Politik

„Der Zeithorizont für freiwilliges Engagement ist straffer geworden“

Freiwilliges Engagement ist unverzichtbar, um eine global gerechte Welt zu verwirklichen. Doch die Hürden sind oft hoch. Im Interview spricht Rainer Sprengel, Leiter des Arbeitsbereichs Information und Kommunikation beim Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE), über die Herausforderungen für globales Engagement in unserer heutigen Zeit und erläutert, an welchen Stellen, das Bundesentwicklungsministerium seine Engagement-Strategie nachbessern sollte.

Herr Sprengel, welche Möglichkeiten gibt es, sich für eine global gerechte Welt zu engagieren?

Die Welt im Kleinen zu verändern ist der Anspruch von über 80 Prozent bürgerschaftlich engagierter Menschen: Dieser bürgerschaftliche Realismus ist eine gute Voraussetzung, um bei den vielen Menschheitsfragen handlungsfähig zu sein und nicht zu verzweifeln. Die vorhandenen zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie sie etwa bei VENRO organisiert sind, diverse Freiwilligendienste sowie die ständige Neugründung von zivilgesellschaftlichen Organisationen oder Projekten bieten viele Engagementmöglichkeiten. Neben der Arena der organisierten Zivilgesellschaft gibt es ebenso den Aktivitätsraum politischer Parteien und die Arena der gewinnorientierten Wirtschaftsunternehmen. Die Spielregeln unterscheiden sich, doch in jeder Arena kann man sich für eine sozial gerechte Welt engagieren.

Sind junge Menschen heute engagierter als früher?

Junges Engagement verstehe ich qualitativ. Es wird von Engagierten ausgeübt, deren Lebenswelt noch von Schule, Lehre, Erststudium, Freiwilligendiensten oder Ähnliches geprägt ist, in der es also noch darum geht zu lernen, „auf den eigenen Füßen“ zu stehen. Dann muss man vor allem sehen, dass es in strafferen Zeithorizonten als noch vor 20, 30 Jahren stattfindet. Andererseits ermöglicht insbesondere der digitale Raum eine zeitlich flexible Aktivität, wenn man ihn zu nutzen weiß. Hier sind auch neue Kulturtechniken entstanden, die viele Jüngere beherrschen und die viele Ältere gar nicht erkennen. Mit Smartphone und Co ist die Welt vor Ort angekommen, begleitet uns unterwegs. Ansonsten ist junges Engagement so vielschichtig wie immer.

Warum braucht das Ehrenamt das Hauptamt?

Die meisten bürgerschaftlich Engagierten können im Schnitt nur bis zwei Stunden pro Woche für ihr Engagement aufbringen – neben einer kleinen Gruppe Hochengagierter, die 20 Stunden und mehr pro Woche ehrenamtlich tätig sind. Zugleich sind die Herausforderungen in unserer globalisierten und verrechtlichten Welt hoch, um wirksam werden zu können. Zeitliche Koordination vieler Ehrenamtlicher, fachliche Schulungen, Verwaltungsaufgaben – die kleine Gruppe Hochengagierter einerseits, Hauptamtliche andererseits ermöglichen es vielen Engagierten erst ihre eigenen beschränkten Zeitressourcen sinnvoll einzusetzen.

An welchen Punkten muss das BMZ seine Strategie nachbessern, um Eine-Welt-Engagement besser zu fördern?

Insgesamt hat mich der gestalterische Anspruch überrascht, den das BMZ mit Engagement Global in der Strategie geltend macht. So liest sich Subsidiarität nicht. Die Engagierten selbst sollten die Themen setzen. Bürgerschaftlich Engagierte und zivilgesellschaftliche Organisationen müssen dabei immer im Zusammenhang gedacht werden – denn auch Einzelpersonen, die sich engagieren, werden ihre zivilgesellschaftlichen Organisationen gründen, wenn sie wirksam werden wollen und Geld benötigen. Spätestens 2024 muss eine Kohärenz mit der dann vorliegenden Bundesengagementstrategie der gesamten Bundesregierung hergestellt werden.