Politik

Im Zuge der Gesundheitskrise droht eine Hungerkrise

Die COVID-19-Pandemie trifft die Ärmsten am härtesten. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) warnt vor einer Welternährungskrise in Folge der Pandemie. Die am stärksten bedrohten Länder und Menschen bedürfen dringend unserer Solidarität. Die Coronakrise sollte aber auch ein Anlass sein, unsere Art zu produzieren und zu konsumieren zu überdenken. 

Bauern bleiben auf ihren Produkten sitzen, weil Händler sie aufgrund der Ausgangssperre nicht mehr in die Städte transportieren können. Tagelöhner und Wanderarbeiter_innen finden keine Einkommensmöglichkeiten mehr. Für hunderte Millionen Schulkinder weltweit entfallen Schulspeisungen, auf die sie als tägliche Mahlzeit angewiesen sind.

Die COVID-19-Pandemie hat vor allem Auswirkungen auf Länder und Menschen, die ohnehin schon mit Armut, Hunger, Krieg, Flucht und den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sind. Die Pandemie könnte verheerende Folgen auf die Ernährungssicherheit in den Ländern des globalen Südens haben. Die Unterbrechung von Lieferketten, Handelsbeschränkungen, Hamsterkäufe und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit können Nahrungsmittel verknappen und ihre Preise in die Höhe schießen lassen. Damit werden ausreichend sowie gesunde Nahrungsmittel für ärmere Menschen unerschwinglich.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Menschen, die weltweit unter chronischem Hunger leiden, auf über 820 Millionen gestiegen. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die Auswirkungen des Klimawandels und bewaffneter Konflikte. Durch die drohende Rezession werden Millionen weiterer Menschen in Armut und Hunger abrutschen. Die Afrikanische Union rechnet im Zuge der Corona-Pandemie mit dem Verlust von 20 Millionen Arbeitsplätzen und einem Rückgang des Wirtschaftswachstums um 4,5 Prozent. Über die finanziellen Ressourcen, einen „Rettungsschirm“ aufzuspannen, verfügen die Regierungen der ärmsten Länder nicht. Ihre Gesundheitssysteme sind schwach, auch eine soziale Absicherung ist kaum vorhanden.

Die Schwachstellen des globalen Ernährungssystems werden ersichtlich

Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung ein Sofortprogramm auflegt, um die ärmsten Länder bei der Bekämpfung der Coronakrise zu unterstützen. Diese Mittel müssen aber auch längerfristig für die Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen zur Verfügung gestellt werden. Nicht nur die Gesundheits- und Sozialsysteme müssen gestärkt werden, auch Programme zur Einkommensschaffung und Ernährungssicherung müssen fortgeführt und ausgebaut werden.

Die Krise wirft aber auch ein Schlaglicht auf die Schwachstellen des globalen Ernährungssystems und ihre fatalen Auswirkungen auf die am meisten gefährdeten Menschen. So hat zum Beispiel die starke Abhängigkeit vieler ärmerer Länder von Nahrungsmittelimporten zur Folge, dass sie Preisschwankungen auf dem Weltmarkt ausgeliefert sind und gesunde Lebensmittel gerade für arme Menschen kaum erschwinglich sind. Die Art, wie wir Lebensmittel produzieren, handeln und konsumieren, ist nicht nur für ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Forscher haben bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie gewarnt, dass die weltweit zunehmende Entwaldung, die Ausdehnung von Agrarflächen und das damit einhergehende Artensterben das Risiko, dass Krankheitserreger von Tieren auf Menschen übertragen werden, stark erhöhen.

Mit der Corona-Pandemie steigt der Druck, nun ernsthaft Maßnahmen zu ergreifen, die unser Ernährungssystem gerechter, nachhaltiger und widerstandsfähiger gegen Krisen machen.


Andrea Sonntag ist Referentin für Ernährungspolitik bei unserer Mitgliedsorganisation Welthungerhilfe.