Politik

Weltklimakonferenz: Das Vertrauen in den Globalen Norden bröckelt

Der Juli 2023 war der heißeste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Verheerende Dürren und Waldbrände in Südeuropa und Nordafrika und tödliche Überflutungen in Asien waren die Folge. Die diesjährige Weltklimakonferenz steht jedoch nicht nur wegen der extremen Wetterereignisse vor großen Herausforderungen. Bereits in den Vorverhandlungen zeigte sich ein erheblicher Vertrauensverlust zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern. Mareike Haase aus dem VENRO-Vorstand erklärt im Interview, welche konkreten Maßnahmen jetzt beschlossen und umgesetzt werden müssen.

Frau Haase, was muss passieren, damit die Weltklimakonferenz ein Erfolg wird?

Wenn die 28. Weltklimakonferenz (COP28) ein Erfolg werden soll, müssen Deutschland und alle anderen Industrieländer auf diejenigen Staaten zugehen, die am meisten unter den Folgen der Klimakrise leiden, obwohl sie am wenigsten dazu beigetragen haben. Die Verhandlungen um die Klimafinanzierung und um den Fonds für Schäden und Verluste sind dafür zentral.

Außerdem braucht es von Seiten der Industriestaaten glaubwürdige Pläne, wie sie ihre eigenen CO2-Emissionen senken und die Energiewende im Globalen Süden unterstützen wollen. Immer noch fließen Billionen von privaten und öffentlichen Mitteln in fossile Brennstoffe statt in erneuerbare Energien. Da müssen wir gegensteuern mit konkreten Maßnahmen, die einen weltweit gerechten Ausstieg aus fossiler Energie ermöglichen.

Was ist notwendig, um das Vertrauensverhältnis zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden zu stärken?

Die Menschen im Globalen Süden brauchen dringend mehr Mittel, um ihre Städte und ihre Landwirtschaft an die klimatischen Veränderungen anzupassen und sich besser vor Hitze, Dürren und Hochwasser zu schützen. Aber auch mehr Investitionen in erneuerbare Energien sind notwendig. Sonst kann die globale Energiewende nicht gelingen.

Die Industriestaaten müssen auf der COP28 glaubhaft nachweisen, dass sie dieses Jahr und in der Zukunft die zugesagten 100 Milliarden US-Dollar jährlich – rückwirkend ab dem Jahr 2020 – zur Klimafinanzierung der Länder des Globalen Südens bereitstellen.

Im Jahr 2020 lag die Klimafinanzierung bei nur rund 83 Milliarden US-Dollar, im Jahr 2021 bei knapp 90 Milliarden US-Dollar. Deswegen fordern wir Mittel von insgesamt 600 Milliarden US-Dollar für den Zeitraum von 2020 bis 2025. So wären die Versprechen erfüllt und verfehlte Finanzierungsziele ausgeglichen.

Äußerst kritisch sehen wir bei der Klimafinanzierung allerdings, dass der Großteil der Mittel in Form von Krediten zur Verfügung gestellt wird. Der Kredit selbst sowie die Zinsen dürfen keinesfalls zu einer weiteren Überschuldung von Ländern führen, die ohnehin schon von der Corona-, Energie- und Nahrungsmittelpreiskrise gebeutelt sind. Sowohl durch eine Reform der Entwicklungsbanken als auch durch umfassende Instrumente zum Schuldenerlass sollte die UN-Staatengemeinschaft hier gegensteuern.

Reicht es denn aus, allein mehr Mittel für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen bereitzustellen?

Viele Klimaschäden sind längst eingetreten. Sie sind die Folge unzureichender Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen. Für diese Schäden müssen die Verursacher_innen der Klimakrise einen Ausgleich zahlen. Der Beschluss der letzten Weltklimakonferenz, einen Fonds für Schäden und Verluste einzurichten, war ein Meilenstein für globale Klimagerechtigkeit. Jetzt – nach einem Jahr zäher Verhandlungen – ist es den Industrie- und Entwicklungsländern gelungen, einen Vorschlag zur Ausgestaltung des neuen Fonds auszuhandeln, welcher bei der COP28 beschlossen werden muss.

Wie sieht der Vorschlag aus?

Letztendlich haben sich die Industrieländer mit ihrem Vorschlag durchgesetzt, den Fonds bei der Weltbank anzusiedeln. Die Gruppe der Entwicklungsländer sieht das kritisch, da die Weltbank einen Fokus auf Kredite statt Zuschüssen legt. Sie hatten einen eigenständigen Fonds unter der Klimarahmenkonvention vorgeschlagen. Der Kompromiss ist daher eine Interimslösung für vier Jahre. Danach soll geprüft werden, ob der Fonds bei der Weltbank langfristig angesiedelt werden sollte.

Die bitterste Pille, die jedoch die Entwicklungsländer schlucken mussten, ist die Weigerung der Staatengemeinschaft eine Selbstverpflichtung zur Einzahlung einzugehen. Die Einzahlung ist freiwillig. Dabei sollten gerade die Industriestaaten in der ersten Reihe der Verantwortung stehen gefolgt von den hochemittierenden Schwellenländern und ölexportierenden Entwicklungsländern. Der Fokus wird in Zukunft darauf liegen, ob der Fonds bedarfsgerecht ausgestattet wird. Das wird die größte Herausforderung sein.

Den ausgehandelten Kompromiss muss die Weltklimakonferenz jetzt beschließen. Sollten Deutschland oder andere Industriestaaten ihre Zustimmung verweigern oder versuchen, mehr Vorteile herauszuhandeln, würde dies das Vertrauen der betroffenen Länder in den Globalen Norden tief erschüttern.

Ist ausreichend sichergestellt, dass nationale und internationale Zivilgesellschaften ihre Positionen bei den Verhandlungen einbringen können?

Die diesjährige Weltklimakonferenz findet in einem Land mit einer besorgniserregenden Menschenrechtslage statt. Die Vereinigten Arabischen Emirate gehören zu den gefährlichsten Orten weltweit für LGBTIQ+-Personen. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist erheblich eingeschränkt, ebenso wie das Recht auf friedliche Versammlung. Als Gastgeberland der COP28 haben sich die Vereinten Arabischen Emirate verpflichtet, auf der Konferenz Raum für friedliche Versammlungen zu schaffen. Dies muss konsequent umgesetzt werden.

Ein besorgniserregender Trend ist zudem, dass die Zahl der Lobbyist_innen der fossilen Industrie auf der Weltklimakonferenz in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen hat. Es ist längst überfällig, dass die Staatengemeinschaft den globalen Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen beschließt. Eine Einigung kann aber nur zustande kommen, wenn die Regierungsvertreter_innen ihre Ziele klar von Interessen der Öl- und Gasindustrie-Lobby abgrenzen. Stattdessen sollten sie dafür Sorge tragen, dass den Gruppen, die besonders von der Klimakrise betroffen sind, mehr Gehör geschenkt wird.


Unsere Forderungen zur 28. Weltklimakonferenz finden Sie in unserem Positionspapier „Kurskorrektur für den Klimaschutz“, das wir zusammen mit der Klima-Allianz Deutschland herausgegeben haben.