Politische Umbrüche und die Delegitimierung internationaler Zusammenarbeit prägten das VENRO-Forum im vergangenen Dezember. Mit Blick auf dieses angespannte Umfeld wurde deutlich: Es braucht feministische Strategien, internationale Allianzen und Mut zu neuen Narrativen, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.
Am 11. Dezember 2024 versammelten sich Mitarbeitende verschiedenster VENRO-Mitgliedsorganisationen in Berlin, um die Herausforderungen und Chancen feministischer Ansätze in der internationalen Zusammenarbeit zu diskutieren. Das VENRO-Forum „Kurs halten trotz Gegenwind: Feministische Ansätze in herausfordernden Zeiten“ fand in einem angespannten politischen Umfeld statt: Politische Umbrüche in den USA und das Ende der Ampelkoalition in Deutschland haben Unsicherheiten verstärkt, während Angriffe auf feministische Ansätze und die Delegitimierung der Entwicklungsarbeit zunehmen. Die VENRO-Vorsitzende Gudrun Schattschneider eröffnete die Veranstaltung mit einem eindringlichen Appell für Solidarität und Entschlossenheit. Sie rief dazu auf, feministische Prinzipien resilient gegen politische Rückschläge zu verteidigen.
Delegitimierungskrise und feministische Strategien
Ein zentrales Thema des Forums war die Delegitimierung internationaler Zusammenarbeit. Liana Hoornweg, die Geschäftsführerin von PARTOS, dem niederländischen Pendant zu VENRO, schilderte in einem Beitrag die zunehmend schwierigen Bedingungen für Nichtregierungsorganisationen (NRO). Mit der Regierungsbeteiligung von Rechtspopulisten in den Niederlanden ergibt sich für sie eine schwierige neue politische Arbeitsgrundlage. NRO im Bereich der internationalen Zusammenarbeit müssen sich gegen Falschinformationen, rechtspopulistische Kampagnen und Budgetkürzungen behaupten. Das Ende der niederländischen feministischen Außenpolitik und die massiven Budgetkürzungen für NRO zeigen, wie schnell Fortschritte zurückgedreht werden können. Hoornweg hob hervor, wie wichtig es ist, Medienpräsenz strategisch zu nutzen und neue Allianzen – etwa mit Gewerkschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren – zu schmieden, um feministische Ansätze zu verteidigen.
Feminismus als Schlüssel zu globaler Gerechtigkeit
In ihrer Keynote plädierte Kavita Ramdas für ein radikales Umdenken in Entwicklungs- und Finanzierungsmodellen, die tief in kolonialen und patriarchalen Strukturen verankert sind. Drei zentrale Ansätze standen dabei im Fokus. Ein wichtiger Aspekt ist laut Ramdas der Entwicklungsrahmen (Frame): Ramdas machte deutlich, dass aktuelle Entwicklungsmodelle auf kolonialen und neokolonialen Strukturen beruhen, die Ungleichheit fortschreiben und nachhaltige Lösungen behindern. Zweitens definierte sie einen intersektionalen Feminismus (Feminism) als umfassenden Ansatz im Kampf gegen alle Formen von Unterdrückung, die private und politische Bereiche gleichermaßen umfasst. Als dritten Baustein nannte Ramdas die Finanzierung (Funding). Sie stellte heraus, dass Entwicklungsfinanzierung oft Abhängigkeiten zwischen dem globalen Norden und Süden festigt, anstatt Armut und Ungleichheit nachhaltig zu bekämpfen. Abschließend appellierte sie, Entwicklungspolitik ganzheitlicher und kritischer zu betrachten, um Machtstrukturen zu durchbrechen und eine gerechtere Weltordnung zu schaffen, die intersektionalen Feminismus in den Mittelpunkt stellt.
Kommunikationsstrategien gegen Widerstände
In einer Panel-Diskussion beleuchteten Cornelia Grothe (AMICA), Klaus Jetz (LSVD+) und Anne Dreyer (Brot für die Welt) die Herausforderungen feministischer Entwicklungsarbeit aus der Arbeitsperspektive von VENRO-Mitgliedsorganisationen. Cornelia Grothe betonte, wie wichtig die finanzielle Unabhängigkeit ist, um feministisch arbeiten zu können. Feminismus sei ein resilientes Konzept, das unabhängig von staatlicher Unterstützung und politischer Konjunktur ein zentraler Bestandteil der zivilgesellschaftlichen Arbeit bleiben müsse. Klaus Jetz sieht Feminismus als natürlichen Partner der queeren Arbeit und forderte, feministische Themen stärker im Mainstream zu verankern. Sensibilisierung im Inland und die gezielte Förderung von Partnerorganisationen vor Ort seien dabei zentrale Elemente. Anne Dreyer hob hervor, dass Kommunikation zugänglicher und verständlicher werden müsse, ohne dabei in stereotype Vereinfachungen zu verfallen. Angesichts einer stark polarisierten Öffentlichkeit sei es wichtig, Visionen einer gerechteren Welt zu vermitteln und gleichzeitig Hass und Hetze zu vermeiden. Ein zentrales Thema war der Umgang mit dem politischen Gegenwind.
Abschließend wurden konkrete Handlungsempfehlungen formuliert: Es brauche klare Kommunikationsstrategien und kooperative Kampagnen, um die Relevanz und Wirkung feministischer und inklusiver Ansätze besser zu verdeutlichen. Gleichzeitig sollten Schutzkonzepte und Netzwerke ausgebaut werden, um die Arbeit der NRO langfristig abzusichern. Solidarität sollte dabei nicht nur als einseitige Unterstützung verstanden werden, sondern als Ausdruck gemeinsamer Interessen.
Eine Ermutigung für Solidarität und Wandel
Das VENRO-Forum 2024 ermutigte, auf feministische Ansätze als transformative Kraft zu schauen, um Solidarität und globale Verantwortung zu stärken. Strategische Kommunikation, internationale Allianzen und der Mut, neue Narrative zu entwickeln, sind essenziell, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Wir sollten Feminismus daher nicht nur verteidigen, sondern als Wegweiser für eine gerechtere Welt etablieren.
Leseempfehlung: Unser NRO-Report „Feminist Journeys“ enthält Anregungen und Beispiele aus unserer Mitgliedschaft, welche Wege zur Überwindung von patriarchalen Machtstrukturen und hinzu einer feministischeren Welt beschritten werden können. Er gibt Impulse für Veränderungsprozesse: Lassen Sie sich gerne inspirieren!
Almut Clara Huss | VENRO |