Politik

„It All Starts at Home“: Weltstädteforum in Kairo betont zentrale Rolle des lokalen Handelns

WUF-Veranstaltung der Global Platform for the Right to the City

Welche Rolle spielen Städte für die globale Nachhaltigkeit? Auf dem World Urban Forum, der größten Konferenz zu nachhaltiger Urbanisierung, diskutierten 24.000 Menschen aus 180 Ländern über diese und weitere zentrale Fragen zur Zukunft des Planeten.

„Der Kampf um die globale Nachhaltigkeit wird sich in Städten entscheiden”, erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon bereits 2012. Die Neue Urbane Agenda, Abschlussdokument der dritten Weltstädtekonferenz Habitat III im ecuadorianischen Quito 2016, betonte dann auch die Schlüsselrolle von Städten und städtischen Akteuren für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.

Daran anschließend verwies das 12. Weltstädteforum (World Urban Forum, kurz WUF) in Kairo, Ägypten, im November 2024 mit seinem Motto It All Starts at Home auf die zentrale Rolle des lokalen Handelns, um globale Nachhaltigkeitsziele in die Tat umzusetzen: „You are at the heart of where lasting change happens“, erinnerte UN-Generalsekretär António Guterres die Teilnehmenden in seiner Videoansprache bei der Eröffnungsfeier. Die Konferenz, größte Austausch- und Vernetzungsplattform der städtischen Fachcommunity, konzentrierte sich auf die thematischen Schwerpunkte angemessenes Wohnen, Klimawandel und Stadtentwicklung, Arbeiten in Partnerschaften, städtische Finanzierung, digitaler Wandel und urbane Krisen.

Der neuen Exekutivdirektorin von UN-Habitat, Anacláudia Rossbach, zufolge brach das diesjährige WUF gegenüber seinen elf Vorgängern zahlreiche Rekorde: Es gab 24.000 Teilnehmende aus über 180 Ländern und rund 700 Veranstaltungen von etwa 1.500 Organisationen. Unter den Teilnehmenden waren vier Staatschefs, über 60 Minister_innen und 96 Bürgermeister_innen. Mit dem Austragungsort Kairo fand das WUF, das UN-Habitat gemeinsam mit der ägyptischen Regierung ausrichtete, seit seiner Gründung im Jahr 2002 erstmalig wieder auf dem afrikanischen Kontinent statt.

Cairo Call to Action: Städte im Blickpunkt zwischen Krisen und Wandel

Das Weltstädteforum endete mit einem Cairo Call to Action, der Urbanisierung als nicht umkehrbaren Megatrend benennt und die Chancen von Städten für die Bekämpfung zentraler globaler Krisen betont:

  • Globale Wohnraumkrise: Im Cairo Call to Action steht die Forderung nach Umsetzung des Rechts auf Wohnen an erster Stelle. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass die ‚Wohnungsfrage‘ 2016 in der New Urban Agenda gegenüber anderen Themen der Stadtentwicklung nicht (mehr) im Vordergrund stand. Diesmal jedoch wurde deren Zentralität von zahlreichen Inputgeber_innen des WUF betont, unter anderem in der Hauptveranstaltung Housing our future. Die Wohnsituation habe unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensqualität von Personen und Haushalten, sei entscheidend für deren Zugang zu Arbeit, zu Bildung und Gesundheit sowie zu Sicherheit und Stabilität. Darüber hinaus wirke sich der Wohn- und Gebäudesektor stark auf andere zentrale Politikfelder aus, wie etwa auf Klimaschutz und -anpassung, Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung. Partnerorganisationen Misereors, wie die Habitat International Coalition (HIC) und die Global Platform for the Right to the City (GPR2C), beklagten die zunehmende Kommerzialisierung städtischer Wohn- und Bodenmärkte durch finanzstarke Investor_innen aus dem In- und Ausland. Unter anderem nähmen Kurzzeitmietangebote wie die der Airbnb-Plattform auch in Städten des globalen Südens deutlich zu – günstiger Mietwohnraum ginge verloren. Dies wie auch die unzureichende staatliche Finanzierung kostengünstigen Wohnraumes leiste der Vertreibung armer Städter_innen aus den Innenstädten oder anderen guten Wohnlagen zusätzlich Vorschub.
  • Flucht und Vertreibung: „Conflict and humanitarian crisis continue to destroy lives and homes“, unterstreicht das Abschlussdokument. Ein Großteil der etwa 117 Millionen Menschen, die 2023 entweder innerhalb ihres Landes oder aus anderen Ländern vertrieben wurden, sucht in Städten Zuflucht. Die Hauptveranstaltung The Loss of Home widmete sich daher den Herausforderungen, mit denen von humanitären Krisen betroffene Menschen sowie Stadtverwaltungen und -gesellschaften bei der kurzfristigen oder dauerhaften Aufnahme von Geflüchteten konfrontiert sind. Dabei gelte es auch, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erhöhen. Insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen thematisierten zudem Vertreibungen und Zwangsräumungen innerhalb von Städten, speziell von Bewohner_innen informeller Siedlungen. Nötig seien an internationalen Menschenrechtsstandards orientierte Entschädigungs- und Rückgabeverfahren sowie eine systematische Dokumentation von Zwangsvertreibungen, an der Betroffene beteiligt würden. Diese sei auch in die nationale und lokale Berichterstattung über die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) zu integrieren. In einer von der Misereor-Partnerorganisation Housing and Land Rights Network (HLRN) ausgerichteten Veranstaltung bezeichnete Balakrishnan Rajagopal, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Wohnen, sogenannte entwicklungsbedingte Vertreibungen (z.B. durch große Infrastrukturvorhaben) dabei als großen „elephant in the room“: Dadurch ausgelöste Menschenrechtsverletzungen müssten adressiert werden.
  • Klimakrise: Städte und Kommunen bemühen sich schon seit Jahren um eine aktive Mitgestaltung nationaler und internationaler Klimapolitik. Im Hauptevent Cities and the climate crisis forderte daher der stellvertretende Exekutivdirektor von UN-Habitat, Michal Mlynar, diese bei der anstehenden Überarbeitung der Nationalen Klimabeiträge in den Mittelpunkt zu stellen – auch mit Blick auf die internationale Klimakonferenz (COP 29), die unmittelbar im Anschluss an die WUF in Baku, Aserbaidschan, stattfand. Dort richtete UN-Habitat eine Fachminister_innenkonferenz zu ‚Urbanisierung und Klimawandel‘ aus und brachte gemeinsam mit dem internationalen Städteverband ICLEI ihre Initiative Sustainable Urban Resilience for the Next Generation (SURGe)
  • Ebenfalls mahnte Mylnar die ungleiche Verteilung der Klimawandelfolgen an. Obwohl der Cairo Call for Action „Städte an vorderster Front beim Klimaschutz“ sieht, fehlt in der Erklärung eine dem Thema gewidmete eigene Handlungsaufforderung. Ein Appell für eine menschenrechtsbasierte Klimapolitik sowie für eine effektive politische Repräsentation und direkten Zugang zu Klimafinanzierung für Nichtregierungsorganisationen und betroffene Communities ist so zwar zwischen den Zeilen zu lesen, aber nicht explizit formuliert.

Neuer Strategieplan: Von Krisen zu Chancen, von Austausch zur Mitsprache?

Nach Abschluss des WUF steht mit der Verabschiedung des neuen Strategieplans von UN-Habitat (2026 – 2029) auf dessen Generalversammlung im Mai 2025 ein weiterer Meilenstein an. Der aktuelle Entwurf benennt in Bezugnahme auf die oben genannten globalen Krisen den „Zugang zu angemessenem Wohnraum, Land und Basisdienstleistungen und die Transformation informeller Siedlungen“ als übergeordnetes Ziel und strategischen Anker. Für die Umsetzung dieses Ziels sei eine Stärkung der Beteiligung nicht-staatlicher Akteure, darunter der lokalen Zivilgesellschaft, bei politischen Prozessen von UN-Habitat von zentraler Bedeutung.

Trotz langjähriger Forderungen der Zivilgesellschaft ist derzeit allerdings kein systematischer Beteiligungsmechanismus in Kraft. Dessen Fertigstellung und Verabschiedung ist ebenfalls für das Jahr 2025 vorgesehen und damit eine weitere wichtige Aufgabe für Anacláudia Rossbach. Die neue Direktorin von UN-Habitat hob beim WUF ihren eigenen zivilgesellschaftlichen Hintergrund hervor. Als Brasilianerin habe sie eine „Kultur der Partizipation“ verinnerlicht, betonte sie an einem Runden Tisch mit Vertreter_innen der Zivilgesellschaft. Entsprechend hoch sind deren Erwartungen – besonders in Zeiten weltweiter „Shrinking Spaces“. Wie inklusiv sich das Programm der Vereinten Nationen für nachhaltige Stadtentwicklung ausrichtet, wird für seine Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit in den kommenden Jahren entscheidend sein. Und damit auch für die Frage nach der Rolle von Städten im Kampf um die globale Nachhaltigkeit.


Beide Autor_innen arbeiten für unsere Mitgliedsorganisation Misereor. Eva Dick ist Referentin für Städtische Entwicklung in der Abteilung Afrika und Naher Osten, Kai Klause arbeitet als Referent für Städtische Transformation in der Abteilung Politik und Globale Zukunftsfragen.