Service

People First Impact Method: Wie kann man lokalen Gemeinschaften eine Stimme geben?

Teilnehmende einer P-FIM-Übung

Warum gibt es trotz aller Erfahrung immer noch Programme und Projekte, die gänzlich an der Zielgruppe vorbeilaufen und kaum eine Wirkung entfalten? In vielen Fällen ist die Antwort, dass die Perspektiven und Meinungen sowie das Wissen der Zielgruppe nicht berücksichtigt wurden. Die ‚People First Impact Method‘ (P-FIM) ist ein Ansatz des gemeinschaftlichen Engagements („community engagement“), bei dem die Zielgruppe in den Mittelpunkt gestellt wird.

Vom 21. bis zum 26. November haben sich 16 Mitarbeiter verschiedener deutscher NRO aus den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe damit auseinandergesetzt, wie man Stimmen aus der Gemeinschaft besser sichtbar macht. Das Training wurde von VENRO organisiert und von Gerry McCarthy und VENRO-Vorstandsmitglied Inez Kipfer-Didavi geleitet. Die Teilnehmenden haben dabei gelernt, eigenständig P-FIM-Übungen („P-FIM exercices“) zu leiten.

Was genau ist P-FIM?

P-FIM ist eine Methode, um binnen einer Woche eine vertrauensvolle Kommunikation mit einer Gemeinschaft (z.B. der Bevölkerung in einem Stadtviertel, einer Region, oder auch spezifischer zugeschnitten) zu etablieren. Das zentrale Prinzip ist, der Bevölkerung vor Ort eine Stimme zu geben. Herausforderungen und Lösungsansätze, die möglicherweise schon vorhanden sind, können so identifiziert werden und damit die Grundlage für erfolgreiche Projekte in der Region bilden. Die Methode kann zum Design neuer Projekte und zur Evaluierung bestehender Aktivitäten genutzt werden. P-FIM wurde von Gerry McCarthy und Paul O’Hagan auf Basis langjähriger Erfahrungen entwickelt.

Ablauf einer P-FIM-Übung

Wenn in einer Region eine P-FIM-Übung durchgeführt wird, sollten mehrere (im besten Fall alle) vor Ort vertretenen Organisationen Vertreter_innen entsenden, die idealerweise aus dem Zielgebiet stammen und die lokale(n) Sprache(n) und Gebräuche kennen. Neben NRO können auch die Lokalregierung und andere lokale Akteure teilnehmen. Die Teilnehmenden, die so rekrutiert wurden, sollten eine Woche Zeit mitbringen.

Training der Teipfimlnehmenden

Im ersten Teil diskutieren die Teilnehmenden, also die Vertreter_innen der verschiedenen Organisationen, unter Anleitung des P-FIM-Trainers verschiedene Aspekte von Kommunikation. Der Schwerpunkt dabei ist es, ein Verständnis für verschiedene Levels zwischen Smalltalk und emotionaler Kommunikation zu entwickeln. P-FIM legt im Gegensatz zu vielen anderen Modellen viel Wert auf emotional dargebrachte Stellungnahmen. Zudem werden die Teilnehmenden dafür sensibilisiert, dass Mitglieder einer Gemeinschaft (wie alle Menschen) ein voll realisiertes Leben anstreben, dass dieses ein Prozess ist und das jedes Projekt gewissermaßen in medias res, also mitten im Verlauf der Ereignisse vor Ort, beginnt. Zum Schluss wird der Ablauf der Besuche bei der Gemeinschaft erklärt.

Für den zweiten Teil werden zu Beginn Fokusgruppen definiert. Dabei kann es sich zum Beispiel um Mädchen und junge Frauen, Jungen und junge Männer, Mütter, Väter sowie weibliche und männliche Ältere handeln. Marginalisierte Gruppen wie AIDS-Erkrankte oder ethnische Minderheiten sind ebenfalls als Fokusgruppen vertreten. Ziel dieser Zusammensetzung muss es sein, allen wichtigen Gruppen der Gemeinschaft eine  Stimme zu geben; und das in einem Rahmen, in dem sie nicht durch sozialen Druck, Hierarchien oder Ähnliches befangen sind und daher nicht frei sprechen können.

Besuche in der Gemeinschaft

Jede Fokusgruppe erhält zwei Besuche eines Teams von drei Teilnehmenden, die von verschiedenen Organisationen kommen sollten, um Vorannahmen auszuschließen. Jedes Dreierteam besteht aus

  • Einem/r Moderator_in („facilitator“), der/die mit offenen Fragen die Fokusgruppe zur Diskussion anregt,
  • Einem/r Reporter_in, der/die Schlüsselaussagen dokumentiert und an die Fokusgruppe zurückspielt, um sicherzustellen, dass die aufgebrachten Punkte richtig wiedergegeben werden,
  • Einem/r Beobachter_in, der/die die emotionale Stimmung aufnimmt und beobachtet, ob der/die Moderator/Moderatorin nur offene Fragen stellt.

Beim ersten Besuch wird eine „goal-free discussion“, also eine ergebnisoffene Diskussion, angestrebt. Die Fokusgruppe soll mehrheitlich unter sich diskutieren, was die wichtigsten Veränderungen in den letzten Jahren waren, wodurch sie hervorgerufen wurden, und wie die Gruppe dazu steht. Die Hauptaufgabe des Teams ist es, einfach nur zuzuhören. Insbesondere bei sensiblen Themen obliegt auch die Entscheidung, was mit diesen Informationen geschieht, der Gruppe. Dabei sollten unbedingt geschlossene Fragen, Suggestivfragen oder Beispiele vermieden werden, um der Fokusgruppe die Chance zu geben, eigenständig eine Agenda zu setzen.

Die Ergebnisse aus dem ersten Besuch bei den Fokusgruppen werden dann von allen Teams gemeinsam anhand einer Matrix ausgewertet und die Schlüsselherausforderungen identifiziert. Beim zweiten Besuch werden die wichtigsten Ergebnisse aus allen Gruppen in alle Fokusgruppen zurückgetragen. In jeder kann auf Basis der Schlüsselaussagen dann ein beidseitiges Gespräch („two way discussion“) stattfinden, das dazu dient, die angesprochenen Themen zu vertiefen und Perspektiven  im Hinblick auf die Ergebnisse anderer Fokusgruppen aufzuzeigen. Die Grundlage der Diskussion sollten dabei zwei Fragen bilden: „Was tut ihr, um Problem X zu lösen?“ und „Wie können wir euch dabei unterstützen?“. Damit wird anerkannt, dass die Gemeinschaften in vielen Fällen bereits Lösungsansätze für ihre größten Herausforderungen entwickelt haben. In diesem Zusammenhang können dann auch Themen der teilnehmenden Organisationen eingebracht werden (Fragen zur Wirksamkeit vergangener Aktivitäten, Angebote von Unterstützung etc.).

Fazit

Was genau ist daran nun neu? Viele Organisationen haben gute „community engagement“-Programme. Die Methode führt allerdings vielfältige Erfahrungswerte zusammen und bietet einen festen Rahmen, der über Zeit zu einem Standard werden könnte. Zudem sind der Fokus auf ergebnisoffene Diskussion sowie der Ansatz, mehrere Organisationen zu involvieren, innovativ. Damit ergeben sich möglicherweise neue Kooperationsmöglichkeiten und Projektansätze. P-FIM funktioniert am besten, wenn es von Anfang an in das Projektkonzept eingebunden wird.


Der genaue Ablauf einer Übung, verschiedene Aufgaben für das Training sowie Vorlagen zur Auswertung sind im P-FIM-Toolkit erhältlich. Mehr Informationen und das Toolkit sind auf der Website http://p-fim.org/ frei verfügbar.

Weitere Informationen über das VENRO-Projekt Qualität und Wirksamkeit sowie kommende Fortbildungsangebote erhalten Sie hier.