Politik

Wir müssen Konflikte adressieren, wenn wir Zero Hunger erreichen wollen

Der neue Welthunger-Index 2021 reiht sich ein in eine Kette alarmierender Berichte. Befeuert durch multiple Krisen wie Covid-19, Klimawandel und Konflikte stagniert der Fortschritt oder hat gar Rückschläge bei der Erreichung von Zero Hunger zu verzeichnen. Es braucht resiliente Ernährungssysteme, um den Krisen zu begegnen.

Wir sind dramatisch vom Kurs auf Zero Hunger abgekommen

Der Welthunger-Index 2021 (WHI) zeigt zwar, dass der Hunger global betrachtet seit dem Jahr 2000 sukzessive zurückgegangen ist, jedoch steigt die Verbreitung von Unterernährung, einer der vier WHI-Indikatoren, seit einigen Jahren wieder. Dies ist ein Warnsignal für zukünftige Umkehrungen auch bei anderen Indikatoren. Bei dem derzeitigen Tempo wird die Welt als Ganzes – und 47 Länder im Besonderen – das Ziel Zero Hunger bis 2030 deutlich verfehlen. 28 dieser Länder liegen in Afrika südlich der Sahara. Dem WHI 2021 zufolge befindet sich ein Land – Somalia – in einer gravierenden Hungersituation. In neun Ländern ist die Situation sehr ernst: Burundi, Demokratische Republik Kongo, Jemen, Komoren, Madagaskar, Südsudan, Syrien, Tschad und Zentralafrikanische Republik.*

Multiple Krisen verschärfen den Hunger

Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie noch nicht in vollem Umfang in die Berechnungen für den WHI einfließen konnten. Das heißt: In Zukunft verschärft sich der Trend womöglich weiter! Die Pandemie beeinträchtigt Ernährungssicherheit u.a. durch Einkommensverluste aufgrund von Infektionen, Quarantäne, Lockdowns, durch Beeinträchtigung der Nahrungsmittelversorgung sowie daraus resultierende Preiserhöhungen. Zugleich können wichtige ernährungsrelevante medizinische Leistungen wie Impfungen, Behandlung von Fehlernährung oder Schwangerschaftsbetreuung nicht mehr angeboten oder in Anspruch genommen werden.

Ein weiterer Hungertreiber ist der Klimawandel. Bereits jetzt verschärft der Klimawandel die Ernährungsunsicherheit durch höhere Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster und häufigere Extremwetterereignisse; und die Auswirkungen sind weitverbreitet, rasant und intensivieren sich.

Konflikte bleiben Haupttreiber von Hunger

Gewaltsame Konflikte werden immer schwerwiegender und langwieriger – und bleiben Haupttreiber von Hunger . In acht von zehn Ländern mit sehr ernsten, bzw. gravierenden WHI-Werten ist der Hunger maßgeblich durch Konflikte bedingt: Somalia, Tschad, Demokratische Republik Kongo, Zentralafrikanische Republik, Südsudan, Burundi, Syrien, Jemen. Gewaltsame Konflikte beeinträchtigen nahezu jeden Bereich von Ernährungssystemen – von der Erzeugung bis hin zum Konsum; z.B. durch negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft, wenn Ernten oder Betriebsmittel vernichtet oder geraubt werden, Land unzugänglich wird und Arbeitskräfte infolge von Verletzungen, Tod oder Vertreibung fehlen. Gleichzeitig kann erhöhte Ernährungsunsicherheit zu Konflikten beitragen. Diese Wechselwirkung zwischen Konflikt und Hunger zeigt: Ohne Ernährungssicherheit ist eine nachhaltige Friedenssicherung kaum möglich, und ohne Frieden ist es unwahrscheinlich, den weltweiten Hunger zu beenden.

Resiliente Ernährungssysteme können zur Friedensförderung beitragen

Um die Resilienz von Gemeinden angesichts von Herausforderungen wie dem Risiko gewaltsamer Konflikte, des Klimawandels, Extremwetterereignissen und wirtschaftlichen Schocks zu stärken, müssen wir die Ernährungssysteme so verändern, dass sie nachhaltig und gerecht werden. Selbst inmitten von Konflikten und extremer Vulnerabilität können Interventionen zur Ernährungssicherung und zum Aufbau von Resilienz einen Beitrag zur Friedensförderung leisten. Das zeigt der diesjährige Gastbeitrag im WHI von Dan Smith und Caroline Delgado vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI).

Letztlich ist es jedoch entscheidend, dass Konflikte politisch gelöst werden. Das Völkerrecht muss gestärkt und Verletzungen des Rechts auf Nahrung, einschließlich in Konfliktsituationen – etwa durch den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe – konsequent sanktioniert werden.

*In fünf dieser Länder zeigt dies der WHI-Wert (Dem. Rep. Kongo, Jemen, Madagaskar, Tschad, Zentralafrikanische Republik). In vier weiteren Ländern lagen nicht ausreichend Daten vor, um einen WHI-Wert zu berechnen, sie wurden auf Basis vorhandener Daten vorläufig in diese WHI-Schweregradkategorie eingestuft (Burundi, Komoren, Südsudan, Syrien).

 


Zum Welthunger-Index:

Der Welthunger-Index (auf Englisch: Global Hunger Index, GHI) misst und vergleicht jährlich die Ausprägung von Hunger und Unterernährung in der Welt, verschiedenen Regionen und einzelnen Ländern. Er soll zu einer stärkeren Wahrnehmung und einem besseren Verständnis des Kampfes gegen den Hunger führen und lenkt die Aufmerksamkeit auf jene Weltregionen, in denen zusätzliche Ressourcen am dringendsten benötigt werden, um den Hunger zu beenden. Weitere Informationen zu den Ergebnissen, der Berechnung des Index und zur Situation in einzelnen Ländern, sowie den Gesamtbericht zum Download finden Sie unter: www.welthungerindex.de