politik und dem Lebensmitteleinzelhandel.

Gleichzeitig blicken wir mit Sorge auf die zunehmenden Bewegungseinschränkungen in Lateinamerika, Afrika und Asien, die mittelfristig auch Konsequenzen für die Logistik haben werden. Kommt der Warenfluss erstmals ins Stocken, braucht es eine längere Zeit, bis die Logistik wieder funktioniert und die Menschen in Kenia, Äthiopien oder Indien wieder eine Erwerbsgrundlage erhalten.

Die aktuelle Krise fordert von uns allen Rücksicht, Verantwortungsbewusstsein und Solidarität – sowohl gegenüber Menschen unserer unmittelbaren Umgebung als auch in den Produzentenländern.


Claudia Brück ist Vorstand Kommunikation und Politik bei unserer Mitgliedsorganisation TransFair.